Almorosa und ihr Karl (2)

nannaog

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Wer hoch vom Felsen das Land überblickt, sieht Weite. Wiesen und Wälder.
Keine Menschen, aber Tiere. Die einzige von Menschen erbaute Behausung ist die Hütte der alten Frau. Und diese Frau meidet Menschen so gut es geht.
Almorosa hat viele Jahre gebraucht, bis sie diesen Ort fand.
Und als sie hier ankam, sollten sich die Träume von Karl erfüllen.

Es kündigte sich schon lange vorher an, dass große Ereignis. Der Wind brachte Nachrichten von einem Menschen.
„Ein Mensch? !“ Fragten sich die Bewohner „Ein Mensch hier? !“ Es war unglaublich! Alle wussten, das Wind oft und gern Schabernack trieb, aber alle wussten auch, dass der Wind noch niemals gelogen hatte. Manchmal verschwieg er etwas oder er dichtete der Wahrheit etwas dazu, das schon, aber gelogen? – Nein, noch nie!
„Woher kommt dieser Mensch?“ „Wie sieht er aus?“ So stellten sie ihm Fragen. Die jüngeren Pflanzen und Tiere wollten wissen: „Wie sieht ÜBERHAUPT ein Mensch aus?“ Alle waren neugierig.
Und Karl wurde unruhig. Er wurde furchtbar unruhig. So sehr, dass er lange vor der Zeit seine Blätter verlor.

Karl sah seine Chance kommen, vielleicht die Einzige, die er jemals haben würde. Er passte auf, so gut es eben ging, dass er nicht austrocknete. Er ärgerte sich darüber, dass er schon viel zu hoch am Baum war. Er hatte keine Ahnung, wie groß Menschen waren. Doch die Alten hatten ihm erzählt, Menschen hätten eine Art Vorderpfoten, und damit könnten sie noch geschickter umgehen, als die Eichhörnchen. Mit diesen Pfoten, können sie greifen und Dinge halten. Sie können damit sogar Bäume zum Umfallen bringen. Nicht, das so etwas in ihrer Gegend schon einmal vorgekommen wäre, der Himmel bewahre, aber gehört hatten sie davon.
Der Wind bringt oft solche Geschichten mit, ob sie allerdings stimmten, oder ob Wind sie nur veralbern wollte, oder vielleicht selber veralbert worden war, das konnte keiner sagen. Warum sollte denn jemand wollen, dass ein Baum umfällt? Wenn durch Unwetter Äste abbrachen und Bäume einem starken Orkan nicht widerstehen konnten, war das schon schlimm genug. Und die jungen Pflänzchen, die in ihrem Schatten wuchsen, waren nun schutzlos der Sonne ausgeliefert, und könnten vertrocknen. Auch die Vögel, denen die umgestürzten Bäume als Wohnstatt dienten, mussten sich ein neues zu Hause suchen und oft genug waren sie selber verletzt.

Keiner wusste so recht, was er von dieser Neuigkeit, ein Mensch wäre in der Gegend, halten sollte. Alle waren gespannt. Und alle verhielten sich sehr ruhig.

Almorosa suchte einen Platz für ihre Hütte, und sie war sehr darauf bedacht, diesen Ort nicht mit anderen Menschen teilen zu müssen. Sie glaubte, dass sie ihr Ziel nun fast erreicht hatte,denn die Pflanzen und Tiere die ihr begegneten, wussten immer weniger von Menschen. Kaum mehr als wage Vorstellungen davon, wie sie aussahen, hatte in dieser Gegend niemand. Und was sie wussten, hatten sie vom Wind.
Noch war sie nicht weit genug gegangen, aber wenn sie zu weit gehen würde, käme sie dann nicht vielleicht schon wieder in die Nähe von Menschen?
Nun, sie würde es frühzeitig erfahren und umkehren können.

Das Gehen ermüdete sie mit der Zeit immer mehr. Oft machte sie Rast und sah sich den Platz, an dem sie sich gesetzt hatte, genauer an. Und wieder beschloss sie, noch ein wenig zu laufen.
Während sie lief, nahm sie die Umgebung in sich auf, drehte sich um und betrachtete den zurückgelegten Weg aus rückwärtiger Sicht.
Regenwetter und dunkle, sternenlose Nächte fürchtete sie nicht, große Hitze dagegen machte ihr schon eher zu schaffen. Aber auch damit kam sie klar, denn sie hatte für fast alles ein Mittelchen, selbst wenn dieses Mittelchen aus einem alten, zerfransten schwarzen Schirm bestand.


Fortsetzung folgt...
 



 
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