Als ich zu glauben wagte..

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None Back

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Zu Anfang glaubte ich an Liebe, die glücklich machte, an ein Gefühl, das keinen Schmerz zuließ.
Mittlerweile weiss ich, dass diese Vorstellung kindlicher Naivität anzuhaften ist.

Leise Rockmusik drang aus den Boxen der Anlage, während ich spürte, wie meine Glieder mit einer betäubenden Müdigkeit erschwert wurden, mich dazu zwangen selbst meine Augenlider zu schließen und einem Traum hinzugeben, der nichts anderes für mich bereit hielt, als süß duftende Blumen und heiteren Sonnenschein. Dieser Traum, zusammen mit diesem Glück machten mich unaufmerksam, so dass ich ihn erst wahrnahm, als er es für richtig hielt. Nämlich dann, als seine kräftige, kalte Hand meinen Knöchel packte und mich von der Couch auf den Boden zerrte.
Schlagartig war jegliche Müdigkeit verflogen und ließ meine Gliedmaßen in einer Leichtigkeit zurück, in der ich meinte, mich mit jedem anlegen zu können, außer dem, der jetzt über mir stand, als ich die Augen panisch aufriss. Er war es. Er, dem mein Herz gehörte.
Er wischte sich mit der linken Hand über den Mund, ein dreckiges Grinsen im Gesicht. Ich roch den Alkohol - und dieser Geruch, der sich plötzlich in meine Gedanken ätzte, ließ mich leicht würgen, erzeugte Übelkeit in meinem Innern. Das Zeug veränderte ihn; es machte ihn zur Bestie.

Ich öffnete meinen Mund, wollte gerade etwas sagen. Etwas, was ihn beschwichtigen sollte, aber er ließ mir nicht mal diese Zeit, denn während er mich herunter drückte, rammte er mir seinen Fuß in die Seite. Einzig und allein ein Reflex wollte mich schützen, als meine Hände vorschnellten und seinen Tritt abfangen wollten - einige Sekunden zu spät. Ich spürte, wie jegliche Luft aus meiner Lunge wich, gähnende Leere hinterließ und ich spürte.. dass meine Knochen nachgaben, meine Rippen ein leises Krachen von sich gaben. Und jetzt schon schien der Schmerz betäubend, dunkle Pünktchen flimmerten vor meinem inneren Auge, so dass ich mich nur mit Mühe bei Sinnen halten konnte.

Es war nicht das erste Mal. Mittlerweile versuchte ich mich nicht einmal mehr zu wehren, sondern ließ es geschehen, so wie es jedes von Zeit zu Zeit eben geschah. Vielleicht würde er den Spaß dran schneller verlieren, seine Aggressivität ein wenig abflauen. Meine Gedanken kreisten in wilden Bahnen und mein Herz schmerzte mehr, als die Schläge es taten. Es wollte in alle Einzelteile zerspringen, so sehr pochte es - und mir war es nur recht. Ich hatte schon lange aufgegeben.

Ein unnatürliches Geräusch, ein leises Brummeln seinerseits und mit seinen taumelnden Schritten versuchte er einen weiteren Tritt, den er jedoch verfehlte und sich selbst zu Boden streckte.
Das Zeug machte ihn zu einer unberechenbaren Bestie. Ich stützte meinen Kopf auf dem Boden, hielt mit meinen Armen den Oberkörper umschlungen, gleich einer Art Schutzschild, das jedoch ebenso zerbrechlich schien wie Glas. Meine Angst, meine Panik brachte mich dazu, ein wenig von ihm weg zu rücken, obwohl jeden Moment Schmerzen meinen Körper schüttelten, mich ruhig stellen wollten.
Irgendwann würde er mich totschlagen.

"Ich bitte dich.." Der Versuch, ihn zur Besinnung zu bringen. Jedes einzelne Wort handelte mir unerträgliche Schmerzen ein, die mich zusammenkrümmen ließen, bis ich wehrlos vor ihm lag.
Er schien durch diese wenigen Worte jedoch nur angespornt zu werden, als er auf mich zukroch, selbst auf allen Vieren ? seine Würde hatte er schon lange verloren. Er griff nach meinem Pullover, zerrte daran, hob seine Hand und schlug mir ein ums andere Mal ins Gesicht, bis ich mich nicht mehr halten konnte, bis ich erschlaffte und die Ohnmacht mich erfasste. Eine Dunkelheit, die mir zutraulicher erschien, als mein Lebensgefährte.

Meine Augen waren völlig geschwollen, als ich sie zu öffnen wagte - unwissend, wie viel Zeit vergangen war. Weisse Bettwäsche, Lampen, Tische - ein Krankenhaus, das erkannte ich selbst am Geruch. Doch die Gestalt, die sich neben meinem Bett befand hatte keinen weissen Arztkittel an, sondern dreckige, schwarze Lederkluft.
Ich spürte wie ich vor Schreck zusammenzuckte und ihn panisch betrachtete. Ihn, der neben meinem Bett saß, die Augen auf mich gerichtet, nun wieder nüchtern. Die Bestie war verschwunden.

"Du bist aufgewacht." Hörte ich da Enttäuschung heraus?
Ich schluckte nur bitter und ließ ihn ein Nicken sehen, vage, kaum zu bemerken. Mein Blick wanderte durch den Raum, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Die Geschehnisse standen mir von Neuem vor Augen und mein Herz fing wieder an zu bluten. Allein wegen ihm, immer und immer wieder.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie er sich erhob, einige wenige Schritte und er stand am Bett, legte eine Hand auf meine Wange, um ihm mein Gesicht zuzudrehen.
Diesmal war das Lächeln nicht dreckig, es war einfach nur kalt. Eine Kälte, die mir eine Gänsehaut über den Körper jagte und mich tiefer in die Kissen sinken ließ, als könnte ich in ihnen verschwinden, auf immer und ewig.

"Vergiss nicht, ich liebe dich.." Die Kälte, die sich in seinen Augen befand spiegelte sich nun auch in seinen Worten wider; er zwang mich immer noch dazu ihn anzusehen, wartend auf Antwort stellten sein Blick und seine Züge fast eine Herausforderung dar.

"Ich dich auch." Ich zeigte ihm ein schwächliches Lächeln, das, so schnell es gekommen war, wieder meine leblosen Züge verließ. Einen Moment noch hielt er den Blickkontakt, eindringlich, bevor er vor mir abließ und langsam durch die Tür auf den Flur hinaus schritt.

Meine Hände verkrampften sich, meine Fingernägel bohrten sich in die weisse Decke, als er im Türrahmen stehen blieb, sich noch einmal umdrehte, ein Grinsen im Gesicht. "Ich komme heute Abend wieder vorbei, Darling. Bis dann."

Das einzige, das ich ihm jemals antat: Ich wandte mein Gesicht ab.
 
Diese Geschichte gefällt mir ausnehmend gut. Sie verzichtet auf einen melodramatischen Ton und lässt durch die zurück genommene Sprache die geschilderten Ereignisse für sich sprechen. Was beschrieben wird, ist nachvollziehbar, und ich bin None Back sehr dankbar, dass das Ende keine "Auflösung" im Sinne triumphierender Rache oä bereit hält. Für viele Menschen in der dargestellten Lage gibt es nämlich häufig über Jahre hinweg oder bis zu einem ganz bitteren Ende keine Auflösung, von Rache ganz zu schweigen.

Abgesehen davon, dass die Form sehr wirkungsvoll ist, sind die Worte im einzelnen treffsicher gewählt, ich habe keinen bedeutenden Missklang entdecken können, und bei dem Sujet bedeutet das schon etwas.

Ein paar kleinere Anmerkungen:

Mittlerweile weiss ich, dass diese Vorstellung kindlicher Naivität anzuhaften ist. - "anzuhaften ist" erscheint mir etwas ungewöhnlich, verkrampft. Zudem suggeriert sie, dass "die Vorstellung" an die "Naivität" angepflockt wird, während sie doch eigentlich Produkt naiver Vorstellungen ist, zumindest glaube ich, dass das gemeint ist.


Ein unnatürliches Geräusch, ein leises Brummeln seinerseits und mit seinen taumelnden Schritten versuchte er einen weiteren Tritt, den er jedoch verfehlte und sich selbst zu Boden schreckte. - ich verstehe die Formulierung "sich selbst zu Boden schreckte" nicht. Ist "schickte" gemeint oder kenne ich die Wendung nur nicht?

Eine Dunkelheit, die mir zutraulicher erschien, als mein Lebensgefährte. - "zutraulich" beschreibt eigentlich eine Eigenart bzw. ein Verhalten von Lebewesen; insofern ist es auf die Dunkelheit angewandt vielleicht unglücklich gewählt.


Meine Augen waren völlig geschwollen, als ich sie zu öffnen wagte ? unwissend, wie viel Zeit vergangen war. - warum das Fragezeichen?


Tolle Geschichte!
 

None Back

Mitglied
Oh, als ich es in Word geschrieben habe, war da kein Fragezeichen. Als ich es dann kopiert habe, hat er die Zeichen so wohl nicht angenommen. Ich muss es noch einmal editieren.

Und.. es sollte nicht "schreckte" sondern "streckte" heissen. Da war ich wohl ein wenig zu voreilig..

Ich verändere es grad.

Danke für den Kommentar!
 



 
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