Auf einer Party (Manuskriptauszug)

djpizza

Mitglied
Fäkalvernissage

Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr. Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, stammele ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen. Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint.
„Hey, was ist mit deinem Arm?“ fragt die Kleine erstaunt. Ich erkläre ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzurei-chend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können. Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und streckt ihr vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich bloß. Sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit ge-schenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir auch gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm, fast so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich erzähle ihm von der Geschichte mit dem Gipsarm. Micha fühlt als überzeugter Pädagoge aufrichtig mit und beteuert meinen Unfall sehr. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns ste-hen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten. Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von den Leuten abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die ande-ren Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterher-dackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Andere hocken gelangweilt daneben, verfolgen das Gespräch mit Interesse, trinken Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räu-cherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich mir und drehe mich gelangweilt zum Gabentisch in der Küche. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrott ab, das ich bis zum Rand mit gemisch-tem Salat ausstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünf-ten und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Falsches Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er ausführlich eingeht. Er bleibt dabei ganz ernst und sachlich, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag abhalten. Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit fachchinesisch und all dem anderen Mist voll-quatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahr-scheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Wunsch, eine Vernissage zu verwirklichen, auf der ich ausschließlich groß-flächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.

„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf.
„Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Scheiße anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Wenn ich den Leuten von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben. Dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht.“
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte dem Freund von Micha im gleichen Atemzug mit einem Augenzwin-kern meine Visitenkarte vor die Nase.

Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los, stöhne ich ratlos.
Noch besser wäre …
Ich erzähle ihm, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere.

„Ach ja. Jetzt, wo du von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig sprichst: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfu-cker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibrato-ren und andere spitze Gegenstände einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich ausschließlich nur noch mit dem Arm und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.

Auch ein guter Plan. Ich weiß aber nicht so Recht und entscheide mich für die letzte Möglichkeit.
Mit dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen, schleiche ich mich davon und steige die Treppen in den Keller herab, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Was ich nicht wusste, ist das zu Michas WG ein Partykeller gehört, der mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet ist. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos. Ich schaue mich um. Sascha scheint immer noch nicht da zu sein. Wo steckt er denn bloß? Vereinzelt entdecke ich doch noch ein paar bekannte Gesichter, mit denen ein Smalltalk so gut wie vorprogram-miert ist. Die Leute sind alle ganz nett hier. Ich quatsche mit Jörg und zap-pele mit seiner Schwester Nina ein wenig ab. Einvernehmlich haben sich Ricky und Nina vor ein paar Wochen voneinander getrennt. Jetzt ist sie wieder solo und offen für Neues. Ach, da ist ja auch die kleine Snowboard-lehrerin. Sie wird jetzt von ihrem Freund durch die Luft gewirbelt. Die auf der Skifahrt so verhalten und seriös wirkende Snowboardlehrerin entpuppt sich als aufgedrehte und flippige kleine Tanzmaus, die mit ihrem Dandy so richtig auf die Kacke haut. Sie tanzen eine Mischung aus Rock `n Roll und Breakdance und geben dabei ein tolles Paar ab.
Was macht der Idiot denn jetzt? Er klemmt sich eine Bierflasche zwischen Kopf und der niederen Kellerdecke ein und klatscht zum Takt der Musik in die Hände. Anschließend dreht er sich schunkelnd zum Rhythmus um die eigene Achse und fixiert die Flasche mit den Augen. Er zwinkert nach oben und dreht sich dabei konzentriert und vorsichtig, damit die Flasche nicht herunterfällt. Die Snowboardlehrerin und seine Freunde stehen staunend im Kreis um ihn herum und klatschen mit. Wie kreativ von ihm! „Wo hat er bloß diesen tollen Partygag her?“ frage ich mich und schüttele vor Entset-zen den Kopf. Der Dandy hat wahrscheinlich zu viele US-Collagekomödien, die auf ihn abfärben, gesehen. Das ist ganz großes Kino, was er da spielt. Der blöde Collegeboy macht einen auf Party-animal, was seine Leute ihm auch noch durch Beifall quittieren. Um den Idioten besser verarbeiten zu können, greife ich nach einer der frischen Limos aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich mir und kratze mich verzeifelt am Sack.
Schnell füllt sich der relativ kleine Keller mit Leuten. Die Feier hat sich schon bald zu einer richtigen Veranstaltung verwandelt. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkral-le fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Geschickt lenke ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun. Die Nervenbahnen im Handgelenk sind noch nicht gänzlich ver-heilt. Ich stehe am Rand, wie ein frustirerter Außenseiter. Die Leute flippen völlig aus und springen fast die Wände hoch, während die Discolichter in verschiedenen Farben im Wechsel aufleuchten.
 

jon

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Teammitglied
Wenn die Party so öde war, wie dieser Text klingt, tut mir der Protagonist echt leid. Ehe du dich über "der Text klingt öde" ärgerst: Ich meine, der Text leiert so runter, dass ich die Stimmung förmlich spüre: Ein langweiliger Typ geht aus Gründen, die er wahrscheinlich selbst nicht kennt, auf eine langweilige Party und langweilt sich.

Falls du das nicht sagen wollstest, musst du den Ton des Textes ändern. Ansonsten ist der Tonfall prima.

Details:

***Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr. Die Tür ist offen.****
Lies es dir mal laut vor und horche. Nach dem Onanier-Satz gehört ein Absatz hin, stimmt's?
Inhalt: Er kann nicht onanieren mit nur de linken Hand, aber Fahrradfahren schon. Er kann sogar – wenn auch unter Mühen – das Schloss schließen. (Und öffnen?) Und das, wo weiter hinten klar wird, dass jede Berührung der Finger der kaputten Hand, höllisch weh tut.

***
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, stammele ich unsicher. *****
„Stammeln" reicht, denn man kann nicht "sicher stammeln". Besser aber noch: "sage ich unsicher" – denn warum er stammeln sollte, wüsste ich nicht.

***Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen. Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. ***
Lies mal laut vor. Da gehört ein Absatz hin nach "schon kennen", oder?

*****„Hey, was ist mit deinem Arm?“ fragt die Kleine erstaunt. *****
Warum staunt sie? Noch nie was von Gipsarm gehört?
Komma nach der Rede

***Ich erkläre ihr kurz die Geschichte vom Bruch, *****
Eine Geschichte wird erzählt.


******Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können. Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter.****
Lies mal … na du weißt schon! Absatz nach "kümmern können."

**** Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und streckt ihr vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals.***
Er steckt sie ihr in den Hals, heißt die Redewendung. Oder ist die Zunge so lang, dass er sie – ganz ohne Lippenberührung - bis ans Zäpfchen schiebt? (Sorry, das Bild hatte ich bei "streckt seine Zunge".)

*** Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich bloß. Sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit ge-schenkt. ****
Warum "bloß"?
"hätte sie mir" – sie klein // Trennstrich (ist mehrfach drin)


****Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir auch gleich Micha entgegen. ****
Wieso "auch", worauf bezieht sich das?
Wieso geht der Protagnist in den ersten Stock, wenn die Musik aus dem Keller zu kommen scheint? Er will doch zur Party, oder?


***Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm, fast so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter.****
Das "zwar" verlangt ein "aber".
kein Komma nach "fast so"

**** Ich erzähle ihm von der Geschichte mit dem Gipsarm. ****
"Ich erzähle ihm die Geschichte, wie ich zu dem Gipsarm kam." Jetzt steht da: Ich erzähle ihm, dass ich eine Geschichte kenne, die mit einem Gipsarm zu tun hat.

***Micha fühlt als überzeugter Pädagoge aufrichtig mit und beteuert meinen Unfall sehr. ***
Was hat "überzeugter Pädagoge" mit "aufrichtig mitfühlen" zu tun?
Du meinst sicher: "er bedauert den Unfall".

*** Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt. *****
Glaub ich nicht. "Aufrichtiges Mitgefühl" bei 'nem unbekannten Typen, der sich lediglich die Hand … Moment! Ich hab da grad eine Idee: Bezieht sich das Mitgefühl vielleicht darauf, dass die beiden, die den Protagonsiten ja kaum kennen, sich nur zu gut vorstellen können, wie blöd es ist, nicht mehr onanieren zu können?

***
Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns ste-hen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten. ****
Absatz
Trennzeichen

*****Von den Leuten abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die ande-ren Zimmer, … ****
Von welchen Leuten wovon abgelenkt?

*****Die Leute unterhalten sich angeregt. Andere hocken gelangweilt daneben, verfolgen das Gespräch mit Interesse, trinken Bier. *******
Sind das die geleiche Leute, die eben noch ablenkten?
Entweder sie sitzen gelangeilt daneben ODER hören interessiert zu – beides geht nicht. Es sei denn du meinst "Manche sitzen gelangweilt daneben, andere hören interessiert zu."

*****Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räu-cherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich mir und drehe mich gelangweilt zum Gabentisch in der Küche.*******
Gabentisch? Ja is denn heut scho Weihnachtn?
Du musst dir was einfallen lassen, um den "so 'ne Party"-Gedanken besser lesbar zu machen.

***** … und reiße etwas vom Fladenbrott ab, das ich bis zum Rand mit gemisch-tem Salat ausstopfe.*****
Fladenbrot
Warum reißt er was von dem Brot ab und füllt dann das (Rest)-Brot mit Salat?

**** Falsches Interesse vortäuschend, ******
Das heißt: Ich habe echtes Interesse, täusche aber vor, es sei falsch. Du meinst sicher "Interesse vortäuschend"

**** der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag abhalten. *****
Treffen werden abgehalten. Vorträge und Reden werden gehalten.

****Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit fachchinesisch und all dem anderen Mist voll-quatschen? *****
Versteh ich nicht. Kann man denn einen anderen nur in nüchternem Zustand vollquatschen?
Fachchinesisch groß

****Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich.*****
… und genau das glaube ich bei dem Text nicht. Dazu nimmt er es zu gelangweilt hin, ja er animiert den "Quassler" durch regelmäßige Fragen sogar immer wieder.

**** Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahr-scheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… ****
Ach! DAS versteht der Prot unter "Party"?

*****
Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Wunsch, eine Vernissage zu verwirklichen, auf der ich ausschließlich groß-flächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.

„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“****

(Dir ist schon klar, dass man eine Ausstellung verwirklichen muss, um diese mit einer Vernissage beginnen zu können, oder? Der Prot klingt, als wüsste er es nicht.)
Dieser Übergang ist missglückt. Denke ich zumindest, denn er liest sich, als würde der Prot dieses Gespräch wirklich anfangen, was aber – wenn ich das richtig verstehe – später als "tut er gar nicht" abgehakt wird.
Im Übrigen ist der Witz, der mir beim ersten Lesen in dem folgenden Dialog so gefiel (auch wenn er nicht recht glaubhaft war), damit gar keiner, denn: Würde tatsächlich so ein Pseudointellektueller (kein Elektro-Langweiler!) auf die Fäkal-Vernissage so reagieren, wäre das witzig – so ist es nur Blabla.

*****
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf.
„Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Scheiße anderer Leute.“ ****
Hier: Kein Absatz

****Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los, stöhne ich ratlos.***
… stell ich mir grad vor: Der Elektro-Fritze babbelt von Elektro-Zeug und der Prot stöhnt plötzlich. Was der Elektro-Fritze da wohl denkt?


****„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibrato-ren und andere spitze Gegenstände einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich ausschließlich nur noch mit dem Arm und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.

Auch ein guter Plan. *****
Was für "spitze Gegenstände"? Nadeln? Und wieso "andere" –  seit wann sind Dildos und Vibratoren spitz?
Wieso ist das ein guter Plan? Was, wenn der Typ auf sowas steht?

*****Mit dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen, schleiche ich mich davon und steige die Treppen in den Keller herab, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Was ich nicht wusste, ist das zu Michas WG ein Partykeller gehört, der mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet ist. *****
Also Moment jetzt: Willst du damit verklickern, dass die beiden Parties (die bei Micha in der Wohnung und die im Keller) nur eine Party sind? Wozu dan dieser Umsatdn mit der Zugehörogkeit der Räume? Wann hat er denn erfahren, dass der Keller dazugehört? Wann, dass es nur eine Party ist? Bevor er sich davon schleicht? Danach? Bevor er zu Micha hoch ging? Warum ging er dann erst hoch und nicht gleich zu Musik?
Man tut etwas "unter einem Vorwand"


****
Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht,****
Dazu müssten sie mit einem Affenzahn Strecken rennen oder sich mit einer barbarischen Geschwindkeit drehen, damit die "Fliehkraft" die Schweißtropfen anders als nach unten rinnen lässt.

****… als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos. Ich schaue mich um. *****
Absatz

**** Vereinzelt entdecke ich doch noch ein paar bekannte Gesichter, mit denen ein Smalltalk so gut wie vorprogram-miert ist. ****
Smaltalk mit Leuten, nicht mit Gesichtern.

**** Die auf der Skifahrt so verhalten und seriös wirkende Snowboardlehrerin entpuppt sich als aufgedrehte und flippige kleine Tanzmaus, die mit ihrem Dandy so richtig auf die Kacke haut. Sie tanzen eine Mischung aus Rock `n Roll und Breakdance und geben dabei ein tolles Paar ab.
Was macht der Idiot denn jetzt? ****
Meinst du jetzt den Dandy? Wenn ja: Macht der das nun Kommende während des Tanzes – hat er also die ganze Zeit mit Bierflasche in der Hand getanzt?

***Er klemmt sich eine Bierflasche zwischen Kopf und der niederen Kellerdecke ein …****
Er klemmt sich den Finger ein. Er klemmt eine Bierflache zwischen Kopf und Kellerdecke (ein).

****Anschließend dreht er sich schunkelnd zum Rhythmus um die eigene Achse *****
Wie kann er schunkeln (mit oder ohne Drehung) und dabei die Flasche eingeklemmt behalten?

****Wie kreativ von ihm! „Wo hat er bloß diesen tollen Partygag her?“ frage ich mich und schüttele vor Entset-zen den Kopf. ******
Was hat der Prot für ein Probelm? Dass ihm sowas nicht einfällt, um Aufmerksamkeit zu erheischen? Vorhin fand er noch "lustige Gesichter ziehen" (klingt wie im Kindergarten) als Party – das hier ist aber dann doch zu albern.

*** greife ich nach einer der frischen Limos aus einer der unzähligen Bierkisten, ****
Limo aus der Bierkiste?
Was sind "frische Limos"? Meinst du selbst gemixte? Gekühlte? Oder nur, dass der Prot schon eine hatte, die aber schal wurde und er nun eine der unangebrochenen Flaschen nimmt?

**** Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich mir und kratze mich verzeifelt am Sack. ****
Hier wird etwas ganz extrem sichtbar: Du changierst zwischen den Stilebenen und zwar unglaubwürdig. Ein Typ, der sich am Sack kratzt, onaniert nicht, er wichst. Nur mal als Beispiel. Oder: Wie pupertär eifersüchtig er auf den "Dandy" reagiert, passt nicht zu dem Stil der 60er Jahre, wo Dandys und Tanzmäuse und "lustige Gesichter" "Jugendkultur" waren. Wenn dieses "gehoben sein wollen aber nicht sein" typisch für den Prot sein soll, dann muss es im Text bewusster eingesetzt werden – im Moment wirkt es eher so, als wüsste der Autor nicht, dass es verschiedene Sprachebenen gibt, so dass er meh oder weniger zufällig, auf jeden Fall ab er wahllos zwischen ihnen hin und her flutscht.

****Schnell füllt sich der relativ kleine Keller mit Leuten.***
Moment! Ich dachte, da unten ist schon gut Party! Und "schnell" gemessen an was? "Schnell während der Flaschen-Show?

**** Die Feier hat sich schon bald zu einer richtigen Veranstaltung verwandelt.*****
Ich ahne, was du sagen willst, aber irgendwie sagst du es nicht. Wenn schon, dann wird die Veranstaltung (das hat was Verordnetes, etwas wird veranstaltet statt dass was passiert) zur Party (oder meintetwegen auch Feier (obwohl das recht gesittet klingt – schön sauber und anständig eben)
verwandeln in etwas / wandeln zu etwas / umwandeln in etwas

***
Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkral-le fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit.***
Was ist eine Kunsthoffkralle?
Was ist "pogen"? Und warum fliegt dabei fremdbewegt sein Gipsarm hin und her?

**** Die Nervenbahnen im Handgelenk sind noch nicht gänzlich ver-heilt. *****
Wow! Die Nervenbahnen waren gerissen! Und da sind die Finger frei von Gips?


****Die Leute flippen völlig aus und springen fast die Wände hoch, ****
VORSICHT! Die Decke ist so niedrig, dass ein normaler Mann im Stehen eine Flasche zwischen Kopf und Decke klemmen kann! Wenn du die Leute zu sehr hüpfen lässt, gibt es Schädelsalat!
 

djpizza

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Fäkalvernissage

Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party findet auf zwei Stockwerken statt! Ehe ich mich dafür ent-scheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unter-richtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt ihr vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm fast so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich erzähle ihm die Geschichte wie es zu dem Gipsarm kam. Mi-cha fühlt, er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme, aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitge-fühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfeh-len, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von den Leuten abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die ande-ren Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterher-dackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen fried-lich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intel-lektuelle Gespräche - Party, denke ich mir und drehe mich lustlos zum Ga-bentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäs-te staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dö-nertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Auf-stiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger inte-ressieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, wäh-rend ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahr-scheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Wunsch, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflä-chige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.

„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffen-der Hobbykünstler und fotografiere die Scheiße anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Wenn ich den Leuten von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben. Dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht.“
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte dem Freund von Micha im gleichen Atemzug mit einem Augenzwin-kern meine Visitenkarte vor die Nase.

Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.

Vielleicht sollte ich ihm erzählen, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere.

„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfu-cker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibrato-ren und andere spitze Gegenstände einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich ausschließlich nur noch mit dem Arm und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.

Schlagartig fällt Micha das Lächeln aus dem Gesicht und sein Kiefer klappt ihm herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und schlei-che mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Was ich nicht gewusst habe, ist das zu Michas WG ein Partykeller gehört, der mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet ist. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit flie-henden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich schaue mich um. Sascha scheint immer noch nicht da zu sein. Wo steckt er denn bloß? Vereinzelt entdecke ich doch noch ein paar bekannte Gesichter, eben jene Leute, mit denen ein Smalltalk so gut wie vorpro-grammiert ist. Die Leute sind alle ganz nett hier. Ich quatsche mit Jörg und zappele mit seiner Schwester Nina ein wenig ab. Einvernehmlich haben sich Ricky und Nina vor ein paar Wochen voneinander getrennt. Jetzt ist sie wieder solo und offen für Neues. Ach, da ist ja auch die kleine Snowboard-lehrerin. Sie wird jetzt von ihrem Freund durch die Luft gewirbelt. Die auf der Skifahrt so verhalten und seriös wirkende Snowboardlehrerin entpuppt sich als aufgedrehte und flippige kleine Tanzmaus, die mit ihrem Dandy so richtig auf die Kacke haut. Sie tanzen eine Mischung aus Rock `n Roll und Breakdance und geben dabei ein tolles Paar ab.
Was macht der Idiot denn jetzt? Er öffnet sich ein Bier und klemmt es zwi-schen Kopf und der niederen Kellerdecke ein, bevor er zum Takt der Musik in die Hände klatscht rhythmisch hin- und her-schunkelt. Anschließend dreht er sich um die eigene Achse und fixiert die Flasche mit den Augen. Er zwinkert nach oben und dreht sich dabei kon-zentriert und vorsichtig, damit die Flasche nicht herunterfällt. Die Snowbo-ardlehrerin und seine Freunde stehen staunend im Kreis um ihn herum und klatschen mit. Wie kreativ von ihm! „Wo hat er bloß diesen tollen Partygag her?“ frage ich mich und schüttele, von dem Kerl entnervt, den Kopf. Der Dandy hat wahrscheinlich zu viele US-Collagekomödien, die auf ihn abfär-ben, gesehen. Das ist ganz großes Kino, was er da spielt. Der blöde Col-legeboy macht einen auf Party-animal, was seine Leute ihm auch noch durch Beifall quittieren. Um den Idioten besser verarbeiten zu können, greife ich nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiederge-kommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürba-ren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich mir und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Ge-schickt lenke ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun. Ich stehe am Rand, wie ein frustrierter Außenseiter Die Leute flippen völlig aus und springen durch die Gegend, während die Discolichter in verschiedenen Farben im Wechsel aufleuchten.
 

djpizza

Mitglied
Fäkalvernissage

Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party findet auf zwei Stockwerken statt! Ehe ich mich dafür ent-scheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unter-richtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt ihr vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm fast so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich erzähle ihm die Geschichte wie es zu dem Gipsarm kam. Mi-cha fühlt, er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme, aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitge-fühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfeh-len, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von den Leuten abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die ande-ren Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterher-dackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen fried-lich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intel-lektuelle Gespräche - Party, denke ich mir und drehe mich lustlos zum Ga-bentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäs-te staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dö-nertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Auf-stiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger inte-ressieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, wäh-rend ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahr-scheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Wunsch, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflä-chige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.

„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffen-der Hobbykünstler und fotografiere die Scheiße anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Wenn ich den Leuten von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben. Dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht.“
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte dem Freund von Micha im gleichen Atemzug mit einem Augenzwin-kern meine Visitenkarte vor die Nase.

Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.

Vielleicht sollte ich ihm erzählen, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere.

„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfu-cker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibrato-ren und andere spitze Gegenstände einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich ausschließlich nur noch mit dem Arm und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.

Schlagartig fällt Micha das Lächeln aus dem Gesicht und sein Kiefer klappt ihm herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und schlei-che mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit flie-henden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich schaue mich um. Sascha scheint immer noch nicht da zu sein. Wo steckt er denn bloß? Vereinzelt entdecke ich doch noch ein paar bekannte Gesichter, eben jene Leute, mit denen ein Smalltalk so gut wie vorpro-grammiert ist. Die Leute sind alle ganz nett hier. Ich quatsche mit Jörg und zappele mit seiner Schwester Nina ein wenig ab. Einvernehmlich haben sich Ricky und Nina vor ein paar Wochen voneinander getrennt. Jetzt ist sie wieder solo und offen für Neues. Ach, da ist ja auch die kleine Snowboard-lehrerin. Sie wird jetzt von ihrem Freund durch die Luft gewirbelt. Die auf der Skifahrt so verhalten und seriös wirkende Snowboardlehrerin entpuppt sich als aufgedrehte und flippige kleine Tanzmaus, die mit ihrem Dandy so richtig auf die Kacke haut. Sie tanzen eine Mischung aus Rock `n Roll und Breakdance und geben dabei ein tolles Paar ab.
Was macht der Idiot denn jetzt? Er öffnet sich ein Bier und klemmt es zwi-schen Kopf und der niederen Kellerdecke ein, bevor er zum Takt der Musik in die Hände klatscht rhythmisch hin- und her-schunkelt. Anschließend dreht er sich um die eigene Achse und fixiert die Flasche mit den Augen. Er zwinkert nach oben und dreht sich dabei kon-zentriert und vorsichtig, damit die Flasche nicht herunterfällt. Die Snowbo-ardlehrerin und seine Freunde stehen staunend im Kreis um ihn herum und klatschen mit. Wie kreativ von ihm! „Wo hat er bloß diesen tollen Partygag her?“ frage ich mich und schüttele, von dem Kerl entnervt, den Kopf. Der Dandy hat wahrscheinlich zu viele US-Collagekomödien, die auf ihn abfär-ben, gesehen. Das ist ganz großes Kino, was er da spielt. Der blöde Col-legeboy macht einen auf Party-animal, was seine Leute ihm auch noch durch Beifall quittieren. Um den Idioten besser verarbeiten zu können, greife ich nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiederge-kommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürba-ren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich mir und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Ge-schickt lenke ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun. Ich stehe am Rand, wie ein frustrierter Außenseiter Die Leute flippen völlig aus und springen durch die Gegend, während die Discolichter in verschiedenen Farben im Wechsel aufleuchten.
 



 
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