Armut

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schnecke

Mitglied
Armut

Armut blüht an allen Enden,
hier in diesem Wohlstandsstaat.
Wuchert an den feuchten Wänden.
Isst statt Fleisch nur Fleischsalat.

Flüchtet sich in dunkle Ecken,
hinterlässt kaum eine Spur.
Spielt besonders gern Verstecken
hinter der Gardinenschnur.

Gräbt in die Gesichter Kerben.
Lungert rum im Asphaltgrau.
Schneidet sich an Flaschenscherben.
Macht besoffen Nabelschau.

Kehrt der Innenstadt den Rücken.
Igelt sich im Rinnstein ein.
Schläft im Vollrausch unter Brücken
zwischen Kippen, Schnaps und Wein.

Macht den andren keine Mühe.
Fordert nie, verhält sich still.
Kriegt statt Brocken nur die Brühe,
die kein andrer löffeln will.

Klagt nur unter seinesgleichen.
So entstehen Streit und Zank.
Kotzt dabei sich Fragezeichen
voller ekligem Gestank.

Keiner will der Armut trauen.
Jeder zeigt beim Anblick: scheu.
Niemand sieht ihr Elends-Grauen.
Deshalb bleibt sie vielen treu.

Roman Herberth
 
R

Rose

Gast
Hallo Roman,

dein Text ist ein "hartes Brot". Der Blick auf die erschreckende Szenerie der Armut gut verfasst.

Nachdenkliche Grüße
Manuela
 

schnecke

Mitglied
Hallo Rose,
in unserer Wohlstandsgesellschaft fällt natürlich die Armut unweigerlich mehr auf, als in einem armen Land. Was ich besonders bedrückend finde, die Armut wird "weitervererbt". Und es fällt mir schwer an Chancengleichheit zu glauben.
Viele Grüße von Roman.
 

Lammla

Mitglied
Ich halte dieses Gedicht trotz vieler guter Ideen für mißlungen. Daß fast jeder Trochäus mit einem Verbum beginnt, gibt dem Gestus etwas Imperativisches, was nicht zu dem Ansatz paßt, die Armut als verhalten und ignorierbar zu zeigen.

"an allen Enden" ist fast so ein blöder Gemeinplatz wie "Wohlfahrtsstaat", auch wuchert sie nicht, das tun vielleicht Pilze, aber die sind als Profiteure von Armut gerade nicht arm. Übrigens ist die Armut ein Feniminum und müßte deshalb unter ihresgleichen (nicht seinesgleichen) klagen. Daß sich die Armut "Fragezeichen" "kotze", erscheint nicht besonders einsichtig.

Am besten sind der erste und der letzte Vers der letzten Strophe.
 



 
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