Am Fenster

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Walther

Mitglied
Am Fenster


Am kalten Tag mag sich der Winter zeigen,
Mit Schnee und Eis, mit Sturm und Turbulenz.
Er fährt durch mich hindurch mit Vehemenz.
Die Tannen sieht man ihre Spitzen neigen.

Am Fenster steh ich, spür die Divergenz
Zum warmen Raum. Ich seh die Krähen steigen.
Die Flocken tanzen mit den Blättern Reigen.
Nie ferner schienen Sonne und der Lenz.

Das Wollen ist viel stärker als das Handeln.
Es trägt in sich nicht mehr als den Beginn.
Das Wollen mit dem Müssen zu verbandeln,

Das ist die Kunst, es gibt dem Wünschen Sinn.
Am Fenster seh ich Traum und Welt sich wandeln,
Den Frühling sich entfalten in mir drin.
 

Walther

Mitglied
Guten Abend, Perry,

was soll man als Dichter dazu noch sagen? ;) Das Lob ist angekommen, und ich bin, wie alle nach Anerkennung lechzende Feierabendlyriker, sehr dankbar dafür. Sich selbst auf die Schulter zu klopfen, wird auf Dauer langweilig. :)

Und doch möchte ich zur Gedichtform noch etwas beitragen, weil manchem, der das Reimen nicht so für sich entdeckt hat, ohne daß das etwa abwertend gemeint wäre, auch ich schreibe ja die freie Form, eventuell das eine oder andere Schmankerl dieses Eintrags entgeht.

Ich habe im Gedicht ganz traditionell Friedrich Rückert und August von Platen der Form nach aufgegriffen. Der fünfhebige Jambus ist streng durchgezogen. Er endet im Wechselspiel auf einer Hebung oder einer Senkung. Das Schema abba baab cdc dcd gehört zu den schwierigeren Übungen, vor allem, wenn danach nicht l'art pour l'art, sondern ein echter Inhalt transportiert werden soll.

Auch vom Inhalt her habe ich durchaus die romantisierende Stimmung der damaligen Zeiten aufgenommen. Auch habe ich das Wechselspiel „Natur-Individuum“ bewusst thematisiert. Dennoch ist das Gedicht ein Beitrag von heute. Denn das Zusammenspiel von Wollen, Müssen und Handeln, von Wünschen und Sinn, das ist eine Beschreibung der Istzeit.

Denn wenn uns etwas abhanden gekommen ist, dann ist das die Gewissheit, was sinnstiftend ist und was nicht. Und es ist der Sinn dafür, dass der Wunsch selbst schon etwas ist, das den Mensch über den Rest der Schöpfung erhebt. Und dass Wünschen und Träumen durchaus eigene Qualitäten und Werthaltigkeiten haben. Denn das Schönste am Wunsch ist der Traum seiner Erfüllung. Die eigentliche Erfüllung enttäuscht oft und schmeckt merkwürdig schal.

Lieben Abendgruß

W.
 
Hallo Walther,

wenn ich Dir sage, daß mir Dein Sonett sehr gut gefällt, dann weißt Du genau, daß ich ähnlich denke und empfinde!
Und ich bin auch Deiner Meinung, daß es am schönsten ist, davon zu träumen, daß ein Wunsch in Erfüllung geht. Nicht immer, aber manchmal ist die Realität, die Wunscherfüllung tatsächlich eher ernüchternd.
Einen schönen ersten Adventsonntag wünscht Dir,

Brigitte.
 

Walther

Mitglied
Moinmoin, Brigitte,

danke für Deine guten Wünsche zum Advent, die ich gerne zurückgebe. Die Naturdichter werden immer wieder ein wenig "verlacht2, weil man meint, die romantisieren doch nur. Wie wir sehen, ist dem nicht so.

Der Reflex des Literaten ist zumeist eine Reaktion auf seine Umgebung. Diese ist häufig städtisch geprägt. Dort tritt die Natur eher als Randerscheinung, die sich in Regengüssen, Schneegestöber und Himmelsausschnitten dokumentiert, in den Alltag. Nachts in den In-Clubs der Städte ist sowieso das Wetter immer gleich. :)

Der moderne Mensch hat es, nicht erst seit der Zeit der medialen Dauerberieselung, die gerne eine virutelle Ersatzwelt vorspiegelt, nicht mehr so sehr mit der Natur. Vor allem scheint er zu glauben, er und sein Leben seien kein Teil mehr von ihr, hätten sie sogar überwunden. Das aktuelle Schneechaos zeigt, daß es nicht unbedingt der entfernte Tsunami sein muß oder das Erdbeben in Kaschmir, damit uns die Grenzen aufgezeigt werden.

Nun denn, laßt uns weiter die Natur bedichten.

Liebe Grüße W.
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Walther,

ich mag diesen Text gar nicht.Zum einen kommts mir vor wie
"reim Dich oder ich fress Dich" und ich denke mal, es entspricht nicht dem einfachen Geist eines Dichters so derart konzipiert zu sein, in solch Moment.

Ok..das einfach..spontan.
Mir gefällts nicht, was nix heissen muss. *smile*

Unten nur zu Anfang mal ne Idee.

Einen schönen Tag Dir
lG
Sanne

Im Winter mag sich der kalte Tag zeigen,
mit Schnee und Eis, mit Sturm und Turbulenz.
Er fährt durch mich hindurch mit Vehemenz.
und man sieht der Tannen Spitzen neigen.
Am Fenster steh ich, spür die Divergenz
(WELCHER normale Leser weiß,was DAS is??)
Zum warmen Raum. Ich seh die Krähen steigen.
(unlyrisch, find ich..."steigen")
Die Flocken tanzen mit den Blättern Reigen.
Nie ferner schienen Sonne und der Lenz.
(Die Sonne ist auch im Winter super nah und bis heiß,grad in den Bergen..aber auch hier warm)
 
P

Prosaiker

Gast
reim dich oder ich fress dich - keineswegs. das hier ist meinem dafürhalten nach sehr sauber gereimt. jeder leser sollte wissen, was divergenz ist, wenn nicht: dann schlägt er's eben nach. und wieder was dazugelernt. der dichter sollte dem leser nicht nach der schnauze plappern.
mir gefällt's, walther.
lg,
Prosa.
 
S

Stoffel

Gast
Pros...
das ist DEINE Lesart.
Jeder hat seine.
Ich darf doch bitte meine haben,oder?
Lass Dir ja auch Deine.*smile*

Und...wenn ICH einen Text lese, dann will ich nicht Stunden damit verbringen,mich durch Enzyklöpädieen zu schlagen. Sorry.;)

Zudem ist da vieles einfacxh ungereimter Natur. Ich denke mal, der Autor wird mir nicht bös für meine Meinung sein. *smile*

lG
Stoffel
 

Walther

Mitglied
Guten Tag, Ihr Lieben!

Zuerst: Ich habe nichts gegen kräftige Kritik, da hatte Sanne/Stoffel recht. Schließlich muß man als Schreiberling froh sein, wenn sich überhaupt jemand die Zeit für einen kleinen Beitrag nimmt. Und nachdem ich gelegentlich ebenso offen meine Ansichten zu einem Beitrag kundtue, kann ich jetzt schwer die beleidigte Leberwurst spielen, nur weil mir jemand sagt, daß ihm/ihr mein Gedicht gegen den Strich geht.

Zum Zweiten: Man kann in der Tat Deinem Vorschlag folgen, liebe Sanne, und die umgreifenden Verse als vierhebig auszuprägen. Das habe ich bewußt nicht getan. Letztlich gewinnt Deine Form zwar etwas an Geschwindigkeit, das war es dann aber auch schon. Ich wollte den getragenen Rhythmus, und er paßt auch zum Thema.

Im Übrigen zeigt mein Sprachgefühl an, daß der letzte Vers der ersten Strophe jedenfalls ohne das "Und" kommen sollte.

Die "Krähen"-Metapher: Das Bild ist so alt wie die deutsche Dichtung. Es spielt auf den Tod als dauernden Begleiter an. Im Herbst und frühen Winter sind es die dunklen Vögel, die Rabenkrähen, die die Landschaft, besonders die abgeernteten Felder, bevölkern. Und sie steigen in der Tat auf, wenn der Schneesturm kommt. Daher paßt das Ganze wie die Faust aufs Auge. Man möge mir diesen kleinen bildungsbürgerlichen Ausflug verzeihen.

Des Weiteren: Das Wort "Divergenz", OK, da lasse ich den Ärger ein Stückweit gelten, aber eben nur ein Stückweit. Letztlich doppelt dieses deutsche Wort lateinischen Ursprungs genau diesen Unterschied zwischen warmen Raum und Schneegestöber und das auch noch in einer sehr melodiösen Weise: Erst das grelle "i", dann das harte "er" und dann am Ende das weiche "e", eigentlich wortmelodisch perfekt passend, eher aber eine zufällige Ausbeute.

Auch wieder ein bildungsbürgerlicher Schlenker: Der da dichtet, muß seine Sprache schon kennen, und das hat nichts mit der Ausbildung zu tun, das kann man sich "erlesen". Ich weiß, daß ich mal wieder ein schreckliches und arrogantes Ekelpaket bin ... Aber ein souveräner Umgang mit den Vielfalt unserer Sprache darf nicht dadurch bestraft werden, indem man auf den Duden verweist.

Nun zum krachendsten Kritikpunkt: Reimen, um des Reimes Willen. Dieses Schlagetodargument lasse ich für meine Gedichte nicht gelten. Keines, das in der Lupe steht, ist reine l'art pour l'art oder "Fingerübung".

(Und selbst wenn: Dann gälte es, selbst einmal den Beweis anzutreten, daß man die Sprache als Handwerkszeug des Lyrikers wirklich sattelfest beherrschte.

Ich münze diesen vorstehenden Satz jetzt bewußt nicht auf Deine Einträge, liebe Sanne, sondern lasse ihn einfach einmal so im Raum stehen; für Anwesende gilt, da sie sonst beleidigt sein oder sich persönlich angegriffen fühlen könnten, eine solche Replik ebensowenig wie für alle, die diese Antwort lesen oder später als Disputanten hinzuukommen sollten. Diese Globalexkulpierung muß schon deshalb sein, weil ich nachher nicht zur persona non grata in der Lupe erklärt werden möchte! :)

Man hätte den Satz also auch lassen können, aber bevor ich einen Kropf bekomme, habe ich ihn dann doch gesagt.)

Ich habe an anderer Stelle einmal in 10 Thesen sehr ausführlich dargelegt, wie ich den Zustand der heutigen deutschen Lyrik sehe. Mehr dazu in der nächsten Nummer der Asphaltspuren, kommt jetzt heraus, mehr unter http://www.asphaltspuren.de, oder ab 15.12.2005 unter http://www.gedankenlieder.de unter Walther' Specials - Rubrik Artikel. Dann sind die ASP06 draußen, und ich kann den Beitrag veröffentlichen. Da kann man auch nachlesen, wie ich Lyrik für mich "bewerte" und warum Gefallen alleine noch kein Gütesiegel für ein "gutes" Gedicht ist.

Nix für ungut, sei Dir noch zugerufen: Aber Du warst ja auch nicht zartbesaitet. ;)

Nun zu Dir, lieber Prosaiker! Da danke ich natürlich für Deinen guten Zuspruch. Den hat jeder nötig, der sich dichtend betätigt und der armen Mitwelt mit seinem mehr oder minder qualifizierten Sermon gelegentlich die Zeit stiehlt (und auf den Senkel geht, wie oben bei Sanne geschehen). Aber auch die anderen alle, die sich redlich mühen und sich fragen, warum denn nur niemand sich einmal zustimmend zu ihren mit Herzblut gefertigten Dichtwerken äußert. :)

Lieben Abendgruß entbietet

W.,

sich für diese und alle anderen Entgleisungen entschuldigend, falls jemand betroffen und verletzt sein sollte
 



 
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