Aus meinem Text: Einmal Punk und zurück

3,00 Stern(e) 1 Stimme
Ich habe meine Vergangenheit in meinem autobiografischen Text aufgeschrieben und damit verarbeitet. Es geht um ein Adoptivkind, dass aus Südkorea nach Deutschland kommt und in Berlin in einem gut situierten Haushalt aufwächst. Schon bald merkt er aber, dass er mit seinen Eltern nichts anfangen kann. Er konsumiert und verkauft Drogen, wird von der Schule verwiesen, läuft immer wieder von zuhause weg und surft S-Bahn. Von äußeren Zwängen gepeinigt, beschließt er, in die Hausbesetzerszene zu gehen und lernt dort eine ganz andere Welt kennen. Er lebt auf der Straße, liefert sich Straßenschlachten mit Nazis und der Polizei. Er bettelt tagsüber auf den Straßen und Plätzen. Die Suche nach Liebe und Freiheit bestimmen sein Leben. Seine Suche führt ihn eines Tages zurück in das \"normale\" Leben und er findet ein neues Ziel in seinem Leben: Frieden. Der Text ist nicht geschönt, nicht verherrlicht, er gibt nur das wieder, was im wilden Berlin anfangs der 90er geschah. Hier ein Probekapitel mit, denen für mich typischen, orthografisch und stilistischen Fehlern. Der Text hat insgesamt etwa 250 Seiten, Schriftgrad 12 Arial. Ich habe bisher 26 Kapitel (ca. 3 Std.)zu Promotionszwecken als Hörbuch aufgenommen. Suche noch einen Verlag oder Literaturagentur, die bereit wären, mich aufzunehmen. Wenn also jemand einen Tip hat, oder seine Kritik loswerden möchte, dann würde mich darüber sehr freuen. Danke an all die fleißigen Leser!

S-Bahnsurfen

Ende November hatte ich Geburtstag, aber einen Anlass zum feiern gab es eigentlich nicht. Bei mir zuhause herrschte Endzeitstimmung. Außer einem Buch mit dem wundervollen Titel: „Voll abgedreht“, in dem es um einen Typen ging, der Drogen konsumierte, abstürzte und von der Schule flog, bekam ich nichts. Ich feuerte das gute Buch in die Ecke, zog mich um und verließ das Haus. Ich war verabredet, meine Freunde wollten mit mir im guten, alten Extasy Geburtstag feiern.
Am S-Bahnhof Zehlendorf warteten fünfzehn meiner besten Kumpels und ihre Freundinnen. Die S-Bahn fuhr in den Bahnhof und wir stiegen ein. Kaum hatte sich die Bahn in Bewegung gesetzt, öffnete Mark die Tür und sah mich auffordernd an: „Surfen?“
In den alten Wagons gingen die Türen während der Fahrt auf. Unter dem Einstieg befand sich ein kleines Trittbrett. Waren die kleinen Klappfenster offen, konnte man sich von dort aus von Fenster zu Fenster hangeln um auf die Kupplung zwischen die Wagons zu gelangen.
Ich stieg Mark hinterher. In der Mitte der Strecke kam eine Brücke, dort war die S-Bahn am schnellsten. Spätestens da mussten wir die Kupplung zwischen den Wagons erreicht haben. Ansonsten wurde es im wahrsten Sinne des Wortes eng.
Draußen war es laut. Wenige Zentimeter unter uns ratterten die Radreifen auf den alten Gleisen. Der kalte Wind wehte mir ins Gesicht, ab und zu huschte ein Signal in atemberaubender Geschwindigkeit an mir vorbei. Mark kletterte am zweiten Fenster. In wenigen Sekunden würden wir die Brücke erreichen, genug Zeit.
Plötzlich schrie mir Mark etwas zu. Bevor ich noch „was?“ fragen konnte, bekam ich einen höllischen Schlag auf den Kopf. Etwas riss mich mit Wucht nach unten. Ich hing mit einer Hand am Türgriff, meine Beine baumelten in der Luft. Auf Höhe der Radreifen wurde der Lärm unerträglich.
Ich merkte, dass ich mich nicht mehr hochziehen konnte. In meinem Kopf brauste es, als ob mir jemand eine Flasche Mineralwasser mit Kohlensäure in meinen Schädel gegossen hätte.
Plötzlich sah ich die Brücke schnell näher kommen. Ich hing einen halben Meter weit draußen, dass konnte nicht gut gehen. Ich versuchte verzweifelt, mich wieder hochzuziehen.
Meine Finger begannen nacheinander vom Türgriff abzurutschen. Es fehlten nur noch wenige Sekunden, dann kam die Brücke. Ich sah die Pfeiler auf mich zuschießen, dann ließ ich los.
Noch während ich fiel, dachte ich dass es keine gute Idee gewesen war, mich fallengelassen zu haben. Die Radreifen wurden lauter und lauter, dann wurde es still.
Im nächsten Augenblick prallte ich auf dem Kiesbett auf, überschlug mich und flog wieder durch die Luft. Mein Bewusstsein kam nicht mehr mit. Wo eben noch unten war, war jetzt oben und umgekehrt. Nach einer scheinbaren Ewigkeit wurden die Wechsel zwischen unten und oben langsamer, bis ich zum Stillstand kam.
Ich stand auf und sah mich um. Ich war genau zwischen den beiden Gleistrassen gelandet. Meine Hose war am rechten Bein zerfetzt. Außer ein paar Schürfwunden an den Armen sah ich noch ganz gut aus. Von dem Schlag auf den Kopf hatte ich nicht einmal eine Beule. Fürs Extasy zum feiern immer noch gut genug.
Aus der Gegenrichtung kam mir eine S-Bahn entgegen. Ich bekam Angst, dass die BVG Stress machte. Jemand hatte mal erzählt, dass man eine Geldbuße zahlen musste, wenn man beim surfen erwischt wurde. Ich rannte die Böschung hoch und kletterte über den zwei Meter hohen Zaun.
Auf der Straße merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Mir lief es warm in den Socken. An einer Straßenlaterne krempelte ich mein Hosenbein hoch. Die Haut war am Knie abgescheuert. Ich sah meine Kniescheibe im Licht glänzen und schlagartig wurde mir übel.
Jetzt war klar, dass der Abend gelaufen war. Ich überlegte, wie ich es meinen Eltern beibringen konnte. Ich humpelte Richtung Hauptstraße. An einer Straßenecke traf ich ein Touristenpaar, das sich verfahren hatte und am Straßenrand in einer Karte blätterte. Ich klopfte an die Scheibe ihres Autos und bat sie, mich in ein Krankenhaus zu fahren.
In der Notfallaufnahme ließen sie mich warten. Alle, die nicht bewusstlos waren, schien kein Notfall zu sein. Nach zwanzig Minuten schoben sie mich in die OP.
Mein Bein wurde betäubt, danach schälten sie mir unzählige, kleine Kieselsteine aus meinem Knie. Nachdem der Arzt die Wunde gereinigt hatte, gab er mir die Diagnose: Muskelfaserriss.
Nach der OP befragte mich die Aufnahmeschwester zum Unfallhergang. Ich musste etwas sagen, ohne mich zu belasten. Also sagte ich: „Ich habe während der Fahrt die Tür aufgemacht und bin aus der S-Bahn gefallen.“
Es war klar, dass sie mir nicht glaubten, trotzdem hielt ich Lügen für besser. Noch immer hatte ich vor dem Bußgeld Angst. Wenig später kam die Polizei und fragte mich: „Sind sie von Nazis bedroht worden?“
Zu dieser Zeit kam es in Berlin öfters vor, dass Nazis Ausländer aus den S-Bahnen warfen. Es war die perfekte Ausrede. Am liebsten hätte ich das bestätigt, aber ich wusste nicht, was meine Freunde am Bahnhof gesagt hatten. Die Bullen machten ihre Kreuzchen auf dem Papier und fuhren wieder.
Jetzt kamen auch noch meine Eltern. Sie waren stinksauer. Speziell mein Vater, der zum Bahnhof gefahren war nachdem meine Freunde angerufen hatten. Am Bahnhof hatte er mitbekommen, wie die Rettungskräfte mit Müllsäcken losgezogen waren um die Gleise nach meinen Einzelteilen abzusuchen. Sie dachten ich wäre in die Räder gekommen, weil sie mich nicht gefunden hatten.
Ich lebte noch und niemand schien darüber wirklich froh zu sein. Meine Eltern motzten, die Schwestern keiften und der Notfallarzt brüllte mich an. Das schlimmste war, dass ich nicht weg konnte. Ich lag unbeweglich im Bett und musste mir den Müll widerstandslos anhören.
Nachdem sich die Belegschaft der Notfallaufnahme wieder beruhigt hatte, gratulierten sie mir zu meinem “zweiten Geburtstag“. Ich wurde in ein Sechsbettzimmer geschoben. Es war stockdunkel. Irgendwo schnarchte jemand in der Ecke, ansonsten war es ruhig.
In der Dunkelheit dachte ich das erste Mal über den Unfall nach. In der Ferne hörte ich die U-Bahn rattern. Immer wenn ich an die Stelle kam, wo ich den Schlag auf den Kopf bekommen hatte, wurde mir übel. Mir wurde bewusst, dass ich beinahe draufgegangen war.
Am nächsten Morgen sah ich meine Zimmerkollegen, ein bunt durcheinander gewürfelter Haufen. Da war Jerry ein durchgeknallter Automechaniker in meinem Alter, dann einer der wie Mathias Sammer aussah. Neben Sammer lag ein Superproll mit Kickerhecke und Oberlippenbart, der ständig Stephan Remmler hörte und von seiner geschiedenen Frau erzählte.
Mit Jerry kam ich sofort klar. Er kiffte, fickte mit seiner Freundin auf der Toilette und machte die Krankenschwestern an.
Gegen Nachmittag kam eine hässliche Frau ins Zimmer, die mit mir allein reden wollte. Als wir allein waren, sagte sie: „Ich bin Therapeutin und ich wollte noch einmal fragen, wie das gestern passiert ist.“
Sie fragte jedes Detail ab und reagierte auf meine Antworten mit: „Ach so!“, oder: „Sehr interessant!“
Der Ton gefiel mir nicht. Sofort war sie mir unsympathisch. Ich wurde misstrauisch und fragte, warum sie mich besuchte. Ihre Antwort machte mich sauer. „Ja weißt du, als du losgelassen hast, da hast du vielleicht losgelassen, weil du nicht mehr leben wolltest.“
Ich wehrte mich: „Nein, ich habe losgelassen, weil ich mich nicht mehr halten konnte und da eine Brücke kam.“
Es hatte keinen Sinn. Gegen sämtliche Argumente hatte sie ein Gegenargument. Je mehr ich sagte dass ich gerne lebte, desto mehr versuchte sie, mir das Gegenteil in den Mund zu legen. Das machte mich sauer. Schon wieder jemand, der mich nicht ernst nahm.
Sie schien meine Wut zu bemerken: „Ich habe mitbekommen, dass du mich nicht magst, weil du deine Arme vor mir verschränkst. Dein ganzer Körper spricht Bände. Du wolltest nicht mehr leben, gibt es zu!“
In einem Punkt hatte sie Recht. Ich fand sie saublöd. Ihre Unterstellung war lächerlich. Wenn ich sterben wollte, dann hätte ich mir dafür andere Methoden ausgedacht.
Oft hatte ich mit Armin darüber geredet. Wenn wir uns jemals umbringen wollten, dann musste es ein goldener Schuss sein. Da konnte man das Sterben wenigstens genießen. Außerdem wenn schon S-Bahn, dann hätte ich mich davor und nicht daneben geworfen.
Nachdem ich der Psychologin ausdrücklich klar gemacht hatte, dass ich sie nicht brauchte, trollte sie sich schmollend aus dem Zimmer. Noch lange nachdem sie gegangen war, hatte ich eine Scheißwut im Bauch.
Gegen Nachmittag kamen meine Freunde. Ich hörte sie schon auf dem Flur trampeln. Die Tür ging auf und das Zimmer wurde voll. Es kamen etwa zwanzig Leute. Sie begrüßten mich stürmisch und erzählten mir ihre Version des letzten Abends.
Nach meinem Absturz war Mark leichenblass wieder in den Wagon zurückgekommen. Sie hatten erfolglos versucht, die Notbremse zu ziehen. Die funktionierte jedoch nur im Bahnhofsbereich. An der nächsten Station hatten sie Alarm gemacht.
Krankenwagen, Polizei, meine Eltern, alle waren gekommen. Ein Riesenspektakel, extra wegen mir.
Ein Freund hatte am Morgen das Hindernis fotografiert, was mir den Schlag auf den Kopf gegeben hatte. Es war ein Schild, das sich glücklicherweise unter der Wucht weg gebogen hatte. Alle wollten mein Knie sehen, dass blutverkrustet in einer Schienung lag.
Meine Band hatte mir einen Gitarre und einen Verstärker mitgebracht, damit ich im Krankenhaus üben konnte. Ich spielte, während die anderen über meinen Unfall redeten.
Gegen Nachmittag kamen meine Eltern. Schlagartig wurde meine Stimmung schlecht. Sie brachten mir Klamotten und einen Fernseher mit. Ihr Besuch stresste. Die ständigen Vorwürfe wurden mir zuviel. Ich konnte nicht einmal weggehen, sondern musste mir alles brav anhören.
Ihr Hass auf meine Freunde war grenzenlos. Das waren alles Anstifter, die mich mit ihren miesen Ideen sogar ins Krankenhaus gebracht hatten. Sie verlangten, dass ich mich augenblicklich von allen trennen sollte. Ich sah das nicht ein. Es waren die einzigen Leute, die zu mir hielten. Der Absturz ging auf meine Kappe. Niemand außer Mark und mir surfte S-Bahn.
Durch den Krankenhausaufenthalt war die Diskussion um Schule und Ausbildung erst einmal auf Eis gelegt. Endlich musste ich mir nicht mehr von meinen Eltern anhören, dass ich mich um nichts kümmerte.
Gegen Abend kam Jerry humpelnd an mein Bett, legte mir eine zweite Decke über und schob mich zum Balkon raus. Er hatte feinstes Gras, mit dem er sich die Abende versüßte. Das Zeug knallte so sehr das ich froh war, im Bett zu liegen.
Am nächsten Tag bekam ich über einen Tropf Antibiotika. Der Arzt fürchtete, dass sich das Knie entzünden könnte. Das Mistding in meinem Arm stellte sich ständig quer und musste ständig neu eingestochen werden.
Die Schwestern fauchten mich jeden Morgen an. „Hoffentlich musst du die Behandlung aus eigener Tasche bezahlen. Selbst Schuld, wenn man S-Bahn surft!“
Abgesehen von Jerry, fing die ganze Krankenhausscheiße an zu nerven. Gegen Nachmittag kam Claire vorbei. Sie liebte mich immer noch. Als sie sich auf mein Bett setzte, sagte ich ihr, dass ich die Beziehung nicht mehr wollte und Claire ging heulend.
Die erste Woche verging. Meine Freunde kamen nach wie vor in Massen. Das Zimmer war jeden Tag voll. Ich sah immer mehr neue Gesichter, die Gruppe hatte sich vergrößert. Es machte mich wahnsinnig, als ich merkte dass sich die Welt draußen weiterdrehte und ich nicht daran teilhaben konnte. Ich wollte den Anschluss nicht verlieren. Meine Freunde schienen das zu spüren und versorgten mich mit Informationen. Wer mit wem, wer wieder auf der letzten Party besonders breit war und vor allen Dingen, was in der Waldorfschule abging.
Es grassierte das Gerücht, dass ich mich umbringen wollte, weil ich nicht mehr auf der Schule sein durfte. Ein Absurder Gedanke. Sie hatten mich zuletzt nur noch observiert und einen Grund gesucht, mich zu verbannen. Ich vermisste die Schule nicht.
Ein Waldorfschullehrer besuchten mich und erzählten mir etwas von “göttlicher Vorsehung“. „Weißt du, wie vieler Zufälle es bedurfte, dass du hier bist? Du bist aus tausenden von Kindern ausgewählt worden, um von deutschen Eltern adoptiert zu werden. Jetzt hast du diesen Unfall überlebt, da hatte noch jemand etwas mit dir vor!“
Ich sah die Sache realistischer. Ich war aus Korea nach Deutschland gekommen und hatte eine Scheißkindheit gehabt. Ich hatte eine Mutter die eine Macke hatte und einen Vater der zu allem “ja und Amen“ sagte. Ich nahm gerne Drogen und war auf einer meiner Sauftouren abgestürzt. Niemand hatte etwas mit mir vor. Vom Glauben an Gott und dem Schicksal hielt ich nichts. Esoterikscheiß.
Inzwischen hatte ich mich an den immer gleichen Tagesablauf im Krankenhaus gewöhnt. Morgens die keifende Schwester, um zwölf Uhr Mittagessen und gegen Nachmittag meine Freunde. Dann meine Eltern und abends mit Jerry auf den Balkon kiffen.
Eines Tages trafen meine Eltern auf meine Freunde. Der Konflikt war vorprogrammiert. Meine Eltern bestanden darauf, dass meine Freunde augenblicklich gehen sollten.
Natürlich wussten sie wieder, was besser für mich war. Ich fühlte mich übergangen. Wenn jemand gehen sollte, dann waren das meine Eltern. Die Situation eskalierte. Meine Mutter dachte, dass sie mit meinen Freunden genau so reden konnte, wie mit mir. Die ließen sich nichts gefallen und verarschten sie. Daraufhin fragte mich meine Mutter: „Willst du denn, dass deine Freunde oder wir dich besuchen kommen, eines von beiden geht nur?“
Ich sah in ihr siegessicheres Gesicht und konnte es kaum glauben. Ich wunderte mich, dass sie die Antwort nicht zu wissen schien. Meine Freunde, die immer zu mir gestanden hatten, oder meine Eltern, die ich hasste. Sichtlich beleidigt gingen meine Eltern. Von nun ab hassten sie meine Freunde noch mehr. Sie waren fest davon überzeugt, dass meine Freunde Schuld an meinen Eskapaden hatten. Doch ich hatte es
selbst verbockt. Ich hatte Drogen genommen als die meisten noch brav an der Bierpulle nuckelten. Drogen, die viele noch nicht einmal kannten. Wenn hier jemand andere schlecht beeinflusste, dann war ich es.
Nach zwei Wochen hatte ich nur noch einen Wunsch. Ich wollte aus dem Krankenhaus raus. Mein Knie tat nicht mehr weh. Jeder Tag im Bett war ein verlorener Tag. Nachdem mir der Arzt eine weitere Woche Bett verordnete hatte, rastete ich beinahe aus.
Ich hatte mich schon auf eine Party bei Armin gefreut. Seine Eltern waren weggefahren und alle wollten es richtig krachen lassen.
Als meine Freunde kamen, erzählte ich ihnen, dass ich nicht auf die Party konnte. Am nächsten Tag brachten sie mir eine Thermoskanne mit Haschischtee mit, damit ich nicht traurig war. Nachts ließ ich mir von der Schwester zwei Schnabeltassen bringen und lud Jerry zum Tee ein.
Am nächsten Tag bekam ich bei der Visite ärger. Jemand hatte uns lachen gehört. Der Oberarzt drohte mir, mich rauszuschmeißen, wenn ich noch einmal Alkohol trinken würde. Haschisch schien er nicht zu kennen. Mir war es recht. Je schneller ich aus dem Gefängnis kam, desto besser.
Drei Tage später bekam ich den heiß ersehnten Gehgips. Endlich durfte ich aufstehen. Am liebsten wäre ich geradewegs zum Ausgang hinausspaziert. Die Besuche meiner Freunde wurden seltener. Jerry war entlassen worden und auch draußen schien sich einiges getan zu haben.
Armin war von zuhause ausgezogen. Er wohnte jetzt in einem besetzten Haus. In der Waldorfschule hatte es ein Elterntreffen gegeben. So gut wie alle Eltern aus unserem Freundeskreis waren eingeladen worden. Man hatte ihnen gesagt, was bei uns im letzten Jahr abgegangen war. Ficken, Partys, Alkohol, Drogen. Einige Eltern müssen aus allen Wolken gefallen sein, als sie das erste Mal hörten, was ihre Kinder an den Wochenenden machten.
Das Elterntreffen hatte Konsequenzen. Es gab bei Anna keine Partys mehr. Ich wurde zum Schrecken aller Eltern erwählt. Der, der sich durch seinen Lebenswandel sogar ins Krankenhaus gebracht hatte. So gut wie niemand wollte, oder durfte sich noch mit mir treffen. Ich war durch den S-Bahnunfall bekannt geworden. In Zehlendorf kannte man mich an den Schulen als harter Drogenkonsument, der einen S-Bahnunfall hatte. Ohne es zu wollen, hatte ich Armin seinen Rang abgelaufen.
Freunde, mit denen ich noch vor wenigen Monaten bekifft über der Freiheit des Geistes geredet hatte, ließen sich zuhause einsperren. An den Wochenenden ging fast keiner mehr weg.
Hippies wurden wieder zu normalen Schülern, die keinen Ärger haben wollten. Und kein Ärger bedeutete: Sich mit mir nicht mehr zu treffen. Alles brach zusammen. Gegen Ende der Woche wurde ich entlassen. Ich war wieder frei, doch nichts war mehr so, wie es war.
 



 
Oben Unten