Am Krankenbett

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hwg

Mitglied
Erst als er unbeholfen vor ihrem Krankenbett stand und nicht wusste, ob er sie in diesem Moment küssen dürfe, Schweißperlen überall an ihrem Gesicht sah, die er wegwischen wollte und sich nicht traute, als er merkte, dass er die mitgebrachten Blumen noch immer in der Hand hielt, und als er schließlich selbst Schweiß auf der Stirn spürte, war ihm klar - er war auf diesen Besuch nicht vorbereitet.

Nachdem sie plötzlich heiter sagte, er könne ja nun sehen, sie lebe noch, fiel ihm ein, dass er nicht ein einziges Mal die andere Möglichkeit mit aller Konsequenz durchdacht hatte, vielmehr sie sofort beiseite schob, wenn sie sich in seine Gedanken drängen wollte.

In diesem Augenblick erkannte er, welche Angst sie durchgestanden haben musste, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren in jenen Tagen, da beide vom Bevorstehenden wussten.
 
D

DonQ

Gast
Erst als er unbeholfen vor ihrem Krankenbett stand
Hallo hwg, könntest Du nicht, statt am Anfang Deines Textes Unbeholfenheit zu konstatieren, diese nicht vielleicht zeigen (fahrige Bewegungen, Stottern bei der Begrüßung, was weiß ich...)?

dass er die mitgebrachten Blumen noch immer in der Hand hielt,
Ja, genau so, aber nicht als Bestätigung der Unbeholfenheit, sondern dass diese offensichtlich wird, ohne sie zu erwähnen.

dass er nicht ein einziges Mal die andere Möglichkeit mit aller Konsequenz durchdacht hatte
Nun ja, da wäre ja nun vielleicht die richtige Zeit für. Muss ja nicht lang sein und wirklich in aller Konsequenz, da reichen vielleicht schon ein, zwei Bilder (alleine beim Frühstück sitzen oder im Bett liegen, sie nie mehr lächeln sehen...).

wenn sie sich in seine Gedanken drängen wollte.
Das schließt nicht aus, diese Bilder zumindest vor dem Leser aufblitzen zu lassen.

In diesem Augenblick erkannte er, welche Angst sie durchgestanden haben musste,
Seltsam, ich würde an Stelle des Protagonisten erst mal meine Angst erkennen und dann daraus auf die Angst der Kranken schließen. Gut, Du kannst sagen, im Absatz zuvor sei es um die Angst des Protagonisten gegangen. Die wird aber leider nicht spürbar (nein, nein, jetzt bitte nicht schreiben "Ich habe Angst!", Bilder finden, die den Leser die Angst spürbar machen).

ohne auch nur ein Wort darüber zu verliere
Ich verstehe schon, es geht um den minimalistischen Ansatz. Ist ja schließlich auch Kurzprosa, da will man mit wenig Worten viel sagen. Aber noch einmal: Es geht nicht um die Worte, sondern um die Bilder.

da beide vom Bevorstehenden wussten
Seltsam, das ist so ziemlich die vageste Stelle in Deinem Text und dennoch das stärkste Bild. Ich hoffe, Du kannst nachvollziehen, was ich sagen will.

Bis dann

Jan
 



 
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