Armani

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Silberstreif

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Ich habe eine Freundin, die ist eine richtige Rakete. Freilich bin ich furchtbar stolz, sie zu haben, mit ihr gesehen zu werden und sie ausführen zu können, was allerdings meinen finanziellen Rahmen etwas sprengt. Davon weiss sie natürlich nichts, denn ich will sie ja beendrucken und nicht verlieren.
Neulich erwähnte sie, dass sie auf Armani-Klamotten steht. Nachdem ich mich schlau gemacht hatte - ich wusste vorher nicht genau was das ist - steuerte ich auch gleich einen exquisiten Laden an - mir war nämlich schnell klar geworden, dass Armani bei C&A nicht vertreten war - um mich entsprechend einzukleiden. Ich wollte ihr ja gefallen und sie mit Stolz erfüllen, wenn sie sich mit mir zeigte.
Es war kein Geschäft, in dem ich mich unbeschwert und unbemerkt durch Reihen von Stangenklamotten wühlen konnte, so wie ich das gewohnt war. Gleich stürzte sich dienstbeflissen eine hochgestylte Einzelhandelskauffrau auf mich, wie auf ein armes Opfer, um kurz vor mir eine Vollbremsung einzulegen, mich von Kopf bis Fuss ausgiebig musternd. Ich habe wohl nicht ihr Wohlwollen erringen können, dennoch war ich mir absolut sicher, dass ich hier durch musste, als eine Art Liebesbeweis, meiner Freundin gegenüber.
"Sie wünschen?" näselte die nicht mehr ganz so Beflissene.
"Armani" stammelte ich, ehe sie in einem Erstickungsanfall zu verscheiden drohte. Ich konnte nicht genau deuten, ob es ein Husten- oder ein Lachkrampf war, der sie ihrer Beherrschung beraubte, doch machte ich mir bereits Sorgen. Mir schwante Fürchterliches. Dabei war ich mir beihnahe wie Krösus vorgekommen, als ich meine lezten 500 DM, vor dem Dispolimit, abgehoben und fein säuberlich im Geldbeutel verstaut hatte.
Vielleicht hätte ich mich etwas länger vor dem Schufenster aufhalten und die Preisschildchen, die sich mir beim Vorbeigehen in die Netzhaut gebrannt hatten, nicht als optische Täuschung abtun sollen. Doch wie gesagt, ich musste da durch und wollte keinesfalls ohne irgendetwas Supertolles aus diesem Laden wieder raus.
Ich bin nicht unbedingt der Anzug-Typ, auch wäre mir nie eingefallen, wohin ich, in einen Anzug gekleidet, hätte gehen sollen, ausser zur Beerdigung meiner Eltern, doch dafür würde es auch einer von C&A tun.
Also schied ein Anzug von vornherein aus, nicht nur, weil ich ihn mir nicht leisten konnte. Peinlich berührt, von der mittlerweile erstummten, mich durchdringend Anglotzenden, stierte ich auf meine Schuhe. Schuhe ... Schuhe. "Schuhe!" sagte ich in einem Anflug von Größenwahn. "Armani-Schuhe, haben sie sowas?"
Sie starrte noch einige Sekunden, erst in mein Gesicht, dann auf meine Nikes, dann wieder in mein Gesicht, wobei sie aber ihre Kinnlade unten vergass, und äusserte dann überheblich:
"Selbstverständlich führen wir auch Armani-Schuhe. Was hatten sie sich denn so vorgestellt?" Man bedenke, ich befand mich noch immer vor ihrer unüberwindbaren Schranke, fast unmittelbar im Eingangsbereich.
"Vielleicht darf ich mal gucken?" Langsam wurde ich dreister.
"Aber gerne" beteuerte sie auswendiggelernt, denn der Kunde ist ja König. Ich weiss nicht wie lange man ihr das einbleuen musste, bis sie ein Subjekt wie mich als Herrscher zu dulden bereit war, doch das war mir egal.
Die Auswahl zu der sie mich führte, war nicht sehr groß. Ich muss schon sagen, bei C&A ist die Produktpalette wesentlich größer. Dieser Armani muss ein faules Stück sein. Nur schwarze Schuhe. Und irgendwie sahen alle gleich aus. Na egal - das Betrübliche war allerdings, dass das Logo nicht aussen prangte, sichtbar für alle, so wie Nike, oder Adidas das machen. Ich war fest entschlossen, ein Paar zu kaufen. Meiner Freundin konnte ich ja den Karton zeigen und ihr somit beweisen, dass ich Armani mit Füßen trat.
"Ich brauche Größe 47".
"47?" kreischte das Weib. Das war eindeutig zu viel für sie.
"Sie haben doch 47? Oder kann es sein, dass Armani nur für kleine Männer schneidert?" ich begann mir in der Herrscherrolle zu gefallen.
"Ich muss mal nachschauen" und damit entfernte sie sich von mir, als ob ich stinken würde. Sie schaute eine lange Weile nach, so dass mich Langeweile befiel und ich mich in dem Laden umsah. Das liess ich dann aber gleich wieder, denn erstens gab es hier nichts, was mir gefallen hätte und zweitens war ich sicher, dass bei allen Preisen das Komma verrutsch war - nach rechts. Mulmig wurde mir erst, als mir einfiel, dass sie mich gar nicht nach einem bestimmten Schuh gefragt hatte, sie würde ganz sicher den Teuersten anschleppen. Doch als ich mir die Schuhpreise allgemein etwas näher betrachtete um den Billigsten herauszufinden, wurde mir sowieso fast schwarz vor Augen.
"Wir haben natürlich einen Schuh in Größe 47", sagte es plötzlich triumphierend hinter mir. Einen Schuh? Was sollte ich denn mit einem Schuh? Dachte sie auch noch, ich wäre beinamputiert?
Sie hatte jedoch zwei mitgebracht. Schwarz, ledern, mit Schnürsenkeln. Ich hasse Schuhebinden. Gibts hier nichts mit Klettverschluss? Doch ich wagte nicht zu fragen, weil ich ihren Blick wohl nicht ertragen hätte.
Ich schälte meine Nikes von den Füssen, sie stellte sich ausserhalb deren olfaktorischem Einflussbereich, und probierte. Sie passten. Sehr angenehm sogar. Wer hätte das für möglich gehalten? Ich stolzierte herum, auf eine Art, die ich für vornehm hielt und entschied spontan:
"Die nehm ich und behalte sie gleich an. Meine Turnschuhe können sie in den Karton packen". Angeekelt und diesen Ausdruck kaum verhehlend, packte sie meine Nikes in den Armani-Karton und trug ihn, ihre gesamte Armlänge ausnutzend, zur Kasse. Doch nun schlug ihre Stunde der Rache:
"369,90 Mark" verkündete sie, als hätte sie eine besondere erotische Leistung dafür erbracht.
Mir wurde wieder schwarz vor Augen und gerne hätte ich ihr durch einen Fausthieb dasselbe Gefühl vermittelt, doch konnte ich mich beherrschen. Ich zückte meinen Geldbeutel und blätterte 4 Hunderter auf ihren Tisch. Jeder Einzelne tat so weh, als würde ich ihr irgendein lebenswichtiges Organ geben. Sie strich sie gleichmütig ein, nicht ohne sie vorher unter den Echtheitsprüfscanner gehalten zu haben. Und ich verabschiedete mich schnell. Zu schnell für meine neuen gediegener-Herr-Schreitlatschen. Die goldfarbene Zierleiste in der Eingangstür wurde ihnen zum Verhägnis. Der rechte Absatz hing lose am Rest des Schuhs, nachdem 95 kg geballte Manneskraft ihn über das Hindernis gewetzt hatten. Mit meinen Nikes wäre das nie passiert.
Nun stand ich da, mit 5 Minuten alten, schweineteuren Designerschuhen und traute mich nicht mehr in den Laden zurück, um mein Missgeschick kundzutun. Diesen Triumph hätte ich der Schnepfe nie gegönnt.
So packte ich also meine treuen Nikes aus dem Karton und begab mich auf direktem Weg zu meinem Kumpel Natale Baldassare, der den Mister Minit Laden im Kaufhof bedient. Er beglückwünschte mich auch noch zu meinen schönen Schuhen und verlangte, ohne mit der Wimper zu zucken, 14,95 DM für das Ankleben meines Absatzes.
Ich habe eine Freundin, die ist eine richtige Rakete. Vielleicht wäre es an der Zeit, diese Rakete zum Mond zu schiessen.
 



 
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