Atto oder wie Christoph in mein Leben trat

\"Atto\" oder \"Wie Christoph in mein Leben trat\"

Vor etwas mehr als einem Jahr machte ich mich auf den Weg zu meinem neuen Nebenjob. Mit schweißnassen Händen setzte ich mich hinters Steuer und zündete den Motor. Den Weg zum Ziel, er war relativ simpel, hatte ich mir vorher genau eingeprägt und an Zeit mangelte es ebenfalls nicht. Wir hatten uns vorher sowohl per Mail, als auch per Telefon verständigt. Ein paar Grundinformationen hatte ich also schon. Ein bisschen mulmig war mir trotzdem zumute. Sollte ich doch auf einen behinderten Jungen aufpassen. Ich war mir auch sicher, seine Mutter hatte mir schon gesagt um welche Behinderung es sich handelt, aber der Name dafür war mir wieder entfallen. Ich kannte aber einige der Symptome dazu. Veränderung der Gliedmaßen, autistische (Bedarfs)-Züge, Wutausbrüche in Begleitung von Schreikrämpfen, Ernährungsstörung, starker Reflux (Rückfluss des Mageninhaltes in die Speiseröhre), vermindertes Schmerzempfinden, vermindertes / kein Einschätzungsvermögen von Gefahren, häufige Migräneattacken, Verständigung durch Gebärden und er lässt sich ungern berühren.
Klar hatte ich während meiner Ausbildung im Kindergarten mit behinderten Kindern gearbeitet. In unserer Gruppe hatten wir Kinder mit dem Downsyndrom, Autismus, motorischen Behinderungen, Behinderung in der Sprachentwicklung, Hyperaktivität (ADS + ADHS). Aber ich war selten.. Nun ja, wie soll ich sagen? Das beste Wort wäre wohl: allein.
Das war es, was mir Angst machte und das war der Grund, weshalb ich lange darüber nachgedacht habe, ob oder ob ich nicht diesen \"Job\" annehmen sollte. Ich hatte keine Berührungsängste oder dergleichen, nein. Es war lediglich die Angst davor, allein mit dem Jungen zu sein und eventuell, in einem wichtigen Moment, nicht das Richtige zu tun. Nicht die richtige Entscheidung zu treffen. Also nahm ich mir vor, das erste Treffen abzuwarten und danach zu entscheiden. Tja, das hatte ich mir so gedacht.
Nun stand ich nervös unten vor dem Garagentor, klingelte und wartete, bis ich das erlösende Summen vom Türöffner hörte. Ich ging die Einfahrt hinauf zum Haus und sah eine bereits weit geöffnete Haustür. Hinter der Tür ein braunhaariger, kleiner Kopf, der neugierig und mit großen Augen um die Ecke lugte und dann noch zwei kleine schmale Händchen, die in einem unregelmäßigen Rhythmus ineinander klatschten. Ein Lächeln konnte ich mir jetzt schon nicht mehr verkneifen und hätte ich nicht in diesem Moment meine Entscheidung getroffen, so hätte ich es im nächsten getan. An der Haustür angekommen wanderte eines der Händchen schnurstracks in meine rechte und danach in meine linke Jackentasche, um dann auch schon (seine Mutter hatte mich bereits vorgewarnt) siegessicher meinen Autoschlüssel hervor zu ziehen. Stumm, mit leicht geöffnetem Mund, zur Seite geneigtem Kopf und mit glänzenden Augen starrte er nun lange auf das Symbol der Automarke, indem er sie sich direkt vor die Nase hielt, und drückte mir danach den Schlüssel mit einem kurzen Seufzer namens \"Atto\" wieder in die Hand und verschwand im Haus.
Das war nun also der erste und entscheidende Begegnungsmoment mit Christoph gewesen. \"Atto\" bedeutet lediglich Auto. Seine große Leidenschaft. Neben seiner Tante und nun auch noch ständig, im Turboantrieb laufenden Scheibenwischern (auch an sonnigen 26 Grad Tagen, unglaublich wie schnell Wischerblätter sich abnutzen können), so ziemlich das Größte für ihn. Ich glaube, ich habe vorher noch nie so viele Schlüssel und Autozeitschriften auf einem Haufen gesehen.
Das Treffen lief sehr entspannt ab. Seine Mutter zeigte mir einen kurzen, aufschlussreichen Dokumentarfilm zum \"Cornelia-de-Lange-Syndrom\" (CdLS) und ich wurde gründlich unter die Lupe genommen, indem ein kleines Gesicht dem meinen so nahe kam, dass ich befürchtete ich würde anfangen zu schielen. Ich erzählte ein wenig von mir und mir wurden einige Fragen zu Christoph beantwortet. Natürlich lernte ich auch gleich die zwei wichtigsten Gebärden kennen: \"Atto\" und \"Tata\" (Auto und Tante). Nein, eigentlich waren es drei Gebärden. Die dritte war für das Wickeln zuständig, denn vor dem Rausgehen (Auto gucken selbstverständlich), musste das noch erledigt werden. Auch das sollte dann später eine von meinen Aufgaben werden.
Ich konnte mir nun also ein grobes Bild von ihm machen. Christoph, 14 Jahre alt, körperlich und geistig behindert mit dem Syndrom namens Cornelia-de-Lange-Syndrom. So nahm ich also den \"Job\" an und ich muss sagen: Ich freute mich drauf. Aber: Ich war seeehr unsicher. Ich kannte den Jungen nicht und er kannte mich nicht. Ich war neu für ihn, platzte geradezu in sein routiniertes Leben hinein. Da er, wie bereits erwähnt, auch autistische Züge hat, ist es schließlich wichtig für ihn, dass alles einen einigermaßen geregelten Ablauf hat. Möglichst genau so, wie er es kennt. Es gibt auch den \"Bedarfsautismus\", denn er hat zwar eine Behinderung, aber dumm ist der Kleine nicht. Es dauerte nicht besonders lang, bis ich dahinter kam. Inzwischen hatte er sich wahrscheinlich schon drei Mal ins Fäustchen gelacht. Denn natürlich hat es auch Vorzüge sich ein oder zwei Dinge seiner Behinderung zu Nutzen zu machen, wenn man gerade nicht in der Laune ist, das zu tun, was die Erwachsenen von einem verlangen. Wahrscheinlich bin ich aber auch \"nur\" in die beste Phase seines (und das seiner Mutter) Lebens hineingestolpert. Die Pubertät.
Nun, ich wusste also nicht, wie er auf mich reagiert. Würde er auf mich hören? Könnte ich mich durchsetzen? Erkenne ich es, wenn es ihm nicht gut geht? Kann ich mir merken welches Medikament er wann bekommt? Was ist, wenn er sich unter meiner Aufsicht verletzt? Wie weit gehe ich? Wann bin ich strenger? Wann bin ich nachsichtig? Kann ich mit den Symptomen umgehen? Bin ich geduldig genug? Ja, auch die Frage: Bin ich stark genug, ihn in mein Herz zu lassen? Denn das würde früher oder später passieren. Eigentlich wohnt er da bereits, seitdem das erste Mal die Haustür geöffnet wurde, und er mir neugierig entgegen blickte. Hatte sich einfach eingenistet.
Anfangs war ich sehr zurückhaltend, mehr in der Beobachterrolle. Natürlich hatte ich Christoph noch nicht direkt alleine. Wir machten mit seiner Mutter und ihrer Freundin Ausflüge. Mal in den Wald, mal zu Pferd. Nach und nach zog seine Mutter sich dann aus dem Geschehen hinaus und schon bald konnte sie das tun, wofür ich eigentlich da war: Sich Zeit für sich nehmen. Ausgerüstet mit Handy, Telefonnummern und Schlüssel ging es jetzt also los. Erfolglos versuchte ich Christoph zu Spaziergängen zu überreden. Es war das beste Wetter. Doch Christophs Lieblingsplatz war und ist das Schlafzimmer. Hier kann er zur Ruhe kommen. Natürlich habe ich es auch schon geschafft ihn nach draußen zu locken. Meistens muss irgendetwas dabei sein. Ein Einkaufstrolley, ein Tretroller, ein selbst gebasteltes Vermessungsgerät (lediglich ein langer Stock mit Laufrad am Ende) oder etwas dergleichen. Irgendetwas zum Fahren, Ziehen oder Schieben und es ist machbar. Ich habe auch meinen Spaß damit, denn es ist herrlich die Blicke der Menschen zu studieren, wenn sie nachdenklich, neugierig, manchmal sogar penetrant auf das Kind starren, welches munter ein \"Vermessungsgerät\" vor sich herschiebt. Schaffe ich es nicht Christoph vor die Tür zu bekommen (Auto fahren geht natürlich immer, schadet aber meinem Geldbeutel und der Kilometeranzeige ziemlich und außerdem ist das nicht \"Spazierengehen\"), so beschäftigen wir uns einfach drinnen. Anfangs habe ich ihm überlassen was wir machen sollten, um zu gucken, mit was er sich sonst so beschäftigt. Doch nach und nach nahm auch ich mal das Ruder in die Hand. Irgendetwas lässt sich immer finden und am Besten etwas, um seine überschüssige Energie loszuwerden.
Inzwischen darf ich ihm sogar über den Kopf streicheln, seine Hand nehmen (aber nur kurz), ich darf in seinen Ruhephasen neben ihm liegen, während er sich intensiv mit meinen Haaren beschäftigt (autsch). Er hört auf mich (meistens). Ich erkenne oft schon früh die Anzeichen, wenn es ihm nicht gut geht. Mit den Gebärden hapert es manchmal noch, aber die wichtigsten habe ich gelernt. Seine Windel kann ich bereits in einem Tempo wechseln, mit dem er sich auch arrangieren kann. Oft sehe ich schon an seinem Gesichtsausdruck, ob ihm etwas nicht recht ist. Das ist wichtig, denn außer ein paar Worten, spricht er nicht und auch die Bedeutung dieser Worte kann man als Außenstehender oft nur erahnen. Vor einiger Zeit war ich ihm dann tatsächlich nahe genug, um mit ihm ein wenig toben zu können und es war einfach ein fantastisches Gefühl Christoph zum Lachen zu bringen. Ich denke wir zwei sind inzwischen ganz gut aufeinander eingespielt und ich bin froh, dass ich mich letztes Jahr für diesen Job entschieden habe. Nur so konnte ein wundervoller Mensch namens Christoph in mein Leben treten und mit ihm natürlich die Personen aus seinem näheren Umfeld. Manchmal ist es also ganz gut sich seinen Ängsten zu stellen, über seinen eigenen Schatten zu springen. Verlieren kann man sicher nichts dabei.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Reika,

ich hoffe, du bist einverstanden, dass ich deinen Text aus der Schreibwerkstatt in das Literarische Tagebuch geholt habe, wo ich ihn gut aufgehoben finde.

Er ist nicht nur für Pädagogen und Betroffene interessant geschrieben und spannend zu lesen. Seine gute Allgemeinverständlichkeit und anschauliche Darstellung, vor allem aber die inhaltliche Balance zwischen rationalen und intuitiven Entscheidungsmomenten verleihen ihm ein breites Sympathiespektrum; ein Text, den ich sehr lesenswert finde.

Bei einer Überarbeitung solltest du noch die überschüssigen Schrägstriche entfernen. Außerdem haben wir keine Themeneinteilung. Der Titel des Werkes steht im Textfeld ganz oben und dirkt über dem Text noch einmal.

Natürlich möchte ich dich außerdem herzlich begrüßen!

Grüße von Elke
 
Vor etwas mehr als einem Jahr machte ich mich auf den Weg zu meinem neuen Nebenjob. Mit schweißnassen Händen setzte ich mich hinters Steuer und zündete den Motor. Den Weg zum Ziel, er war relativ simpel, hatte ich mir vorher genau eingeprägt und an Zeit mangelte es ebenfalls nicht. Wir hatten uns vorher sowohl per Mail, als auch per Telefon verständigt. Ein paar Grundinformationen hatte ich also schon. Ein bisschen mulmig war mir trotzdem zumute. Sollte ich doch auf einen behinderten Jungen aufpassen. Ich war mir auch sicher, seine Mutter hatte mir schon gesagt um welche Behinderung es sich handelt, aber der Name dafür war mir wieder entfallen. Ich kannte aber einige der Symptome dazu. Veränderung der Gliedmaßen, autistische (Bedarfs)-Züge, Wutausbrüche in Begleitung von Schreikrämpfen, Ernährungsstörung, starker Reflux (Rückfluss des Mageninhaltes in die Speiseröhre), vermindertes Schmerzempfinden, vermindertes / kein Einschätzungsvermögen von Gefahren, häufige Migräneattacken, Verständigung durch Gebärden und er lässt sich ungern berühren.
Klar hatte ich während meiner Ausbildung im Kindergarten mit behinderten Kindern gearbeitet. In unserer Gruppe hatten wir Kinder mit dem Downsyndrom, Autismus, motorischen Behinderungen, Behinderung in der Sprachentwicklung, Hyperaktivität (ADS + ADHS). Aber ich war selten.. Nun ja, wie soll ich sagen? Das beste Wort wäre wohl: allein.
Das war es, was mir Angst machte und das war der Grund, weshalb ich lange darüber nachgedacht habe, ob oder ob ich nicht diesen "Job" annehmen sollte. Ich hatte keine Berührungsängste oder dergleichen, nein. Es war lediglich die Angst davor, allein mit dem Jungen zu sein und eventuell, in einem wichtigen Moment, nicht das Richtige zu tun. Nicht die richtige Entscheidung zu treffen. Also nahm ich mir vor, das erste Treffen abzuwarten und danach zu entscheiden. Tja, das hatte ich mir so gedacht.
Nun stand ich nervös unten vor dem Garagentor, klingelte und wartete, bis ich das erlösende Summen vom Türöffner hörte. Ich ging die Einfahrt hinauf zum Haus und sah eine bereits weit geöffnete Haustür. Hinter der Tür ein braunhaariger, kleiner Kopf, der neugierig und mit großen Augen um die Ecke lugte und dann noch zwei kleine schmale Händchen, die in einem unregelmäßigen Rhythmus ineinander klatschten. Ein Lächeln konnte ich mir jetzt schon nicht mehr verkneifen und hätte ich nicht in diesem Moment meine Entscheidung getroffen, so hätte ich es im nächsten getan. An der Haustür angekommen wanderte eines der Händchen schnurstracks in meine rechte und danach in meine linke Jackentasche, um dann auch schon (seine Mutter hatte mich bereits vorgewarnt) siegessicher meinen Autoschlüssel hervor zu ziehen. Stumm, mit leicht geöffnetem Mund, zur Seite geneigtem Kopf und mit glänzenden Augen starrte er nun lange auf das Symbol der Automarke, indem er sie sich direkt vor die Nase hielt, und drückte mir danach den Schlüssel mit einem kurzen Seufzer namens "Atto" wieder in die Hand und verschwand im Haus.
Das war nun also der erste und entscheidende Begegnungsmoment mit Christoph gewesen. "Atto" bedeutet lediglich Auto. Seine große Leidenschaft. Neben seiner Tante und nun auch noch ständig, im Turboantrieb laufenden Scheibenwischern (auch an sonnigen 26 Grad Tagen, unglaublich wie schnell Wischerblätter sich abnutzen können), so ziemlich das Größte für ihn. Ich glaube, ich habe vorher noch nie so viele Schlüssel und Autozeitschriften auf einem Haufen gesehen.
Das Treffen lief sehr entspannt ab. Seine Mutter zeigte mir einen kurzen, aufschlussreichen Dokumentarfilm zum "Cornelia-de-Lange-Syndrom" (CdLS) und ich wurde gründlich unter die Lupe genommen, indem ein kleines Gesicht dem meinen so nahe kam, dass ich befürchtete ich würde anfangen zu schielen. Ich erzählte ein wenig von mir und mir wurden einige Fragen zu Christoph beantwortet. Natürlich lernte ich auch gleich die zwei wichtigsten Gebärden kennen: "Atto" und "Tata" (Auto und Tante). Nein, eigentlich waren es drei Gebärden. Die dritte war für das Wickeln zuständig, denn vor dem Rausgehen (Auto gucken selbstverständlich), musste das noch erledigt werden. Auch das sollte dann später eine von meinen Aufgaben werden.
Ich konnte mir nun also ein grobes Bild von ihm machen. Christoph, 14 Jahre alt, körperlich und geistig behindert mit dem Syndrom namens Cornelia-de-Lange-Syndrom. So nahm ich also den "Job" an und ich muss sagen: Ich freute mich drauf. Aber: Ich war seeehr unsicher. Ich kannte den Jungen nicht und er kannte mich nicht. Ich war neu für ihn, platzte geradezu in sein routiniertes Leben hinein. Da er, wie bereits erwähnt, auch autistische Züge hat, ist es schließlich wichtig für ihn, dass alles einen einigermaßen geregelten Ablauf hat. Möglichst genau so, wie er es kennt. Es gibt auch den "Bedarfsautismus", denn er hat zwar eine Behinderung, aber dumm ist der Kleine nicht. Es dauerte nicht besonders lang, bis ich dahinter kam. Inzwischen hatte er sich wahrscheinlich schon drei Mal ins Fäustchen gelacht. Denn natürlich hat es auch Vorzüge sich ein oder zwei Dinge seiner Behinderung zu Nutzen zu machen, wenn man gerade nicht in der Laune ist, das zu tun, was die Erwachsenen von einem verlangen. Wahrscheinlich bin ich aber auch "nur" in die beste Phase seines (und das seiner Mutter) Lebens hineingestolpert. Die Pubertät.
Nun, ich wusste also nicht, wie er auf mich reagiert. Würde er auf mich hören? Könnte ich mich durchsetzen? Erkenne ich es, wenn es ihm nicht gut geht? Kann ich mir merken welches Medikament er wann bekommt? Was ist, wenn er sich unter meiner Aufsicht verletzt? Wie weit gehe ich? Wann bin ich strenger? Wann bin ich nachsichtig? Kann ich mit den Symptomen umgehen? Bin ich geduldig genug? Ja, auch die Frage: Bin ich stark genug, ihn in mein Herz zu lassen? Denn das würde früher oder später passieren. Eigentlich wohnt er da bereits, seitdem das erste Mal die Haustür geöffnet wurde, und er mir neugierig entgegen blickte. Hatte sich einfach eingenistet.
Anfangs war ich sehr zurückhaltend, mehr in der Beobachterrolle. Natürlich hatte ich Christoph noch nicht direkt alleine. Wir machten mit seiner Mutter und ihrer Freundin Ausflüge. Mal in den Wald, mal zu Pferd. Nach und nach zog seine Mutter sich dann aus dem Geschehen hinaus und schon bald konnte sie das tun, wofür ich eigentlich da war: Sich Zeit für sich nehmen. Ausgerüstet mit Handy, Telefonnummern und Schlüssel ging es jetzt also los. Erfolglos versuchte ich Christoph zu Spaziergängen zu überreden. Es war das beste Wetter. Doch Christophs Lieblingsplatz war und ist das Schlafzimmer. Hier kann er zur Ruhe kommen. Natürlich habe ich es auch schon geschafft ihn nach draußen zu locken. Meistens muss irgendetwas dabei sein. Ein Einkaufstrolley, ein Tretroller, ein selbst gebasteltes Vermessungsgerät (lediglich ein langer Stock mit Laufrad am Ende) oder etwas dergleichen. Irgendetwas zum Fahren, Ziehen oder Schieben und es ist machbar. Ich habe auch meinen Spaß damit, denn es ist herrlich die Blicke der Menschen zu studieren, wenn sie nachdenklich, neugierig, manchmal sogar penetrant auf das Kind starren, welches munter ein "Vermessungsgerät" vor sich herschiebt. Schaffe ich es nicht Christoph vor die Tür zu bekommen (Auto fahren geht natürlich immer, schadet aber meinem Geldbeutel und der Kilometeranzeige ziemlich und außerdem ist das nicht "Spazierengehen"), so beschäftigen wir uns einfach drinnen. Anfangs habe ich ihm überlassen was wir machen sollten, um zu gucken, mit was er sich sonst so beschäftigt. Doch nach und nach nahm auch ich mal das Ruder in die Hand. Irgendetwas lässt sich immer finden und am Besten etwas, um seine überschüssige Energie loszuwerden.
Inzwischen darf ich ihm sogar über den Kopf streicheln, seine Hand nehmen (aber nur kurz), ich darf in seinen Ruhephasen neben ihm liegen, während er sich intensiv mit meinen Haaren beschäftigt (autsch). Er hört auf mich (meistens). Ich erkenne oft schon früh die Anzeichen, wenn es ihm nicht gut geht. Mit den Gebärden hapert es manchmal noch, aber die wichtigsten habe ich gelernt. Seine Windel kann ich bereits in einem Tempo wechseln, mit dem er sich auch arrangieren kann. Oft sehe ich schon an seinem Gesichtsausdruck, ob ihm etwas nicht recht ist. Das ist wichtig, denn außer ein paar Worten, spricht er nicht und auch die Bedeutung dieser Worte kann man als Außenstehender oft nur erahnen. Vor einiger Zeit war ich ihm dann tatsächlich nahe genug, um mit ihm ein wenig toben zu können und es war einfach ein fantastisches Gefühl Christoph zum Lachen zu bringen. Ich denke wir zwei sind inzwischen ganz gut aufeinander eingespielt und ich bin froh, dass ich mich letztes Jahr für diesen Job entschieden habe. Nur so konnte ein wundervoller Mensch namens Christoph in mein Leben treten und mit ihm natürlich die Personen aus seinem näheren Umfeld. Manchmal ist es also ganz gut sich seinen Ängsten zu stellen, über seinen eigenen Schatten zu springen. Verlieren kann man sicher nichts dabei.
 
Hallo Elke!

Vielen Dank für die Begrüßung und auch für die Beurteilung!
Klar bin ich damit einverstanden, dass der Text verschoben
wurde. Die Schrägstriche habe ich entfernt. Zumindest glaube
ich keine mehr gesehen zu haben.

Also danke noch mal!
Viele Grüße
Reika
 



 
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