Anders als die anderen

3,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Christa,

dass mir deine Geschichte gefallen hat, wirst Du ja bereits am vergangenem Samstag mitbekommen haben. Deine mitunter etwas schrägen Ideen,die Du obendrein noch so schön umsetzt, find ich ohnehin klasse. Anbei noch ein paar kleine Vorschläge, die Du vielleicht hier und da aufgreifen magst. Die Farbe blau steht dabei für eventuell mögliche Ergänzungen oder Änderungen, rot für Korrektur. (Aber was gibt es bei dir schon zu korrigieren.)

Liebe Grüße von
Ralph,
der sich bereits auf der nächtlichen Heimfahrt am Geigenkasten versucht und sich dabei zunächst die gedanklichen Zähne ausgebissen hat.


Ich saß wie jeden Samstag in meiner Lieblingsbar, [blue]blickte gelangweilt in die Runde und begegnete ebenso gelangweilten Gesichtern.[/blue] Die meisten [blue]dieser trüben Tassen in diesem Schuppen[/blue]kannte ich vom Sehen, sie[blue]lümmelten genau wie ich fast jeden Samstag hier herum[/blue], vielleicht sogar noch öfter. Mit [blue]einen oder anderen[/blue] hatte ich auch schon geschlafen. Jeder hier - so [red]dachte[/red] ich - [red]war[/red] auf der Suche nach einem festen Partner, aber für mich hatte es bisher nur zu mehr oder weniger flüchtigen Bekanntschaften gereicht. Früher [blue]hatte ich ja geglaubt[/blue], wenn man mit jemandem schläft, dann schafft das eine gewisse Bindung. [blue]Inzwischen hatte mich die Erfahrung längst eines Besseren belehrt[/blue].
Ich ließ also meine Blicke weiter schweifen; man weiß ja nie, was noch kommt. Und richtig heut schien mein Glückstag zu sein - [blue]eine zauberhafte Erscheinung trat da plötzlich in mein Blickfeld.[/blue] Ein schmales Gesicht mit sanftem Ausdruck, zarte, feingliedrige Hände, langes Blondhaar und strahlend blaue Augen. Ich hatte das Gefühl, dass er sich verdammt einsam und unsicher fühlte und lächelte ihn freundlich an. Und er kam tatsächlich auf mich zu und setzte sich zu mir. [blue]Ich sonnte mich in den vielen neidischen Blicken, die von den Nachbartischen herüber geschossen kamen, fasste mir ein Herz,[/blue] lud den Schönen [strike]sofort[/strike] zu einem Drink ein und begann [blue]hastig[/blue] ein Gespräch. Das verlief zunächst ziemlich einseitig. Er war so herrlich schüchtern, dass er nur mit den Augen antwortete; ließ er sie leuchten, so bedeutete es "ja"[blue](Zustimmung?)[/blue] und verdunkelten sie sich, so bedeutete es "nein"[blue](Ablehnung?)[/blue]. Eine ganze Weile plauderten wir so, oder besser: plauderte ich, dann raunte er mir beinahe majestätisch[blue](hoheitsvoll?)[/blue] zu: "Ich bin anders als die anderen."
Das Timbre seiner Stimme ging mir durch und durch. Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten und ein wohliger Schauer meinen Rücken hinab lief. Mein Gott, was war ich [blue]plötzlich[/blue] verknallt in den Burschen! War ich [blue]schon[/blue] je zuvor derart verknallt? Nein! Er war wirklich anders als die anderen!
Nach dem fünften Cocktail begann er mit sehr angenehmer Stimme leise zu singen:
"Willst du mit mir gehn, Licht und Schatten versteh'n, dich mit Windrosen dreh'n, willst du mit mir gehn, willst du mit mir gehn?"
Ich seufzte inbrünstig "Ja!", zahlte unsere Zeche und wir verließen die Bar. Während wir durch die Stadt liefen, [blue]vermochte ich nicht einen Moment lang den Blick von ihm zu wenden[/blue]. Wie graziös er sich bewegte! Um meine steigende Erregung zu verbergen, redete ich die ganze Zeit mehr oder weniger belangloses Zeug. Ich wollte gar nicht wissen, ob er intelligent oder gar gebildet war, das war im Moment völlig egal. Irgendwann [red]erzählte[/red] ich ihm [strike]auch[/strike], dass ich Siegfried [red]hieße[/red]. [blue]Blöder Name - ich weiß[/blue], aber was soll man machen, wenn es nun mal in den Papieren steht. Ich hoffte, nun endlich seinen Namen zu erfahren, aber er war weiterhin schweigsam und summte nur ab und zu einen alten Schlager vor sich hin. Manchmal verstand ich einige Satzfetzen; gerade als ich meinen Namen und meinen Ärger über denselben erwähnte, sang er:
"Wer du bist, wer du bist, danach frage ich nicht,
Rang und Name sind Schall und Rauch.
Ich schau nur, ich schau nur in dein liebes Gesicht,
und ich spüre, wie sehr ich dich brauch.
Wenn wir beide uns küssen,
will ich nur wissen,
ob du mich liebst....."

Das war genau meine Intention. Es gab noch niemals eine derartige Harmonie zwischen mir und irgend einem anderen Jungen.

Plötzlich befanden wir uns vor der Stadt. Dabei war es doch gar nicht möglich, sie in so kurzer Zeit zu durchqueren! Aber die Nacht war so lau und die Luft mit süßem Sommerduft geschwängert, so dass ich mir keine Gedanken weiter machte; das süßeste Geschöpf der Welt schwebte mit mir auf Wolke sieben und die Sterne funkelten.
Er bemerkte, dass mein Blick an den Sternen hing. In die eingetretene Stille hinein sang er leise:
"Moonlight, die Nacht ist schön, moonlight, unsagbar schön,
alle sind verliebt, nur ich muss einsam sein. Du, sag mir, warum, moonlight, moonlight."

Wie ein Rindvieh glotzte ich nach oben und machte auf romantisch: "Oh, sieh nur, die Sterne!"
Er begann wieder zu singen: "Die Sterne der Heimat sind immer dabei...", brach aber unvermittelt ab und stocherte mit dem Zeigefinger gen Himmel und [blue]begann sie aufzuzählen[/blue]: "Eunütea, Vedse, Nyswudm, Höhynd, Naqertn, Desilci, Paruebu, Daüjoso ..."
Ich unterbrach ihn voller Bewunderung: "Ach, so heißen die? Was du alles weißt!"
Er nickte, deutete erst auf mich und [blue]fing noch einmal[/blue] von vorn an: "Siegfried, Eunütea, Vedse, Nyswudm".
"Ich unterbrach erneut: "Und du, wie heißt du?"
Er lächelte lieblich: "Idiruki. Ich bin ein Onysner vom Planeten Kilmurc. Sieh, da spruhlt mein Äuto tövd, ach, das verstehst du ja nicht, da kommt mein Raumschiff geflogen. Ich nehme dich mit nach Kilmurc, unsere Doftjum, unsere Wissenschaftler, wollen dich gern azüen, untersuchen, ob du zynned bist."
Er streckte seine Hand nach mir aus,[blue]da sah ich zu meinem Entsetzen, wie aus seinen Schultern ein zweites paar Arme wuchs. Doch damit nicht genug. [/blue]Seine Gestalt dehnte sich in die Höhe, bald befand sich sein Kopf einen Meter über mir. Sein Schädel war breiter geworden, die Augen so groß wie Esslöffel mit acht Zentimeter langen Wimpern drum herum, sie waren immer noch strahlend blau und seine blonden Locken reichten jetzt fast bis zur Erde. Zwischen seinen schön geschwungenen Lippen blitzten [blue]mit einem Mal[/blue] vier scharfe Reißzähne hervor, und an seinem Hinterteil war ein langer, biegsamer Echsenschwanz gewachsen.
Der mörderische Name seines Heimatplaneten - da wird man scheinbar erst gekillt und dann abgemurkst - und das ganze unglaubliche Geschehen war für meinen Verstand kaum zu fassen.
Ich drehte mich um und rannte, was ich konnte, in Richtung Stadt. Ich hörte ihn hinter mir aufjaulen: "Oh baby, come back, baby, baby, come back!", aber das kümmerte mich nicht. Ich floh in panischem Entsetzen.
Ich hatte irgendwann einmal gelesen, dass es vielleicht Außerirdische gibt, die erst unsere Sprache aus Radio und Fernsehen erlernen, [blue]um erst dann zu landen und mit den Menschen Kontakt aufzunehmen.[/blue] Aber ich war nicht bereit, nach Kilmurc zu reisen, damit irgendwelche Doftjum mich azüen, um zu sehen, ob ich zynned bin, was auch immer das sein mag. Ich wollte doch nur einen ganz normalen Schwulen kennen lernen zwecks späterer Lebensgemeinschaft. Aber dieser Idiruki-Onysner - und wenn seine Augen noch so herrlich blau waren - war mir viel zu anders als die anderen!
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

werde mir deine vorschläge ganz in ruhe vornehmen. vielen dank fürs interesse und die lobenden worte. ganz lieb grüßt aus dem geigenkasten
 

Andrea

Mitglied
Liebe Christa,

die Geschichte hakt bei mir an einer Tatsache: ich nehme deinem Ich seine Männlichkeit nicht ab. Möglich, daß es dummes Klischee ist, aber einige Formulierungen sind für mich so typisch weiblich, etwa:

"– so denke ich –", "eine zauberhafte Erscheinung" oder "Mein Gott, was war ich verknallt in den Burschen!"

Da das meiste, v.a. viele Gefühlsäußerungen und Einschränkungen der eigenen Meinung (denke ich, dachte ich), die alle typisch für weibliche Sprache sind, am Anfang stehen, fällt mir der Umschwung zum Schwulen extrem schwer.

Wenn ich das jetzt mal ignorieren, gefällt mir die Geschichte sehr gut, aber an vielen Stellen (Ralph hat das meiste davon schon angesprochen) wirkt sie sprachlich noch etwas rauh.

Gruß
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

vielen dank, liebe andrea. ja, ich habe mir noch nicht die zeit genommen, ralphs gute vorschläge einzuarbeiten. ich kichere immer noch über die geschichte.
zu meinem bekanntenkreis gehören einige schwule. da habe ich noch viel weiblichere äußerungen vernommen.
ganz lieb grüßt
 



 
Oben Unten