Als ich auf den Hund kam

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S

Stoffel

Gast
Als ich auf den Hund kam

Britta ging mit dem letzten Karton, in dem die meisten unserer Urlaubssouveniers lagen zur Tür hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich stand, mit dem kleinen Hund auf dem Arm da und ich spürte, wie sein Herz schnell schlug. So schnell wie mein eigenes. Er winselte und ich winselte auch. Innerlich.

Wie verdammt, sollte es jetzt weitergehen? Die Wohnung war fast leer geräumt. Vor allem, was sollte ich mit dem blöden Hund anfangen? Es war ihrer, aber "Puschelchen" passte nicht mehr in ihr neues Leben mit dem geschniegelten Lackaffen mit seinem grünen Austin Healy Roadster, Baujahr 1959. Es war mein Geburtsjahr, verdammt. Der Lackaffe war jünger als ich und stand auf Oldtimer. Ich stellte mir den Fernseher ins Schlafzimmer, denn ich hatte keine Couch mehr. Dann nahm ich mir Urlaub und grübelte vor mich hin. Ich starrte in die Glotze, ohne zu wissen, was da lief. Es war mir egal, wie mir alles egal war. Vor allem war mir der, nein ihr, Hund egal. Manchmal jaulte er. Um endlich Ruhe zu haben, stellte ich sein Körbchen zu mir ins Schlafzimmer. Aber hinten in die Ecke. Da lag er dann auf seiner Schmusedecke und beobachtete mich.
Manchmal robbte er an mich heran, wenn ich auf dem Bett lag. Dann jagte ich ihn davon. Ich hasste seine braunen Augen, die Brittas glichen. Vor allem seinen durchdringenden Blick. Sie hatte oft denselben Blick wie er.

Ich kaufte eine Palette Hundefutter, und eine Woche lang gab ich ihm eine Dose pro Tag. Das musste reichen, damit er mir nicht noch an Unterernährung starb. Ich blätterte in unserem Fotoalbum. Wie glücklich sie doch war, als sie ihn bekam. Sie wollte immer schon einen Hund. Blöde Idee. Fotos, lauter Fotos, auf denen sie mit dem Hund zu sehen war und immer schien sie glücklich zu sein. Der Kleine sprang auf mein Bett und leckte mein Ohr. Gott, war das widerlich. Ich schnauzte ihn an und schubste ihn vom Bett. Immer wieder dachte ich an den Lackaffen, wegen dem sie mich verlassen hatte. Und immer wieder hatte ich die Bilder vor Augen, von ihr und dem Hund. Der blöde Hund hatte alles und ich nichts.
An einem Morgen ging ich wie immer mit ihm Gassi, bevor ich zur Arbeit fuhr. Das musste ich tun, weil er die ganze Wohnung sonst voll machte. Und so viele Zeitungen hatte ich nun mal nicht, um sie auszulegen. Bei der Gelegenheit ging ich zum Bäcker, um mir ein belegtes Brötchen zu kaufen und machte ihn draußen fest. Als ich wieder heraus kam, war er weg. Ich sah mich kurz suchend um und dann ging ich zum Auto. Fuhr zur Arbeit und es war so, als hätte es ihn nie gegeben. Es wird ihn irgend jemand aufnehmen, dachte ich. Irgend jemand, den er mit seinen Brittaaugen ansah und der ihn in sein Herz schloss. Irgendwie fühlte ich mich erleichtert.
Dieser Zustand hielt allerdings nur bis zum Abend. Als ich die Tür aufschloss, kam mir niemand mehr entgegen. Ich lag auf dem Bett und starrte auf das leere Hundekörbchen, in dem nur noch die Schmusedecke lag und eine Gummipuppe. In der letzten Zeit hatte ich einen Freund bitter nötig, aber bei solchen Gelegenheiten sind die meisten plötzlich beschäftigt. Schlaftrunken ging ich am nächsten Morgen in die Küche, öffnete eine Dose Hundefutter und als ich die Hälfte in die Hundeschüssel schüttete, merkte ich erstmal was Sache war. Das musste ein Ende haben.
Es lag ein Druck auf meiner Brust und ich lief ins Schlafzimmer, schnappte mir seine blöde Schmusedecke, lief runter zum Müllcontainer und warf sie da hinein. Das Körbchen warf ich in den Keller. Mein Herz schlug so schnell wie an dem Tag, als Britta zur Tür hinaus ging. Ich wurde zusehendst nervöser, lief in der Wohnung auf und ab und ertrug die Einsamkeit kaum noch. Und der blöde Hund fehlte mir immer mehr.
Ich sah mir die Fotos an und wusste, ich war Schuld, dass ich noch jemanden verloren hatte. Wo er wohl gerade war? Irgendwer musste sich doch fragen zu wem er gehörte? Er gehört zu mir! Verdammt. Fast hätte ich Britta angerufen, aber ich wusste, sie ist mit Lackaffe und seinem Austin Healy Roadster Baujahr 59, gerade in Modena. Die Stadt der Schuhe. Britta hatte viele Schuhe, an die hundert, in allerlei möglichen Variationen. Nun werden sicher noch mal zehn Paar dazu kommen.
Aber was hatte sie denn noch mit meinem Hund zu schaffen? Sie hatte uns im Stich gelassen, also ging es sie nichts mehr an.
Ich rief bei der Polizei an, aber die verwiesen mich ans Tierheim. Dort war aber auch kein kleiner Mischlingshund aufgenommen worden. Ich rief meinen besten Freund an und heulte. Er machte sich große Sorgen um mich und wollte sofort kommen. Dann aber klingelte es an der Tür. Meine Nachbarin, die Matrone von oben, baute sich vor mir auf und beschimpfte mich. Wie ich denn dazu kommen würde, den kleinen Hund in den Müllcontainer zu werfen. Müllcontainer? Kleiner Hund? Ich zog sie an mich und küsste sie. Dann lief ich runter und da saß er schwanzwedelnd auf seiner Schmusedecke in dem offenen Container und sah mich mit seinen, mit seinen, nicht mit Brittas, braunen Augen an. Ich Idiot, sagte ich zu ihm. Er leckte freudig mein Ohr ab und ich zog ihn fest an mich. "Komm Kumpel, wir machen uns was zu essen", flüsterte ich. Unser beider Herzen schlugen wieder bis zum Hals.

Seit einem Monat jogge ich Morgens vor der Arbeit durch den Park und Puschelchen, der jetzt Max heißt, kommt mit. Manchmal bleiben wir stehen und dann unterhalte ich mich kurz mit anderen Joggerinnen. Und Max beschnüffelt sich mit den Hunden, die sie dabei haben. Vorgestern habe ich ihn in einer Hundesschule angemeldet. Er ist nämlich sehr klug und ich möchte ihm ein paar neue Kunststücke beibringen.
Manchmal liegen wir beide auf dem neuen Sofa und dann schauen wir uns unser Fotoalbum an. Lauter Fotos von Max und mir.
 
hallo sanne,

die geschichte ist inhaltlich sehr schön. und vom stil her stimmig, leicht zu lesen hat keineswegs langeweilig.
beim lesen fielen mir hier und da kleine unstimmigkeiten auf.
soll ich dir's per email senden?

lieben gruß heike
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Stoffel,

"Manchmal liegen wir beide auf dem neuen Sofa und dann schauen wir uns unser Fotoalbum an." Eine sehr schöne Anregung für ein Hobby.
Formal habe ich nichts auszusetzen, weil ich davon gerade keine Ahnung habe.
Inhaltlich hätte ich eine Meinung anzumerken: Hunde sind die pflegeleichteren Menschen. Ja, das stimmt.

Schöne Grüße, NDK
 
S

Stoffel

Gast
Grüß Dich NDK,

ich sag ja immer: Tiere sind auch nur Menschen.
(wobei man von Menschen sagt..si wären oft wie Tiere. Dem stimme ich nicht zu.)
Unsere Tiere kleben MIT uns und nicht neben uns. Das macht mich glücklich. Selbst unsere Hamster wurden 3,5J. alt. Das soll schon was heißen.

Ok, zum Inhalt.
Mir war das Umdenken wichtig. Keine Ahnung, ob das so raus kam. Beide wurden verlassen und am Ende eben das Miteinander und die positivere Entwicklung. (grad nach der Trennung, die für ihn ja schwer war)

Natürlich inspiriert durch unseren "Bounty"...den wir seit 4Mon. haben und er unser Leben bereichert hat.

Danke fürs Lesen. Freut mich.:)

lG
Sanne
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Stoffel,

aus der Situation heraus vielleicht nachvollziehbar. Ansonsten werden Hunde oft um einiges besser behandelt als Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. So was kann ich persönlich nur schwer nachvollziehen. Obwohl ich da auch nicht pauschal urteilen möchte. Das nur zur Ergänzung.

Schöne Grüße, NDK
 
S

Stoffel

Gast
Des Pudels Kern....

NDK,
ich schrieb Dir anderswo schon, dass ich da bei Dir eine Entwicklung miterlebte. Du negierst alles. Siehst nie die positive Seite.

Hier mal etwas zum Überdenken:

Wusstest Du (wie hier der Prot) das Tiere oft eingesetzt werden, um Menschen das Leben zu erleichtern? (sogar Affen, kleine Rhesusaffen)
Tiere trösten, der Mensch, wenn er niemanden hat mehr (nach Tod des Partners z.B.) hat noch den Zweibeiner. Oft ist ein Tier gut für die Psyche. Grad für Kids. Pferde...Kinder mit Behinderungen, physisch wie psychisch reiten. Delfine....etc...etc...

Was uns angeht, verlang nicht, dass wir Obdachlose aufnehmen, wir zwei leben selbst ziemlich eingeschränkt (alle Jobs die Spaß machen bringen kein Geld) aber wir holen oft Tiere aus dem Tierheim. Und NICHT nur, weil wir ihnen etwas geben, sondern SIE uns.

Bitte denk auch mal an positive Seiten. Auch wenn, was weiß ich, Dich grad so werden ließ.
Die Welt ist nicht schlecht, die Menschen auch nicht.

Einen schönen Abend
lG
Sanne
 

NewDawnK

Mitglied
Stoffel, ich erwähnte ja bereits, dass ich nicht pauschal urteilen will. Trotzdem haben aus meiner Sicht Leute, die fünfmal am Tag mit ihrem Pfiffi Gassi gehen, aber die Oma im Altersheim abliefern, unter Garantie eine Meise unterm Pony.
Außerdem ist Dein Beispiel bei näherer Betrachtung auch nicht viel besser. Ein Hund als Kuscheltier für Liebeskummergeplagte... Kennst Du Gerd Hauke, den Hundeversteher? Der würde Dir bestimmt auch ein paar Takte dazu schreiben, wenn er Deinen Text hier lesen würde. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Schönen Abend noch, NDK
 

huwawa

Mitglied
Ich glaube, es ist tatsächlich so: Hunde die man Anfangs gar nicht so recht haben will, gewinnt man am Liebsten. Das liegt an den Hunden. Sie spüren das und wollen dann die Zuneigung gerade dieses Menschen erreichen. Und mit ihrem "Britta-" oder was sonst immer Blick erreichen sie das auch oft. (Ich spreche da aus eigener Erfahrung...).

Mir gefällt die Geschichte sehr gut.
"Ich starrte in die Glotze, ohne zu wissen, was da läuft.". Sollte es da nicht "lief" heßen?

lG
huwawa
 

NewDawnK

Mitglied
Ergänzung:
Wer als Kind selbst wie ein Hündchen dressiert wurde, wird sich schwer tun, diese Verhaltensmuster als Erwachsener zu durchbrechen. Vermutlich fühlen sich manche Menschen deshalb erst dann richtig OK, wenn sie andere Kreaturen, egal ob Menschen oder Tiere, möglichst weitgehend unter Kontrolle haben.
Platz, Sitz, mach Männchen - wer sich nicht anpasst, kann einpacken in unserer Gesellschaft. Allerdings durchschaut man solche Mechanismen gewöhnlich erst dann, wenn man den Mut hat auszusteigen aus dem Hamsterrad. Das tun aus Angst vor den eingetrichterten Konsequenzen die wenigsten. Und Leute, die Macht über Andere haben, hinterfragen ihr Verhalten schon gar nicht. Gerade sie haben die wenigste Veranlassung dazu, weil ihnen der gesellschaftliche Erfolg recht gibt.

Es gibt also mehr als einen Grund, auf den "lieben" Hund zu kommen. Und es gibt mehr als einen Grund mit Hilfe der "lieben" Mitmenschen vor die Hunde zu gehen... vielleicht sollte man das Thema etwas differenzierter sehen, als im Text suggeriert wird.

Gruß, NDK
 
S

Stoffel

Gast
Guten Morgen,

*seufz*

Wir schreiben doch viel über uns selbst und unsere eigenen Erafhrungen(Gefühle). Ich kann doch mich nicht ausklammern und nur über das Schlechte dieser Welt schreiben, NDK.
NATÜRLICH gibt es noch die anderen, aber hier geht es mal NICHT um sie, sondern um mein Empfinden.
Ich habe mir über zwei Jahre gut überlegt, ob Diana sich den Hund anschaffen darf. Da sie zu den Kids gehört, die all ihre Tiere gut versorgt, sich kümmert, habe ich dem zugestimmt. Er ist kein Schoßhund, wird als soclhes nicht behandelt.
Er ist unser FREUND.

Ich denke mal, um das so reduziert zu sehen, müsstest Du MICH als Menschen erstmal kennen. Wenn Du das tätest, würdest Du diese kleine Geschichte nicht so beladen mit den schweren Themen des Lebens.
DIE behandel ich zu anderer Zeit mal wieder.

Ja Huwawa, ist falsch, ich besser es gleich aus.
Und ganz lieben Dank:)

lG
Sanne

NDK, hast DU mir die "3" gegeben?
Wenn nicht, sehe ich sie als Unsympathiebekundung eines andren.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
einfach

zum heulen schön. allerdings wüßte ich gern, wie der kleine hund den deckel der mülltonne aufbekam . . .
lg
 
S

Stoffel

Gast
taschentuchreich...*smile*

Guten Morgen,

danke Dir:)

Tja..entweder hats Harrchen ihn offen gelassen, wie immer, oder aber es ist wie ich es oft beobachte, dass der Müllcontainer offen steht.
Muss mir die Stelle nochmal anschauen.*smile*

Einen schönen Tag
lG
Sanne
 
@christa und sanne

beim 2x lesen habe ich es so verstanden das die schimpfende nachbarin den hund aus dem müll befreit hat. oder sollte sie beschimpfen und das arme tier drinnen gelassen haben?
lieben gruß
 
S

Stoffel

Gast
Moin Heike, :)

also, ICH gehe auch nicht gern an fremde Hunde ran.
(kann ja auch sein, dass er sie anknurrte, aber da wollte ich keinen Extraschauplatz schaffen.)
Ich denke mal, sie hat das arme Tier da drin gesehen, wusste wem es gehört und beschimpfte dann den Hundehalter;)

Leider kam ich noch nicht dazu die kleinen Stellen zu überarbeiten, die mir schicktest. Mach ich aber noch.

Danke
lG
schönen Abend
Sanne
 
M

mirami

Gast
hallo stoffel,

auch mir gefällt es gut wie du auf den hund kamst. eine sehr “niedliche“ geschichte mit happyend. sie ist herzlich und emotionsgeladen und mal was richtig schönes. sie ist etwas kitschig, okay – aber sie ist es im positiven sinn. sie ist nachvollziehbar und das finde ich wirklich schön, denn mittlerweile ist es, glaub’ ich, schon IN über verhaltensgestörte zu schreiben. keine ahnung warum das so gerne gelesen wird. vielleicht ist es modern verhaltensgestört zu sein? ;) mich nerven mittlerweile die ach so außergewöhnlichen protagonisten in ihren ach so außergewöhnlichen lebensumfeldern.
ach so, fraglich war mir allerdings wie der hund in den müllcontainer kam??? oder habe ich da was überlesen?

@ndk
ich denke nicht, dass alle hundebesitzer mit ihren vierbeinern irgendwelche emotionale defizite befriedigen. im gegenteil, ich halte sie für menschen die bereit sind verantwortung zu übernehmen, sich ganz bewusst einschränken zu lassen in ihrer freiheit. ein hund bleibt immer ein “kind“ – und das gibt nicht nur sondern fordert auch. aufmerksamkeit, pflege, zeit usw.

lg
mirami
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

also bei uns in berlin ist es nicht möglich, den müllcontainer offen zu lassen. der deckel schiebt sich durch sein eigenes gewicht von allein zurück, daher mein erstaunen. aber früher, in meiner kindheit, da gab s tonnen mit klappdeckel, die konnte man offen lassen. hat immer gut gestunken . . .
lg
 
S

Stoffel

Gast
Guten Morgen,

diese Containerschubdeckel sind so konstruiert,
dass, wenn man sie ganz nach hinten auf macht, sie offen bleiben.
Gehen wir einfach davon aus, dass irgendwer ihn offen ließ, weil er zu faul war, ihn zu schließen.(?);)

Schönen Tag allen und danke Euch
lG
Sanne
 

Inu

Mitglied
Hallo Stoffel

Nachdem so viele den Text angeklickt haben, hat er mich doch jetzt auch einmal gereizt.

Das solltest Du vielleicht noch verbessern. Dann ist die hübsche Geschichte nämlich PERFEKT:

Meine Nachbarin, die Matrone von oben, baute sich vor [strike]mich [/strike][blue]mir[/blue] auf ...

Dann lief ich runter und da saß er auf seiner Schmusedecke in dem [blue]offenen ?[/blue] Container. Normalerweise sind die Container ja zu. Da wäre er aber kaum hineingekommen ;:)Oder meinst Du einen der riesigen Container für Sperrmüll oder Entrümpelung. Ich habe eher an eine Abfalltonne gedacht, in die er die Schmusedecke geworfen hatte.

Irgend jemand, den er mit seinen Brittaaugen ansah und [blue]der[/blue] ihn in sein Herz schloss.

Dass der Hund so in der Mülltonne auf seiner alten Schmusedecke sitzt ( und womöglich noch mit dem Schwänzchen wedelt ) finde ich besonders süß.

Liebe Grüße
Inu
 



 
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