Artenschutz

Svalin

Mitglied
„Mama, gehen wir in den Zoo?“

„Schonwieder, mein Kind? Was gefällt dir denn so gut dort?“

„Wie viele Tiere es gibt und was für lustige Sachen sie können. Sie haben so große Ohren, oder lange Hälse oder komische Farben. Sind die Tiere dort, weil sie so anders als wir sind?“

„Sie sind dort, weil sie ein neues Zuhause brauchen. Sie kommen aus anderen Ländern, wo sie oft hungern und dursten müssen. Hier sind sie in Sicherheit und man kümmert sich um sie.“

„Ja, das stimmt. Die Eisbären und Elefanten dürfen sogar duschen. Wohnen die Menschen, die die Eisbären duschen, auch im Zoo? Die Tiere können doch gar nicht raus. Und die Zäune sind so hoch, daß auch kein Mensch darüberklettern kann."

„Nein mein Kind. Menschen darf man nicht hinter Zäune sperren. Sie würden sehr traurig werden, nicht mehr über die Wiesen, durch die Stadt, Spielen oder Einkaufen gehen zu können. Nur wenn Menschen ganz schlimme Dinge tun, dann werden sie eingesperrt und müssen so lange darüber nachdenken, bis sie verstanden haben, daß es nicht richtig war, anderen Menschen weh zu tun. Erst dann dürfen sie wieder nach Hause gehen. Das sind aber keine Zoos, sondern große Häuser, die Gefängnisse heißen.“

„Aber Mama. Im Fernsehen habe ich schon einen richtigen Menschenzoo gesehen. Mit ganz vielen, ganz dünnen Menschen. Die haben bestimmt Hunger und Durst und deshalb kommen sie in einen Zoo, damit sie es gut haben und geduscht werden, denn ganz dreckig waren sie auch.“

„Das kannst du noch nicht verstehen. In anderen Ländern werden manchmal auch die guten Menschen in Gefängnisse gesperrt.“

„Gute Menschen müssen doch gar nicht bestraft werden. Also ist es doch ein Zoo. Denn die guten Menschen sind hinter den Zäunen vor den Bösen in Sicherheit. Und es kann ihnen nichts passieren.“

„Das verstehst du wirklich noch nicht.“

„Warum sperren sich Tiere nicht gegenseitig ein, Mama? Wo es doch auch gute und böse Tiere gibt?“

„Tiere müssen essen, um nicht zu verhungern. Manchmal auch andere Tiere. Aber Tiere können nicht darüber nachdenken, was sie tun. Und deshalb gibt es bei ihnen auch kein gut und böse. Verstehst du das?“

„Wenn man nicht darüber nachdenken kann, was man tut, ist man nicht böse. Und deshalb brauchen Menschen Gefängnisse.“

„So in etwa ist das. Wenn du größer bist, erkläre ich dir alles ganz genau.“

„Mama, kommen die Tiere aus den selben Ländern wie die Menschen, die ich im Fernsehen gesehen habe?

„Ja.“

„Wenn dort auch Menschen hungern müssen, warum sperrt man nur die Tiere in unseren Zoo und gibt ihnen ein neues Zuhause und Essen?“

„Weil sich Menschen um sich selber kümmern können und müssen. Tiere sind vom Aussterben bedroht. Von manchen Arten existieren nur noch wenige hundert Exemplare und es wäre doch schade, daß es nicht mehr so viele verschiedene Tiere gibt, die du lustig finden kannst. Können wir jetzt gehen?“

_____________
 
WIRKLICH VOM FEINSTEN

Hallo Svalin,
Kompliment, du hast ein für meine Begriffe ebenso schwieriges wie eindringliches Thema satirisch perfekt umgesetzt, das ist weiß Gott nicht einfach. So sollte gute Satire rüberkommen. Das Lachen muss im Halse stecken bleiben, der Schock sollte anhalten und dazu auch noch lehrreich auf den Leser einwirken. Vor allem darf es an grotesken Elementen nicht fehlen. Das ist dir alles bestens gelungen; einfach GUT!

Beeindruckt grüßt Dietmar
 
W

willow

Gast
Hallo Svalin,

gefällt mir gut, dieser eigentlich recht einfach gehaltene Dialog. Manchmal sehen Kinder in ihrer Logik einfach klarer, was wir nicht mehr sehen können.

Mit Satire kenne ich mich nicht gut aus, weiß aber, dass Dietmar ein Meister derselben ist. Daher schließe ich mich argumentativ an und gebe zu, dass mir mein Lachen auch im Halse stecken blieb.

Trefflich vor allem der Satz am Ende: "Können wir jetzt gehen!", gleichzusetzen mit: "Hör endlich auf zu nerven!" Weil man selber keine Antwort hat. Das Leben ist so unendlich kompliziert und könnte doch so einfach sein...

LG,

willow
 

Svalin

Mitglied
@Dietmar: Für dein Lob danke ich dir. >der Schock sollte anhalten< Darf ich dich etwas fragen? Mir ist an einigen anderen Stellen aufgefallen, daß dich eine allzu "billige", explizite Darstellung von "etwas Schlimmen" (ohne das relativieren zu wollen, was dort genannt wurde) sehr entsetzt. Hier steht keine explizite Schilderung, dennoch bestürzt das, was wir aus diesem Text herauslesen. Nach meinem Empfinden liegt das Entsetzen also nicht primär in den Dingen, sondern in unserer Vorstellung von den Dingen, unseren Bildern, die hier zum Leben erwachen. Ist das Aufheben der Distanz also das Bewegende? Warum aber bestürzt dich dann allzu Vordergründiges, zum dem man (finde ich) durchaus eine Distanz aufbauen könnte?

@Willow: >Manchmal sehen Kinder in ihrer Logik einfach klarer, was wir nicht mehr sehen können.< Kann nur bedeuten: Wertvorstellungen sind unlogisch und willkürlich gesetzt, ungeachtet dessen absolut notwendig. Schizophren, was? :)
>Weil man selber keine Antwort hat. Das Leben ist so unendlich kompliziert und könnte doch so einfach sein...< Das Leben ansich ist einfach: essen, atmen, fortpflanzen :)
Zu beantworten, warum die Welt so ist, wie sie sich darstellt, ist allerdings wirklich unmöglich. Vielleicht liegt das aber auch in unserer Art, Fragen zu stellen: z.B. Warum müssen Menschen hungern? Welchen Sinn hat es, zu leiden? Das wirkliche Problem ist die Suche des Menschen nach direkter Kausalität und Sinn in einer Welt, die davon vielleicht völlig frei ist. Auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen, weil es alles, woran wir glauben, negieren würde.

Grüße Martin
 
B

beisswenger

Gast
Im Dichterfürsten steckt ein kleiner Prinz...

...und wir fordern: Kinder an die Macht!
 



 
Oben Unten