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Auf dem Sofa

Die schon fett gefressenen Käfer sitzen auf der Schreibtischkante und lauschen dem Geräusch der Graftispitze des Bleistiftes. Mia liegt auf dem Sofa und assoziiert, assoziirrt, monologisiert. Frau Ahavzi hört zu,vielleicht, kritzelt Strichmenschchen auf den Rezeptblock und setzt einem jeden abschließend eine runde Winterhaube auf.Natürlich, so Mia, wußte ich, daß er, nämlich K. ein egoistischer, selbstbezogener Neurotiker gewesen ist.Wenn doch sein Vater nicht so grob zu ihm gewesen wäre, so sadistisch, dann wären seine Berichte zur Lage der Arbeiter in der Arbeiterunfallversicherung viel trockener ausgefallen, die Nachwelt hätte nichts zu bewundern gehabt un die Germanisten hätten sich ein anderes Betätigungsfeld suchen müssen zwecks Ausschlachterei, Interpretiererei. Aber bitte, K. war immerhin so korrekt, an diesen Mißständen zu leiden. Das alles und sein melancholisches Naturell haben ihn inspiriert. Ich habe das ausbaden müssen und bin in die Geschichte eingegangen als Geliebte von K. Ha, daß ich nicht lache!
Projektionsfläche bin ich gewesen. Inspirationsquelle. Aber auch ich habe eine Schwäche für alles Schwache gehabt, meine soziale Ader hat er angezapft und die war bei mir als Frau, sie wissen ja...und rückblendend muss ich sagen, es war sogar besser, daß er so war.

Zirka 100 Jahre früher, der menschliche Zeitbegriff ist ja irrelevant, bin ich eine Vorgabe oder wenn sie so wollen, Vorgabe gewesen, sagte Mona. Nachdem ich aufgestanden war an einem Sommertag im Juli 18.., nicht ohne die Kante der unterhalb von mir stehenden Glasvitrine als Stütze für meine Hände und Arme zu benützen, da spürte ich die tatsächliche Last meines Körpers, ich hatte Angst, das Glas zu zerbrechen und das war mir peinlich, ich lächelte.
Anderseits: War ich nicht unverletztlich? Na unverletzlich doch wieder nicht, das Abbild eines Gesichtes, Mundes, Körpers, der mir doch keine Selbstverstänfdlichkeit mehr war und unvertraut, schließlich habe ich jahrhunderteg in keinen Spiegel geschaut. Ich bewohnte den seelenlosen Körper als Bild, zum Ewigsein bestimmt, ich, eine Gefangene in diesem Rahmen, ich richtete mich auf mit meinem konservierten Lächeln, es war doch gar nichts besonderes daran.
Hängen bleiben! befahl die Museumswärterin, die wievielte war es schon? Ich fügte mich, dachte nach und wartete, bis die Säle abgesperrt werden würden. Das Licht verlöschte, eine Weile lauschte ich noch ins Dunkel. Vor dem Gebaäude stand einer von diesen die Ringstraße säumenden Bäumen. Ich mochte ihn, er warf im Sommer große Schatten. Ich verfolgte die Bewegungen, Gesichtsausdrücke der Besucher, die auf und ab schreitenden Wärter, ich hörte dieses Ah´s und Oh´s der Besucher, bis ich eines, nämlich meines Tages, denn das Museum befand sich zur zeit in einem Gerüstkorsett und die sich immer wieder einschaltenden Alarmklingeln nahm sowieso niemand mehr ernst, bis ich mich eines Nachts, die Situation ausnützend, von einem italienischen Kunstfälscher austauschen ließ. Man hat es übrigens bis heute nicht bemerkt, da ich eine gute Fälschung bin. Nun hänge ich in einer süditaliensichen Villa in einem abgedunkelten Raum, den selten jemand betritt, wie langweilig ist das! ich könnte mich von einem Verrückten zerstören lassen, bin aber bis jetzt keinem begegnet.

Unlängst, so vor 30 jahren, machten Herta und ich einen Ausflug zum Fuschlsee. Zuerst unterhielten wir uns und dann begann Herta, mir aus einem alten Buch vorzulesen, davon ich aber, zumal es in lateinischer Sprache verfaßt war, sowieso kein Wort verstand. Sie sagte: Ohne Latein gibt es keine fundierte Bildung. Ich schwieg, schaute zum wolkenlosen Himmel hinauf und er schaute zurück.
Eine bestimmte Passage mußte sie plötzlich verärgert haben, denn sie schleuderte nicht nur mit einer heftigen Handbewegung das Insekt von der betreffenden Seite des Buches, sondern das ganze Buch ins Wasser. Das Wasser klatschte eher leise, monoton in ein paar Wellen an die Breitseite des Bootes, worin wir gesessen waren, es schaukelte ein wenig, das Buch war sofort im Wasser versunken und auf dessen Oberfläche waren kleine Ringe zu sehen, die sich kräuselten. Das Wasser glättete sich rasch wieder. Der Himmel war immer noch blau. Sie nahm die Ruder in die Hand und drückte kräftig. Wenn ich in die Pension zurückkomme, werde ich ein anderes Buch lesen, dachte sie und das Radio aufdrehen, um die lokalen Nachrichten zu hören.Kein Mensch wird auf die idee kommen, daß ich hier gewesen bin und sie lachte leise, freute sich diebisch auf das nächste Buch. Mit raschen Schritten ging sie, nachdem sie das Boot vertäut und sich vergewissert hatte, daß ich als Nichtschimmerin in dem tiefen Wasser verschwunden war und hoffentlich dort unten blieb bei den Fischen.

Frau Ahavzi schaute auf die Uhr, lächelte freundlich und schrieb etwas mit kyrillischen Buchstaben auf den Rezeptblock. Nehmen sie eine Tablette nach dem Aufstehen und dann sehen wir weiter.
M.Sch.












































































































































































































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