Ausgeschlossen....

Ausgeschlossen....

Wer etwas verschließen will, braucht den dazu passenden Verschluss. Die meisten Verschlüsse wurden der Natur irgendwie nachempfunden, wie etwa Stopfen, Pfropfen, Riegel, ja sogar Reißverschlüsse, Haken und Ösen. Dass letztere Verschlüsse noch bedienungsfreundlicher zu gestalten wären, kann jederman(n) bestätigen, der schon einmal versucht hat, ein begehrtes weibliches Wesen zügig aus allerlei störenden Umhüllungen zu befreien.
Wer etwas besitzt, was ein anderer auch gern besäße, hat das Bestreben, seine Schätze an- oder einzuschließen.
Gold, Silber, Edelsteine oder schöne Frauen sind Dinge, die es zu jeder Zeit vor Räubern und Dieben zu schützen galt. Wie fast immer waren es die Götter, die den Menschen hierbei als Vorbilder dienten: Hephästos, des Olympiers ungeliebter Stiefsohn sah sich genötigt, seine wunderschöne aber treulose Gattin Aphrodite in ein unsichtbares goldenes Netz einzuschließen.
Nicht ganz so kunstvoll, aber vergleichbar in der Wirkung waren jene Gürtel, welche die misstrauischen Grafen und Kreuzritter ihren jungen Gattinnen anzupassen pflegten, bevor sie auszogen, die Muselmanen im heiligen Land zu bekriegen. Fielen die tapferen Helden dort den Streichen eines arabischen Krummschwertes zum Opfer, oder verfingen sie sich gar im Garn einer glutäugigen maurischen Schönheit, sah sich die zurückgebliebene Gattin daheim gezwungen, möglichst bald den heimischen Schlüsseldienst zu rufen. Deren Bereitschaft, ihre Kundschaft jederzeit und möglichst noch unter der Haustür zufrieden zu stellen, nützen die cleveren Mitglieder dieser Branche bis heute, um für ihre Kunst Stundensätze zu heischen, von denen selbst Herzchirurgen nur träumen können.
Auf jeden Topf findet sich ein Deckelchen, und in jedes Schloss passt auch ein Schlüssel, so sind wir es gewohnt. Dabei brauchte es eine lange Entwicklungszeit, bis sich zum ersten Mal ein Schlüssel in einem Schloss drehen ließ. Lange lebten die Menschen vertrauensvoll in Zelten und Hütten zusammen. Was Mein ist, hieß es, das ist auch Dein! Der Bedarf an Schlössern und Schlüsseln kam erst auf, als sich führende Mitmenschen vom gewöhnlichen Volk absonderten und sich auf Bergen und Hügeln steinerne Häuser mit Türen und Toren errichten ließen.
Schloss ist aber nicht gleich Schloss! Zwar passt in jedes Schloss ein Schlüssel, allerdingt nicht zu jeder Zeit: Wer je nach einer feuchtfröhlich verbrachten Nacht versucht hat, seinen richtigen Haustürschlüssel in das umherschwankende heimische Haustürschloss zu jonglieren, der kann von einem bösen Schlüsselerlebnis erzählen. Er blieb ausgeschlossen von Heim und Bett, obwohl er dessen dringend bedurft hätte. Ausgeschlossen bleibt auch, wer seinen Schlüsselbund verlegt oder verloren hat. Es wäre völlig sinnlos, im Garten vorsorglich für solche Fälle Schlüsselblumen einzupflanzen: Im Gegensatz etwa zu Mohn- oder Kastanienblüten, deren Früchte ihrer Blüte später einmal Ehre machen, entstehen aus Schlüsselblumen so wenig neue Schlüssel, wie Schlüsselkinder je einem Schlüsselbund entsprossen wären.
Wer ein richtiges Schloss erwerben will, etwa mit Blick auf einen See oder in unverbaubarer Alpenlage, der wende sich vertrauensvoll an einen Immobilien-Makler in Monaco oder am Genfer See.
Mein einziger einst wohlhabender Freund Rudolf hat sich ein solches Schloss gekauft. Ein richtiges Schloss in den neuen Bundesländern!
Jetzt ist er pleite; mein Freund, nicht der Makler! Dafür besitzt Rudolf jetzt ein Schloss mit mindestens, wenn nicht noch mehr Räumen, mit einer kleinen Küche und einem mäßig funktionierenden Bad. Das Schloss ist so historisch, dass er jedes Mal einen Antrag mit vielen Durchschlägen an das zuständige Denkmalamt einreichen muss, wenn er einen Wasserhahn abdichten will. Und seine Wasserhähne tropfen immer.
Die Räume befinden sich in einem jämmerlichen Zustand. Drei davon hängen voll mit den Bildern der Ahnengalerie seiner Schloss-Vor-Vorbesitzer, alle in Öl gemalt. Es ist ewig schade für das verschwendete Öl! Rudolf bräuchte dringend jede Menge antiker Möbel und Kunstgegenstände, damit er westlichen Besuchern sein Schloss vorführen könnte. Von ihren Eintrittsgeldern könnte er seinen Bau sanieren. Ein wohlmeinender Sachverständiger hat ihm empfohlen, in Zeitungsanzeigen die Ahnengalerie als Gruselkabinett bekannt zu machen.
Sein Schloss war einst der Stammsitz des ehrenwerten Raubrittergeschlechtes Klauen zu Klauenstein. Selbst auf Leinwand gebannt, können sie das Mausen nicht lassen! Als er mir die drei Räume mit ihren Bildern ersmals zeigen wollte, war ich so leichsinnig, meine Geldbörse in der Gesäßtasche meiner Hose stecken zu lassen. Rudolf hatte Tränen in den Augen, als ich ihm nachher den Verlust meldete. Unzählige Geldbörsen musste er schon ersetzen. Rudolf wird diese Bande nie mehr los, sie wird ihn vollends ruinieren!
Dabei hatte er es sich so gut ausgedacht: Er wollte mir das Schloss zum nächstbesten Geburtstag schenken. Aber ich hätte dankend abgelehnt. Die fünf Schlösser, die ich besitze, stammen aus dem Baumarkt um die Ecke. Ich hätte eigentlich nur zwei gebraucht. Eins am Fahrradschuppen und eines an der Tür zu meinem Weinkeller mit den guten badischen Tropfen. Da aber besagter Baumarkt kürzlich ein Sortiment, zu fünf Stück, erstklassiger Marken-Vorhängeschlösser zum Spottpreis von neunundneunzig Cent im Angebot hatte, konnte ich nicht widerstehen. Man weiß nie, was noch kommt!
Auch mein ehemals wohlhabender Freund Rudolf hätte besser getan, ein solches Sonderangebot abzuwarten.
 
B

Bruno Bansen

Gast
Schlüssel..

Hi Bernhard,

Macht wieder mal richtig Spaß, eine von Deinen Geschichten zu lesen - so, wie immer! Nur die Sache mit Hephaistos - der hat Aphodite eigentlich mit dem Netz gefangen, nach der Ares-Affäre, nicht in erster Linie, um sie, bzw. eher sich vor weiterem Hörner-aufgesetzt-zubekommen zu beschützen, sondern, er fing sie mit selbigem ein und stellte sie dann dem Gelächter sämtlicher Olympier aus. Aber dieses ist eher im Leben dieses von Zeus und Hera stammenden, verkrüppelten Sohnes eine Marginalie, wobei man Aphrodite dahingehend in Schutz nehmen muß, als daß eben dieser Hephaistos außer den legitimen Nachkommen, die sie zusammen hatten, er eine ganze Reihe von Wechselbälgern mit Hilfe zahlreicher Geliebter auf die Beine gestellt hat...

Dieses nur zur Ehrenrettung der Aphrodite!!!

Mit augenzwinkernden Grüßen!

Bruno
 
B

Bruno Bansen

Gast
Fünfzehn Minuten

Hi, ich nochmal, mich hat leider diese dösige 15-Minuten-Regelung voll erwischt, sodaß nur eine unkorrigierte undmodifizierte Version meines Kommentares erschienen ist.
Sorry! Grüße Bruno
 
Ausgeschlossen

Danke Bruno,
für Dein fast überschwengliches Lob. Die Geschichte mit dem armen Hephästos kenne ich zwar auch, habe mich aber entschlossen, meine dichterische Freiheit bis zur Toleranzgrenze auszuschöpfen. Die hellenischen Götter nahmen es mit der Wahrheit auch nicht allzu genau.
-Bernhard-
 



 
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