Aufgeschlitzt

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Ironic

Mitglied
Aufgeschlitzt

...Rote Tränen färben meine Decke.
Stumm weint meine Seele.
Unglückliche Liebe, grausames Schicksal.
Bitte, lass mich sterben, Gott.
Ich will nicht mehr...

- Du willst nicht mehr?
So sprich, was willst du, Mensch?
Ich gab dir Licht und Wärme,
du aber liebst die Dunkelheit.
Dir gab ich genügend Nahrung,
du aber hast einen Schlankheitswahn.
Doch sterben müssen die Tiere
auch ohne deinen Hunger,
Denn du tötest sie zum Spaß!

...Auch ich bin innerlich schon tot.
Getötet von Mangel an Gefühlen.
Geborgenheit, Mitgefühl, Liebe,
allein das ist mein Begehr...

- Und drum willst du nicht mehr?
Ich gab euch mehr Gefühl als jedem Tier.
Und was bringt es? Neid, Kummer, Gier!
Immerzu verlangt nur ihr!
Nicht nur wollen - geben!
Wie viele von euch mindern fremdes Leid?

...Was soll ich denn noch geben,
wenn ich das Beste schon verschenkte?
Meine Liebe hat ein anderer.
Und selbst der wirft sie achtlos weg.
Das Leben ist nicht fair...

- Und drum willst du nicht mehr?
Kleines Menschlein schau dich nur an.
Weißt du nicht weiter, so schlitzt du dich auf.
Verletzt dich selbst - zerstörst all meine Gaben.
Verstand gab ich euch. Ihr tötet mit ihm.
Willen gab ich euch. Ihr fordert nur damit.
Ein Gedächtnis habt ihr. Und denkt nur an euch selbst.
Und nun willst du Mitgefühl haben.
Und Liebe. Für dich.
Wirst du sie weitergeben
oder dich selbst verbrennen
an den entfachten Gefühlen?
Wirst wieder mit dem Feuer spielen,
anstatt Frierende zu wärmen?


...Auch ich erfriere. An eiskalten Herzen.
Die Schmerzen sind unerträglich...

- Die du dir selbst zufügst.
Dein Kummer soll entfließen,
indem du ihn verstärkst?
Ich will, ich will, ich will.
Liebe? Nur Befriedigung der Triebe!
Ja, sterben. Aufgeben. So viel leichter.
Alle einsamen Waisenkinder der Welt,
alle Kriegsleidenden, alle Kranken, gebt auf!
Bringt euch um. Wie viel weniger Probleme gäbe es.
Auch du würdest dann endlich ernst genommen.
Von den Würmern im Boden.
Die dich auffressen und deinen Körper zerstören.
So, wie du es wolltest.
 

Jongleur

Mitglied
Hallo Ironic,
Ironic - steht drüber. Der Nick. Aber was für ein Thema! Ganz am Ende - da ist es dann: sarkastisch.
Mir ist diese dialogische Auseinandersetzung mit Gott zu umfangreich, enthält sehr viele Einzelthemen, dadurch verliert das einzelne an Durchschlagkraft. Auch wird es streckenweise sehr prosaisch für mein Gefühl. Es fängt so stark an, lyrische, metrisch klopfende Zeilen (Puls?). Nur die begründende Zeile in der Mitte - die nach hinten verschieben:
Rote Tränen färben meine Decke.
Stumm weint meine Seele.
Bitte, lass mich sterben, Gott.
Ich will nicht mehr ...
Das ist sehr eindringlich und schildert große Not.
Die Begründung (unglückliche Liebe, hartes Schicksal) könnte danach "aufgedröselt" werden - oder eine Zwiesprache mit dem aufrechnenden und am Ende nicht barmherzigen, sondern rächenden Gott. - Wobei mir *eins* als Thema reichte, um dieselbe Eindringlichkeit zu erreichen wie zu Beginn. Dieser Gott hat zu viel (berechtigte) Vorwürfe an den Menschen auf Lager. Aus den anderen lieber weitere Gedichte machen.
Aber noch zum Inhalt: Das scheint mir eine verzweifelte Aussprache, ein einseitiger Dialog. In dem der hilfesuchende Mensch sich mit diesem personifizierenden Gott noch einmal und von höchster Stelle all den Vorwürfen aussetzt, die er sich selbst sowieso macht. Wie er sich wohl selbst anklagt und aus dem Unvermögen, der Not, nicht aus der seelisch hilfeschreienden Situation herauszufinden, sich ritzt und über das Spüren des Schmerzes irgendwie lebendig spüren will. -
Man wünscht einem so Leidenden kompetente therapeutische Hilfe und gute Freunde! Ach, und den *barmherzigen* Gott.
Grüße vom Jongleur
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ironic,

auch ich habe mir Gedanken zu Deinem Text gemacht.
Zunächst fiel mir auf, das der Gott doch recht ungöttlich und unprofessionell auf Liebeskummer reagiert, nämlich erstmal mit Wut. Schon recht dumm, wenn die eigene Schöpfung so danebengerät ;)
Erst wird der Mensch verhätschelt, er muss sich die Nahrung nicht einmal selbst erarbeiten und dann droht der Gott noch damit, die Tiere auch dann zu töten, wenn der Mensch es nicht tun mag.
Unverständlich bleibt hier das:
Denn du tötest zum Spaß!
Tötet der Mensch Tiere zum Spass? Oder sich selbst? Oder das Ziel seiner Liebe?
Es steht im Widerspruch zu meiner Interpretation der Zeilen davor. Also gibt Gott ihm Körner, der Mensch aber lehnt dankend ab und geht auf die Jagd? Tja Gott dann hast Du da eine saftige Rebellion und eher wird Dir der Spass vergällt, als das der Mensch spasseshalber tötet.

Die dritte Strophe beginnt mit einem "Auch" das ich nicht zuordnen kann. Wen meint der Mensch hier?

Bei den mangelnden Gefühlen fehlt mir das Wörtchen "an"
Du meinst ja, das der Mangel an Gefühlen getötet hat.
Die Gefühle drehen ja keine Wäsche durch die Mangel, sondern sie fehlen.
Getötet von einem Mangel an Gefühlen.
könnte das besser verdeutlichen.

Ein Gedächtnis habt ihr. Und denkt nur an euch selbst.
Für das "denkt" könnte man auch "erinnert euch" wählen, es passt besser zum Gedächtnis, auch wird mir nicht ganz klar, warum der Gott hier vom Du zum Ihr wechselt.
Für drei Zeilen und schon gehts wieder zurück zum DU.

An eiskalte[blue]m[/blue] Herzen
Ich glaube, das es mit "m" richtig ist.

In der Zeile:
Ja, sterben. Aufgeben. So viel leichter.
könnte mit einem "ist" der Stil der Strafpredigt weiterverfolgt werden.

Die "einsamen Waisenkinder" sind etwas überladen, dem Wort Waisenkind hängt die Einsamkeit eigentlich schon an, oder wolltest Du bewusst die nicht einsamen Waisenkinder hier ausschliessen?

Ich finde es schade, das dem Text ein Ende fehlt.
Die beiden reden aneinander vorbei und es bleibt die Frage: Wozu das ganze?

cu
lap
 

Ironic

Mitglied
...

Hallo Jongleur,
dass der Text ziemlich prosaisch wirkt, ist mir auch schon aufgefallen...naja, man kann ihn gern ins Prosalyrik-Forum verschieben.
Ich verstehe schon den Einwand, dass zu viele Themen in dem Gedicht sind, aber der "sarkastische Gott" will dem Menschen klar machen, wieviele andere ernsthaftere Probleme es auf der Welt gibt, bei denen man auch nicht gleich aufgeben sollte, und dazu finde ich es angemessen, den Mensch mit Vorwürfen zu überhäufen. Hm, welche Themen/ Vorwürfe sollten denn deiner Meinung nach zum Wohle der Eindringlichkeit konkret heraus gelassen werden?
Liebe Grüße,
Marco
 

Ironic

Mitglied
...

Hallo lapismont,
wenn ich an die Bibel denke, muss ich feststellen, dass Wut leider nicht so wahnsinnig ungöttlich ist.;-)
Anscheinend hast du einen Teil meines Textes falsch verstanden. Mit der Nahrung, die Gott schenkte, sind u.a. die Tiere gemeint, die der Mensch jedoch auch zum Spaß tötet...kommt das so schlecht rüber? Habe jedenfalls noch ein "sie" eingebaut, in der Hoffnung so ists eher logisch.

Darum beginnt die dritte Strophe mit "auch" als eine Anknüpfung zur vorangegangenen Strophe, weil sich der Mensch für genauso tot hält, wie die Tiere...

...das mit dem Mangel hab ich geändert, danke...die Sache mit den eiskalten Herzen stimmt jedoch so, denn der Mensch erfriert an den kalten Herzen der anderen...am eigenen kalten Herz zu erfrieren wäre ja unlogisch....

...die drei Zeilen mit dem "ihr" sind wohl aus dem Gefühl heraus entstanden...ich finde schon, dass das so ganz gut passt bzw nicht weiter stört, aber ich werde noch einmal darüber nachdenken...

...es gibt sicher Waisenkinder, die nicht einsam sind und glücklich mit ihrem Leben...dann hab ich die damit auch bewusst ausgeschlossen, weil man ja keine glücklichen Menschen aufzählen sollte, um die Sache zu verdeutlichen, die auch der Sinn des ganzen ist...dem Menschen klar zu machen, das vieles schlimm ist, aber es noch weit mehr Probleme gibt und es in jedem Fall falsch ist aufzugeben, auch wenn alles noch so sinnlos erscheint...Selbstmitleid ist nicht richtig, da man das Unglück oft selbst mit verschuldet...aber hatte eigentlich gehofft, dies wird durch den göttlichen Sarkasmus nähergebracht...
Liebe Grüße,
Marco
 



 
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