Ausgetrickst

Ausgetrickst
von Märchentante

„Stell dir vor“, sagte Sam Mojito, Chef eines großen Bankhauses und lehnte sich an den Tresen der Cocktailbar. „Letztes Wochenende hat mich im Training doch tatsächlich eine Frau so was von geschlagen, dass es fast unglaublich war. Richtig nass gemacht hat sie mich.“
„Ach ja?“, fragte Tom Collins. Gelangweilt griff er nach seinem Glas Caipirinha und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Ihn ödeten die ewigen Erzählungen seines Freundes über das Tischtennistraining an. Dieser Sport interessierte ihn nun überhaupt nicht. Er bevorzugte sein regelmäßiges Golfspiel, was auch schon rein äußerlich besser zu ihm passte. „Und wer ist die Dame?“, fragte Collins dennoch, um den Schein zu wahren. „Na, weiß ich nicht“, grübelte der Banker, „sie ist erst seit kurzem in unserem Verein. Schruppt einen nach dem anderen ab und wird eine richtig ernstzunehmende Gefahr für den Titelkampf nächste Woche, bei dem sie meine Gegnerin ist. Dabei habe ich den Sieg schon in meiner Tasche gesehen. Ich weiß von ihr eigentlich nur, dass sie hart trainiert und eine Deutschrussin mit Namen Ludmilla Wodka ist, geboren in Tallin.“

Tom Collins riss die Augen auf und prustete los: „Mensch, die Wodka ist meine Putzfrau. Ich wusste gar nicht, dass die Tischtennis spielt, und dann auch noch in deinem Verein.“ Vor Vergnügen schlug er sich auf die Schenkel. „Wenn das meine Frau erfährt, haut es sie glatt um. Bestell dir noch einen Drink auf meine Rechnung, bin gleich wieder da.“
Ziemlich blöde glotzend starrte der Big Boss hinter ihm her. „Na, so was Peinliches“, dachte er, „da wird man doch glatt von einem russischen Putzteufel vom Platz gefegt. Soweit ist es schon gekommen! Wenn die nächste Woche auch so gut drauf ist…“ Mojito mochte den Gedanken nicht zu Ende spinnen. In seiner maßlosen Eitelkeit war er es gewohnt, zu gewinnen, selbst wenn er unlautere Mittel dafür einsetzen musste. Das war nicht nur im Geschäft so, sondern auch in seinem Privatleben. Notfalls ging er über Leichen. Und gerade diese Meisterschaft bedeutete ihm sehr viel. Der Sieg würde ihm auf dem Weg nach ganz oben Tür und Tor öffnen. Niemand sollte ihm ungestraft dazwischen funken. Bei dieser Kleinen musste er sich daher wohl etwas einfallen lassen.

Beim letzten Training vor der Meisterschaft beobachtete er sie sehr genau. Das Mädel schien verdammt fit zu sein. Mit Feuereifer tobte sie regelrecht am Tischtennistisch herum und klatschte lachend jedes Mal den Schläger auf die Platte, wenn sie wieder einen Gegner bezwungen hatte. Und sie bezwang alle! „Donnerwetter, was für eine Frau“, dachte Sam Mojito missgünstig und prüfte dennoch anerkennend ihre sympathische Erscheinung. Bei näherem Hinsehen stellte er sogar fest, dass sie durchaus ihre Reize hatte. Die schlanken Schenkel, der pralle Po, der sich unter dem kurzen Höschen deutlich abzeichnete, die kecke Kurzfrisur und die lachenden, dunklen Augen in dem für Russen typischen, etwas breiten Gesicht. „Hey, Mädel“, dachte er bei sich, „du wärst sicher eine Sünde wert.“ Gleichzeitig jedoch bastelte er an einem hinterhältigen Plan.

„Hallo, Sam“, rief sie und winkte zu ihm herüber, als sie seine Blicke spürte. „Hallo“, grüßte Sam zurück, „auf Long Island hat eine neue Cocktailbar aufgemacht, wollen wir dort nachher gemeinsam etwas trinken? Die mixen einen wunderbaren Daiquiri.“ „Sehr gerne, warum nicht?“, meinte Ludmila, „Hab heute Abend eh noch nichts vor.“ Zwei Stunden später betraten sie das Lokal „Planters Punch“. Ludmila nahm ihre Sonnenbrille ab und hievte sich gekonnt auf einen der Barhocker. Fasziniert starrte Sam Mojito auf ihre langen gebräunten Beine. Er schluckte schwer. So wie es aussah, trug sie unter dem winzigen Etwas von Rock nur ihre nackte Haut spazieren! Mühsam rief er sich zur Ruhe, winkte der Bedienung und sagte: „Mai Tai, zwei Daiquiri bitte.“ „Mist“, dachte er dabei bedauernd, „ich muss einen klaren Kopf behalten. Schade, dass sie mir in die Quere kommt, denn mit der könnte ich was anfangen.“
Ein paar Drinks später tanzten sie beide eng umschlungen zu der romantischen Musik von Ice Crasher. „Bitte entschuldige mich kurz“, meinte Ludmilla wenig später erhitzt, zum Du übergehend. Ihre grünen Augen funkelten ihn an. „Ich mache mich etwas frisch, von wegen Näschen pudern und so.“
„Kann ich nicht mitkommen und dein Puderdöschen halten?“, fragte Sam heiser. Doch Ludmila lachte nur. Als sie sich entfernte, schüttete er mit zittrigen Händen ein weißes Pulver in ihren Drink und murmelte: „Schade um das schöne Kind.“
Als Ludmilla zurückkehrte, küsste er galant ihre Hand und sagte schmeichelnd: „Du duftest wie eine Blume, meine Liebe.“
„Das muss meine neue Handcreme sein“, bemerkte sie lachend, leider ist sie etwas flutschig, man sollte keine Sonderangebote kaufen.“ Als sie nach ihrem Glas griff, rutschte es tatsächlich aus ihren Fingern und zerschellte auf dem Marmorboden. Entsetzt sah der Bankchef auf den kleinen Scherbenhaufen. Das war‘s dann wohl!
„Oh, Sam“, bitte entschuldige“, hauchte Miss Wodka honigsüß, „siehst du, die Creme ist wirklich flutschig.“
Apathisch saß Mojito auf seinem Barhocker und stierte vor sich hin. Was nun? Er würde sich bis zur nächsten Woche etwas Neues einfallen lassen müssen.
„Komm, Sam“, säuselte Ludmilla, „bringst du mich nach Hause? Es ist spät geworden und ich muss morgen beizeiten aus den Federn. Wie wär`s noch kurz bei mir mit einer grünen Mama?“ Weich schmiegte sich ihr kurvenreicher Körper an ihn. Der Banker starrte sie an: „Bitte wie? Ich verstehe nicht ganz. Ich dachte du und ich, äh, ich und du, du weißt schon. Wieso soll ich bei dir mit einer Grünen, und dann noch mit einer Mama…?“
Die Schöne lachte gurrend, was ihm noch mehr die Sinne vernebelte. „Ach, du bist süß“, schmeichelte sie, „das ist doch ein neuer Drink. Hast du noch nichts von ihm gehört? Lass uns gehen, mein Lieber.“

In ihrem Apartment fielen beide wie wild übereinander her. Erschöpft lag Sam nachher auf dem zerfledderten Bett und nahm den Drink entgegen, den Ludmilla ihm reichte. „Die Garnitur bekommst du zuerst“, hauchte sie und schob die süße Frucht zwischen ihre vollen Lippen, „es ist Erdbeerzeit, mein Bester.“
„Was diese phantastische Frau sich so alles einfallen lässt“, dachte Sam wohlig erschauernd, stellte das Glas auf dem Nachttisch ab und öffnete den Mund. Als ihre Lippen sich berührten, hielt Ludmilla seinen Kopf fest in beiden Händen und pustete die Beere mit brutaler Wucht tief in seine Luftröhre. Ungläubig riss er die Augen auf und fiel nach Atem ringend aus dem Bett. Ungerührt ging die Frau zum Telefon und rief den Arzt.

Als Sam Mojito mitten in der Nacht in Ludmilla Wodkas Apartment vom Notarzt untersucht wurde, konnte dieser nur noch dessen Tod feststellen. „Mausetod“, meinte Gino Fiz trocken, „sehr merkwürdig. Ich werde die Polizei rufen müssen.“ Prüfend sah er sich im Zimmer um. Nun ja, der Tote war nicht mehr der allerjüngste, und die Situation eindeutig. Vielleicht hatte er sich bei dieser Biene hier ein wenig übernommen. Sein Blick glitt von dem nackten Körper des Toten hinüber zu dessen verführerischer Gespielin, die, in ein hauchzartes Negligé gehüllt, scheinbar aufgelöst hauchte: „Wie furchtbar, wir hatten einen so schönen Abend und da fällt er einfach um und…“ Aufschluchzend nestelte sie an einem Taschentuch herum.

Kurze Zeit später betrat Kommissar Peter Soda, vollkommen unausgeschlafen, die Wohnung.
„Dies ist mein Assistent Richard Campari“, stellte er seinen Begleiter vor, dessen Blick sofort an den beiden Drinks hängen blieb, die neben dem Bett standen. Mit einer Kopfbewegung machte er seinen Chef auf die gefüllten Gläser aufmerksam. Als der Beamte fragend zu Ludmilla schaute, seufzte sie: „Tja, Herr Kommissar, es ging so schnell, noch ehe wir ein Schlückchen trinken konnten.“
„Was ist denn da so alles drin?“, fragte Peter Soda neugierig und nahm eines der Gläser in die Hand.
„Grüne Mama, nennt sich dieser Drink“, meinte Ludmilla, „das Rezept habe ich letzte Woche von einer Freundin bekommen. Hier ist es, wenn sie Wert darauf legen.“
Assistent Campari nahm das Blatt entgegen und reichte es an seinen Vorgesetzten weiter.
„Hm“, meinte der Kommissar, „scheint so, als hätte der Tote tatsächlich noch nicht einmal daran genippt. Doch wo ist die Erdbeere?“
„Ich hatte leider keine mehr im Haus“, sagte Ludmilla, jetzt lauernd. Die würden ihr doch wohl nicht auf die Schliche kommen. Nein, unmöglich, darauf kommt niemand so schnell. Auf diese Art und Weise ist bisher ja nur einer aus dem Weg geräumt worden.

Drei Tage später fand die pompöse Beerdigung statt. Ludmilla Wodka stand, ganz in schwarz gekleidet und tief verschleiert, am offenen Grab. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, du hinterlistiger Hund, was?“, dachte sie verstohlen grinsend. „Ich nehme schwer an, dass auch du eine Überraschung für mich parat hattest. Wurdest ja ganz schön blass, als das Cocktailglas auf dem Boden zerschellte. Was da wohl drin war? Ja, ja, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, das sagte schon Pina Colada, oder war’s… Ach, egal! Jedenfalls macht mir diese Tischtennis-Meisterschaft niemand mehr streitig, niemand, ich werde die unumstrittene Tischtenniskönigin sein.“

Als Ludmilla Wodka am Wochenende den Titel gewann, lud sie alle ihre Freunde zum Feiern in die Bar „Planters Punch“ ein. „Na, meine Liebe, wie war die „Grüne Mama“?, fragte ihre Freundin Margarita, deren Ehemann erst kürzlich eines plötzlichen Todes gestorben war, mit einem Augenzwinkern. „Oh“, antwortete Ludmilla, „ich fand ihn atemberaubend, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Kichernd hakte sie sich bei der Freundin unter und schlenderte mir ihr hinüber zur Theke.
 



 
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