Auf Rosen gebettet

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WeisserAdler

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Auf Rosen gebettet

Drei Stunden Arbeit liegen zerknüllt neben dem Papierkorb. Ich versuche mich zu konzentrieren, aber meine Gedanken drehen sich im Kreis, kein Entwurf kann mich überzeugen. Leere Hülsen, substanzlos und ohne Format.
Ich schaue aus dem Fenster, strahlend blauer Himmel, der erste warme Frühlingstag in diesem Jahr. Das Wetter ist fast zu schön, um an dem Schreibtisch zu kleben, wer weiß wie es morgen sein wird?
Ich sollte eine Pause einlegen, mich in ein Straßencafe setzen; den Leuten zusehen, die durch die Innenstadt hetzen.
Der Münstplatz ist nur eine Kreuzung entfernt, die meisten Cafes und Restaurants sind um diese Zeit bereits gut besucht. Ich gehe zum Milano. Gut! Mein Stammplatz ist frei, die anderen Tische sind schon besetzt.
Ich schaue über den Platz, genieße die warme Sonne und versuche an nichts zu denken, was mir meistens auf Anhieb gelingt.
Laura lächelt mich an, überstrahlt mit ihrem Lächeln fast die Sonne.
„So wie immer, richtig?“ Fragt sie, und stellt einen doppelten Espresso und einen Grappa auf den Bistrotisch ohne meine Antwort abzuwarten.
„So wie immer! Laura, du bist ein Schatz!“
Ihr Lächeln wirkt noch breiter, sie dreht sich um und geht mit elegantem Hüftschwung an den Nachbartisch, um die Bestellung aufzunehmen.
Der Platz wird immer voller, Passanten gehen an dem Cafe vorbei, einige bleiben stehen, prüfen ob noch ein Tisch frei ist, an dem mehrere Personen Platz nehmen können. Gehen schließlich weiter.
Nur der Stuhl mir gegenüber ist noch frei.
Ein Mann fällt mir auf, der mit nervösem, unruhigem Blick auf das Milano zugeht. Auch er bleibt kurz stehen um die freien Plätze zu prüfen, geht ein paar Meter, kehrt um und kommt an meinen Tisch.
„Entschuldigung, ist hier noch frei? Ich will nicht stören“ fragt er, an mir vorbeischauend.
„Noch“ antworte ich kurz.
„Ach Entschuldigung, es kommt also noch jemand, sie halten den Platz frei?
„Nein!“
„Nein?“
Er scheint etwas durcheinander zu sein, oder er ist übertrieben höflich.
„Ich halte den Platz nicht frei.“
Der Mann, ich schätze ihn auf Anfang sechzig, trägt einen riesigen Rosenstrauß bei sich, runzelt die Stirn.
„Aber sie sagten: Noch!“
„Richtig, der Platz ist so lange frei, bis jemand darauf Platz genommen hat!“
Nachdem er sich den Stuhl zurecht gerückt hat setzt er sich, legt die Rosen auf den Tisch. Der Strauß verdeckt fast den kompletten Bistrotisch. Nimmt ein Taschentusch aus der Innentasche seiner Jacke um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
Er wirkt auch jetzt noch sehr unruhig, greift zur Karte, die er nach einem kurzen Blick, wieder auf den Tisch legt. Laura kommt, der Mann bestellt Milchkaffee.
„Schöne Blumen!“ Sage ich, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Wer weiß vielleicht hat er eine interessante Geschichte zu erzählen, die mir für meine Arbeit neue Impulse gibt.
„Das sind Rosen, rote Rosen!“ Bemerkt er knapp, mich keines Blickes würdigend.
Seine Belehrung ist vollkommen überflüssig, denn erstens reichen meine botanischen Kenntnisse aus um Rosen von Löwenzahn zu unterscheiden, und farbenblind bin ich auch nicht.
„Ach ja Rosen!“ Antworte ich freundlich: „Rot! Aber wirklich sehr schön!“
„Ja schön und rot!“
„Und so viele, ich schätze fünfzig Stück!“
Er schaut auf, blickt kurz in mein Gesicht, senkt seinen Blick wieder.
„Es sind fünfundsechzig Rosen!“
„Hat jemand Geburtstag?“
Er schaut wieder kurz auf, nimmt einen Schluck Kaffee.
„Herzlichen Glückwunsch!“
Ich grinse, es kostet mich Mühe nicht lautlos zu lachen, irgendwie ist dieser seltsame Mensch sehr amüsant.
„Ich habe keinen Geburtstag, ich meinte das sie diese Blumen, ähm, Rosen jemandem zum Geburtstag schenken!“
„Ach so, nicht zum Geburtstag! Ich bringe den Strauß meiner Frau. Ich will sie gewissermaßen auf Rosenbetten.“
Ob er das wörtlich meint? Rosen haben Dornen! Mir würde es nicht gefallen darauf zu liegen. Ich überlege mir, wo ich mich überall verletzen könnte, ob er darüber nachgedacht hat? Er sollte seine Frau kennen, wer weiß vielleicht gefällt es ihr sogar.
Ich lasse es mich weiter mit ihm zu unterhalten, beobachte zwei Tauben, die sich um ein Stück Brot streiten. Und schließlich mit schwirrenden Flügelschlägen davon fliegen.
Als mein Blick wieder auf dem Bistrotisch zurückkehrt, ist der Mann und sein Rosenstrauß schon wieder verschwunden. Das Geld für den Kaffee hat er neben die Tasse gelegt.
Ich bleibe noch eine Weile, gehe ohne zu zahlen, Laura wird es aufschreiben und ihr Geld im nächsten Monat bekommen.
Jetzt sitze ich wieder an meinem Schreibtisch, und das weiße Papier blendet mich. Nach dem Besuch im Milano kommt mir die Stille unheimlich vor.
Ich schalte das Radio ein, um mich von Radio Cityline ablenken zu lassen, der Stadtsender bringt Oldies und die aktuellen News aus der Stadt.
In den Nachrichten kommt nichts besonderes aber die letzte Meldung macht mich aufmerksam.
Der Sprecher berichtet von einer Toten im städtischen Rosengarten, die entkleidet unter den Rosensträuchern gefunden wurde. Ihr weißer Körper war über und über bedeckt mit dunkelroten Rosen. Die Würgemale an ihrem Hals, lassen die Polizei auf ein Gewaltverbrechen schließen.
Habe ich etwa vor ein paar Stunden mit dem Mörder am selben Tisch gesessen? Oder ist das alles nur ein Zufall. Ich kann mir nicht vorstellen, das jemand von der Statur des Mannes der im Milano seinen Milchkaffee trank, die Kraft hat einen anderen Menschen zu erwürgen.
Eines jedoch weiß ich jetzt, ich weiß vorüber ich schreiben werde. Über den ersten warmen Frühlingstag, an dem mir zunächst nichts einfiel über das ich schreiben konnte und ich schließlich den Mann traf, der seine Frau auf Rosen bettet.
 
Mehr Tagebuch

Hallo Weisser Adler,

gut aufgebaute Charaktere, die Handlung flüssig und glaubwürdig. Hat richtig Spaß gemacht, dem Mann über die Schulter zu schauen.

Aber warum hast du den Beitrag ins Krimi-Forum gesetzt. Würde doch besser ins Tagebuch-Forum passen?

Grüße
Marlene
 

Zinndorfer

Mitglied
Mir leuchtet es ein, dass es ein Krimi ist, zwar keiner mit Kommissar und Indizien und Pipapo, aber ein Geschichtchen mit Pfiff und einer Toten. Endlich mal was einfach nur zum Runterlesen, ohne dass man sich dauernd den Kopf an Grundsätzlichkeiten anrennt.

Diese Sätze

„Ach ja Rosen!“ Antworte ich freundlich: „Rot! Aber wirklich sehr schön!“
müssen natürlich alle noch nach dem Muster umgebaut werden:

„Ach ja Rosen!“, antworte ich freundlich: „Rot! Aber wirklich sehr schön!“

Gut.

Zinndorfer
 
Hallo Weisser Adler,

ich fand die Idee und den Aufbau auch gut. Allerdings erscheint mir der Mittelteil mit der Unterhaltung über Rosen und Geburtstage gestreckt. Da würde ich kürzen und die Dialoge ein wenig anders gestalten. Vielleicht solltest du dem Rosenmann noch etwas unheimliches oder unnahbares oder mystisches verleihen, dann hätte der Mittelteil ein wenig mehr Pepp.

Bis bald,
Michael
 



 
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