Augustkater

smilla

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„Jauu... Jauu!“ Ich blinzelte, draußen wurde es gerade hell.
„Alte Nervensäge - es ist halbe Nacht!“ Murmelte ich und spürte einen vertrauten Druck auf meiner Schulter. Zwei Pfoten kneteten die Bettdecke über mir. Ein leises Schnurren stimmte mich milde und ich blickte in zwei grüne funkelnde Augen.
„Sammy, was ist - hast du Hunger?“
„Jau“ maunzte der Kater. Ich wälzte mich auf die andere Seite. Sammy sprang auf den Fußboden und rannte in Richtung Küche. Auf der Schwelle blieb er stehen und schaute erwartungsvoll zurück. „Jauu!“
Ich versuchte die Uhrzeit auf dem Wecker zu erkennen, es war genau sechs. Ich ließ mich auf mein Kissen fallen und fragte mich, womit ich es verdient hatte, so früh am Sonntag geweckt zu werden.
Katzen faszinierten mich schon immer. Ich war überzeugt, als Rentnerin mit schnurrenden Stubentigern zu leben, die mich in Trab hielten.
Zwanzig Jahre früher als geplant, adoptierte ich meinen Kater Sammy. Ich war gerade vierzig und kann nicht mehr genau sagen, wie sich der Gedanke in meinem Kopf einnistete. Es ließ mich nicht los und ich begeisterte meinen Sohn Jonas für diese Idee.
„Mutti, wann kaufen wir uns endlich einen neuen Computer?“ Das war es, wofür er sich interessierte.
Ich las die Anzeigen der Wochenendausgabe unserer Tageszeitung, bis ich fand, was ich suchte.
„Augustkaterchen - verschmust und trotzdem verlassen"

Ich stellte mir vor, wie das getigerte Kätzchen mit erhobenem Kopf, funkelnd grünen Augen durch unsere Wohnung stolzierte.
„Hast du gehört?“ Ich blickte zu Jonas der in ein Werbeprospekt vertieft schien.
„Ja, Ja – Mutti hier - sechshundert Herz und dreizehn Gigabyte Festplatte - kostet nur eintausendneunhundertneunundneunzig!“
„Nur? Ist doch wirklich eine Kleinigkeit. Denkst du wir fahren morgen los und kaufen so ein Teil? Vergiss es!“ Ich drückte mich seit Wochen, um die Anschaffung eines neuen Computers. Der Alte reicht, redete ich mir ständig ein.
„Ich gebe dir Geld dazu!“ fiel meinem Sohn ein.
„Woher nehmen und nicht stehlen!“
„In fünf Monaten fange ich meine Lehre an, dann habe ich Geld!“
„Na toll!“
Entnervt, stand ich auf und begann Kartoffel zu schälen.
„Machst du jetzt etwa Mittag?“
„Was dagegen!“
„Wir wollen gleich zum Fußball!“
„Was meinst du wohl, für wen ich Essen koche? Für mich nicht!“
„Dann kochst du eben, wenn ich wieder komme!“
„So einfach ist das für dich, ob ich vielleicht auch Sonntag habe und machen möchte was mir gefällt – statt Kochen und Putzen?“ Ich warf die Kartoffelschalen in den Müll, wusch mir die Hände und trocknete sie am Handtuch.
„Na dann mach doch!“ sprach Jonas, „kein Mensch hindert dich!“
Er ging in sein Zimmer und ich hörte, wie er seine Sachen packte.
Ich las zum zweiten Mal die Anzeige in der Zeitung, dann wählte ich kurz entschlossen, die abgedruckte Telefonnummer.
Nach endlosen Klingeln, schaltete sich ein Anrufbeantworter ein. Enttäuscht, hinterließ ich eine Nachricht auf Band. Es sollte wieder einmal nicht sein, dachte ich resigniert.
Unruhig tigerte ich durch die Wohnung. Was mache ich jetzt? Gehe ich ins Fitnessstudio oder fahre ich zu meiner Freundin Gabi? Ich zog mich an, griff die Schlüssel für meinen Golf und kurvte durch die Straßen der Stadt. Ich hielt vor dem Tierheim.
Minuten lang wanderte ich vor dem verratzten Gelände auf und ab und konnte mich nicht entschließen zu klingeln. Ich späte durch die Ritzen im Zaun, Hunde aller Rassen tollten auf dem Hof. Ich mochte keine Hunde und wollte gerade umkehren, als ein Jungendlicher mit blauen Haaren auf mich zukam. Er hatte bemerkt, wie ich um das Gelände schlich. Ich erklärte ihm, was ich suchte und meine Sorge wegen der freilaufenden Hunde.
„Sie brauchen keine Angst haben, die Hunde sind froh, wenn sie nicht gebissen werden.“
Er führte mich zu einem maroden Haus, das gerade ausgebaut wurde. Am Fenster saß ein getigertes Kätzchen. „Das ist er!“ dachte ich und fing den Blick des Tieres ein.
Ein gefliester Raum, so groß wie meine Stube und Katzen - junge, alte, schwarze, weiße, aber nur einen Tiger. Ich hockte mich hin und sie kletterten auf meinen Schoß, bettelten um Streicheleinheiten, zwickten in meine Finger, krallten sich an meine Hosen. Die einzige Katze die mich ignorierte, war der kleine Tiger. Ängstlich wich er meiner Hand aus, als ich versuchte ihn zu streicheln.
„Schade!“ Erst jetzt bemerkte ich den penetranten Uringeruch. Auf dem Weg nach draußen umringten mich kläffende ausgelassene Hunde. Die Zweifel kamen auf dem Heimweg. So viele Tiere in einem Raum, ein Lappen als Schlafplatz, auf kalten Fliesen!
Ist das Katzenrettung? Lieber würde ich mich im Freien durchschlagen, manchmal hungern und frieren, als eingesperrt in diesen vier Wänden.
Am nächsten Tag wartete mein Sohn am Eingang des Computerladens. Ich hatte es in einem Anfall von Leichtsinn versprochen.
„Nur umschauen!“ empfing ich ihn.
„Jaa - keine Sorge!“
Ich überließ die Verhandlung über technische Details, meinem Sohn. Er ließ sich die Daten der einzelnen Modelle mit dem nötigen Zubehör erklären, nur wenn es um Preise ging, hob ich mahnend meine Augenbrauen. Vielleicht war es besser, das Gerät sofort zu kaufen. Ich konnte mich nicht ewig drücken, den alten PC durch einen neuen zu ersetzen. Wir könnten endlich das Internet nutzen. Ich würde zum Beispiel eine Menge über Katzen finden. Als ich das Teil im Geiste schon auf meinem Schreibtisch platzierte, ging mein Sohn in Richtung Ausgang.
„Was ist denn jetzt, ich denke wir wollen einen Computer kaufen!“
„Der Eintausendneunhundertneunundneunziger ist ausverkauft und das Preis– Leistungsverhältnis von den anderen ist nicht so gut!“ Mein Sohn wusste nicht, dass ich in diesem Moment sogar bereit gewesen wäre einhundert oder sogar zweihundert draufzulegen, nur um es hinter mich zu bringen. Mein Sohn hielt mir die Tür auf und wir fuhren unverrichteter Dinge in unsere Wohnung.
Ich stürzte gleich ans Telefon, das wir bereits auf dem Hausflur klingeln hörten.
„ Augustkaterchen ja – schön, dass sie anrufen... ich komme am besten gleich. Wie sieht er denn aus? .....Schwarz!“ rief ich und legte den Hörer auf, nachdem ich mir die Anschrift notiert hatte.

Auf dem Weg zu meinem Augustkater versuchte ich ihn mir vorzustellen. Er war noch jung - gut, doch ich wollte einen Tiger und keinen Panter. „Ansehen - du wirst ihn schon süß finden!“
Frau Doktor Zech – Tierärztin – Katzenpension, stand auf dem Türschild. Ich trat ein. Eine große, blonde, mütterliche Frau begrüßte mich mit ihrem herzlichen Lächeln.
„Wir haben hier jede Woche herrenlose Katzen, die abgegeben werden. Ich weiß gar nicht mehr wohin!“
Frau Doktor Zech führte mich über den Hof zu einem Seiteneingang. Mein Herz klopfte lauter, als sie endlich die Tür zur Katzenpension öffnete. Fünf kleine Räume und ein Freigehege. In jedem Raum standen Kratzbäume, Schlafkörbchen und Decken. In einer Ecke spielten drei junge rabenschwarze Kätzchen. Ich sah den dreien einen Augenblick zu, die sich durch meine Anwesenheit nicht stören ließen.
„Und alle Katzen in diesem Raum sind herrenlos?“
Frau Doktor Zech nickte, griff nach einem spielenden Augustkater hob ihn auf den Arm. Doch ich hatte meinen Sammy längst entdeckt. Er lag an der Heizung, majestätisch wie ein Tiger im Schatten einer Palme, schaute er gelangweilt auf uns Frauen. Seine Schwanzspitze zuckte und er blinzelte. Sein getigertes Fell war schwarz braun mit einem prächtigen weißen Lätzchen und weißen Pfoten.
Frau Doktor Zech hatte mein Interesse für den Tiger bemerkt.
“Das ist ein Halbperser – norwegische Waldkatze vermutlich!“
Ich ging zu meinem Kater, und streichelt sanft über das weiche Fell. Er drückte sein Köpfchen in meine Hand, als wollte er sagen „Mehr - mach weiter!“ Dabei blickten mich seine jadegrünen Augen unverwandt an.
„Wie alt ist er und wo kommt er her!“


„Schwer zu sagen – das Alter kann man bei Katzen schlecht schätzen, wenn sie ausgewachsen sind. Auf jeden Fall älter als zwei Jahre. Wir haben ihn eingefangen, als seine Familie, vom Sozialamt eine Wohnung zugewiesen bekam. Ziemlich ungepflegte Verhältnisse. Er hatte alles, was Katzen eben haben, wenn sie freien Auslauf bekommen – ein völlig verlaustes Fell, Ohrmilben und Würmer!“
Vielleicht kommt der Ausdruck – lausiger Kater daher! Dachte ich und spürte, dass mein Herz gesprochen hatten und die Entscheidung gefallen war.
Gleich über dem Ohr sah ich eine fast verheilte Wunde. Mein Tiger schien kampferfahren zu sein, registrierte ich begeistert.
„Wie lange ist er jetzt schon hier?“
„Eine Woche - wir haben ihn kastriert und entlaust. Bis sein Fell wieder glänzt, dauert es aber noch einige Zeit.“
„Den nehme ich!“
Nun hatte ich meinen Tiger Sammy, der Sonntags pünktlich um sechs sein Wiskas verlangte.
Ich schob die Bettdecke zur Seite und schlüpfte in meine Pantoffeln. „Na komm mein Liebling, jetzt gibt’s ein Fresschen!“ Sammy eilte mir auf weißen Samtpfoten voraus.
 

dommas

Mitglied
da

kann ich mitfühlen. unsere fängt auch immer morgens um sechs (spätestens!) an, meine zehen zu fangen. sie zählt unsere Gäste auch schon anhand (oder besser an-fuß) der zehen. ("hey, heute schlafen wieder 40 zehen bei uns! juhuu!"). schöne geschichte, und wie gesagt, katzenhalter können mitfühlen. aber was ist eigentlich aus dem computer geworden?
yours
dommas
 

smilla

Mitglied
Hallo Dommas

Danke für Deine Kritik, die Story ist für Katzenliebhaber, die mitfühlen.
Vielleicht kam es nicht so deutlich rüber, aber der Augustkater ist auch ein Ersatz zum bemutteln, weil Sohn eigene Wege geht. Der Computer wurde auch gekauft, ist aber in der Story offen! Danke für den Hinweis
 

Martin

Mitglied
Ja, mir als Katzenfan gefällt Deine Geschichte auch sehr gut... vielleicht hast Du meine Kasimir-Geschichte auch schon mal gelesen...

Viele Grüße

Martin
 

smilla

Mitglied
Hallo Martin

Danke für Deine Mitteilung!
habe mir Deine Kasimir- Geschichte gleich vorgenommen!!
lies selbst!!
gruß Smilla
 

Martin

Mitglied
...ja, danke, Smilla, für Deine Antwort zu "Kasimir"...
was auch noch gut zum Thema paßt ist die Muschi-Geschichte, die vor ein paar Tagen von Skelfir Ötzmir hier gepostet wurde...
 



 
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