Auf diesem Weg

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bluesnote

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In letzter Zeit hatten sie es übertrieben.
Kai gehörte zu einer Gruppe heimatloser Automarder, er war der letzte auf freiem Fuß. Alle anderen faßte die Polizei vor einer Stunde, als sie ein Auto aufbrachen, um nach Bargeld zu suchen.
Jetzt hastete er über den glänzenden Asphalt eines Parkplatzes, der zu einer Raststätte an der Autobahn gehörte.
Er zog den Kragen seiner Jacke enger, sah hinauf zum Mond, als könne der ihm einen guten Fluchtweg weisen. Die Bullen würden immer noch hinter ihm her sein; er mußte weg von diesem Ort und zwar schnell. Zu Fuß besaß er keine Chance, es sei denn, er würde über die Leitplanke hechten und für die Nacht im nahen Wald ein Versteck suchen. Aber dafür war es zu naß und zu kalt. – Und der nächste Tag? Nein, entschied er, auf diesem Weg würde er es nicht schaffen, einer Verhaftung zu entgehen. Kai wollte jetzt weg. Ganz hinten am Rande des Parkplatzes stand für sich allein ein staubiger Truck. – Willst du mein Fährmann sein, plötzlich fiel ihm dieser Satz ein, er wagte einen Versuch, seine Hand faßte an den Griff. Die Tür ließ sich tatsächlich öffnen, also nichts wie hinein und abwarten.

Im Innern des Lkw roch es nach kaltem Zigarettenrauch und muffigen Textil, noch einmal spähte er hinaus und erschrak, dann atmete er erleichtert auf, es war sein eigenes Gesicht, das ihm im Außenspiegel entgegen blickte. Kai war gerade der Jugend entwachsen, aber schon ein alter Tramp, nichts hielt ihn irgendwo. Im Mittelgang hob er eine schmutzige Öljacke auf und warf sie achtlos zur Seite, dann verschwand er hinter dem Vorhang zur Koje.
Einige Minuten später wurde mit einem Ruck die Tür geöffnet und der Fahrer stieg ein. Vibrationen folgten, der Motor wurde gestartet und brummelte vor sich her, die Druckluftbremse schnaufte, dann gab sie die Räder frei. Sie rollten. Kai, der Truck, der Fahrer. Kai wußte noch nicht, wohin.
Die A1 ist eine verdammt lange Bahn, besonders wenn man von Hamburg im Norden aus startet und dann längs des Landes Meter für Meter den Asphalt frißt. An dem eher gequälten Motorengeräusch erkannte Kai, das der Wagen schwer beladen und untermotorisiert langsam über die Dehnungsfugen der Betonbahn hoppelte. – Die alte Kiste zieht nicht und Dammer Berge geht’s hügelan, fiel Kai ein. Für ihn ein furchtbarer Gedanke, sich ewig verbergen zu müssen, die Gefahr ganz in der Nähe vor sich. Nicht ein Ton kam vom Fahrer, selbst das Radio blieb stumm.

Neugier ist ein schlechter Ratgeber. Kai wollte wissen, an welchen Ort sie vorbei kamen, ein Hinweisschild erspähen und vielleicht einen Blick auf den Fahrer riskieren. Er duckte sich, bis sein Kinn das morsche Laken berührte, dann zog er vorsichtig den Vorhang einen Spalt auf.
Im Spiegel auf der Beifahrerseite sah er das grinsende Gesicht seines Chauffeurs. – Himmel, was für ein Fahrer! Kai war sich sicher, so einen Kerl konnte man nur auf Nachtschicht schicken. Ein riesiger, knorriger Mann saß am Lenker, die dünnen Lippen zu einem ewigen Grinsen zurück gezogen. Und die Augenlider, sie fehlten fast ganz, ließen die Augäpfel hervor springen. Das Geschaukel ließ den Kopf des Truckers wippen, ja, ja, ja, schien er zu sagen, wir sind auf dem Weg. Kai konnte nichts tun, als abwarten. Er zog sich zurück in die weiche Dunkelheit seines Verstecks.

Kai wachte auf, das monotone Geräusch aller Lkw - Motoren dieser Welt macht schläfrig.. Eine Hand erscheint vor seinem Gesicht, zieht den Vorhang beiseite. > Du kannst aus deinem Versteck kommen, Kai. Auf diesem Weg kommt keine Ausfahrt mehr, keinen Ausweg mehr auf dieser Fahrt, Kai. Laß mich dein Fährmann sein. Komm, ich nehm dich bei der Hand und dann reisen wir gemeinsam. <
> Nein! <Mitten in seinem Schrei wurde Kai bewußt, das sein Leben in Freiheit nun endgültig vorbei und seine neue Heimat nur die Hölle sein konnte.
Der Kutscher warf das Radio an „ Dilemma, Big Leg Emma“ Frank Zappa brachte einen alten Song.



Mit dieser Story habe ich versucht, was kurzes, schnelles zu verfassen. Einen Text, den man als Kurzweil auf dem Weg von einer Bushaltestelle zum Zielort lesen kann.

Für das Lektorat möchte ich mich bedanken bei der Kollegin Morgaine.

Viele Grüsse
 
K

kuschelmuschel

Gast
Hallo Blusnote,

mir hat es prima gefallen, bis auf den letzten Absatz. Der Schluss ist zu kurz und zu abrupt. Gerade weil sich die Geschichte so gut lesen läßt, finde ich das Ende etwas enttäuschend.
So kurz sind Busfahrten doch nun auch nicht. "ggg"

Grüße

Michael
 
Hi blues,
ich bin nicht unbedingt der Meinung, daß der Schluss zu kurz ist - finde ihn sogar recht stimmig. Allerdings, wenn der Schluss so bleiben soll, solltest du noch etwas vorneweg setzen, einen Grund, warum Kai (der Automarder!!!) denn flieht - denn schließlich wartet dieser Höllentruck doch nicht auf jeden Versager,oder? Die Hölle hat doch spass daran, sich die zu holen, die die besten sind. Als Alternative würde ich dir noch anbieten, die Geschichte zur Kindergeschichte umzuschreiben - den Höllenpart weglassen und ein witziges Ende finden - denn die Geschichte hat schon von sich her ein spannendes kindgerechtes Potential.
Allein schon die Idee vom Automarder, der immer auf Reisen ist, finde ich klasse.


OK, Gruss Marcus - Bewerte erstmal nach dem Geschriebenen - auf ne Alternative wär´ ich gespannt

PS: Die Geschichte für verschiedene Foren zu schreiben wär ja mal ne witzige Aufgabe
 

bluesnote

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Da fehlt doch was!

Hallo Freunde

Jetzt, wo ihrs sagt, fällts mirs selber auf. Und zwar fehlt die Beschreibung der Umgebung, die ist in der Schreibwerkstatt verloren gegangen.
Ich könnte mir vorstellen, diesen Text für Jugendliche zu schreiben: So, Richtung Tramp nach New Orleans, das Buch hab ich in meiner frühen Jugend "lach" selbst gelesen.
Allerdings wollte ich jetzt zwei Rohfassungen zu Ende bringen. Ist eigentlich nichts fürs Interet, zu lang. In der einen Story spielen einige Jugendliche die Hauptrolle.
In der anderen gehts in Kanada zur Sache: Abenteuer am Tac Lahoe, oder so.
Euch wünsche ich natürlich auch weiterhin viel Erfolg.

Viele Grüsse
 

Morgaine

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der Polizist aus dem Höllentunnel

Hallo bluesnote,

ich befinde mich zum ersten und bestimmt auch zum letzten Mal in dem Genre Horror brrrr.... Das ist so garnichts für mich, ich kann mich noch nicht einmal zu E.A.Poe -Geschichten hinreißen lassen und der schreibt wirklich gut. (Und der Schrecken meiner Kindheit war der Film Poltergeist, den ich gemeinerweise im Gruppenzwang gesehen habe.) Aber nun gut, Deine Geschichte ist nun hier, also denn...

Ich habe mir noch einmal Deine erste Version durch gelesen. Das Ende dort ist wirklich etwas flüssiger zu lesen. Das "dunkle Loch eines Tunnes...windschiefes Schild, verrottetes Blech "Keine Ausfahrt" und dann kommt der Ordnungshüter aus dem Höllentunnel. Diese Stelle war doch das, was den Horror nahelegte. Mit dieser Beschreibung kann man sich die Szene richtig gut vorstellen (Gänsehaut ...brrr -ich hasse das).
Vielleicht könntest Du das ja doch wieder einbauen, jetzt wo es doch ohnehin eine Horrorgeschichte geworden ist (sage bitte nicht, dass ich daran Schuld habe).

Keine Angst, die Geschichte ist dann immer noch kurz genug. Und wenn sie Dir zu lang erscheint, lasse doch einfach die Gedankenstriche am Anfang eines Satzes weg... :D hihi

LG
 

bluesnote

Mitglied
Verschlungene Wege

Hallo Morgaine

Nett, das du dich trotzdem meldest.
Ich arbeite gerade daran, Gedankenstriche durch deinen Vorschlag zu ersetzen. Außerdem ist mir daran gelegen, zwei längere Storys endlich für die feindliche Welt da draußen herzurichten. Ich schwatze schon eine ganze Weile davon, nun muß daraus endlich mal was werden. Das Ende von Auf diesem Weg in der Erstfassung ist für den Leser schwer zu verstehen, wie ich im nachhinein zugeben muß. Ich glaube, ich werde mich mit der Figur Kai noch einmal auseinandersetzen müssen und ihm einen ganz anderen Weg weisen.

Bis dann. Tschö!
 



 
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