Austand der Legomännchen

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Katjuscha

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Aufruhr im Kinderzimmer

Puh, war das heute ein anstrengender Tag! Der Handballtrainer hatte sie wieder ganz schön durch die Halle gescheucht. Erschöpft schleudert Steffen seine Sporttasche in die Ecke. „Aua!“ Was war das? Hatte die Sporttasche eben „Aua“ gesagt? Ach nein, das ist bestimmt nur die Müdigkeit. Da ruft Mutti auch schon zum Abendbrot. Steffen hat einen Bärenhunger, obwohl er so müde ist.
Eine Stunde später schleppt er sich ins Badezimmer, um danach todmüde ins Bett zu fallen. Doch was ist das? Als er seine Jeans auf den Teppich wirft, hört er wieder dieses „Aua“. Vernahm er vor Müdigkeit schon Stimmen? Naja, eine Mütze voll Schlaf kann da wohl nicht schaden, denkt er sich, und steigt in sein Hochbett. Fast sofort schläft er ein. Er träumt von einem Handballturnier, in dem er drei Tore wirft. Gerade als ihn seine Mannschaft wild umjubelt, wird er durch leises Getuschel in seinem Zimmer wach. Wer ist da mitten in der Nacht in sein Zimmer geschlichen? Steffen liegt ganz still unter der Bettdecke. „Es ist doch unerhört, heute hat er mich fast mit seiner Sporttasche erschlagen.“ „Und ich bin fast unter seiner Jeans erstickt.“ Vorsichtig lugt Steffen über seinen Bettrand. Das muss einfach ein Traum sein ... da stehen doch tatsächlich einige seiner Legomännchen neben dem Bücherregal und unterhalten sich. „Auf unserer Stadt liegt auch schon seit zwei Wochen der Fußball, mit dem er ein Haus zerschossen hat.“ Steffen sieht auf seine selbstgebaute Legostadt. Was er dort sieht, verschlägt ihm fast den Atem. Alle Lämpchen sind hell erleuchtet, Legoautos fahren die Straßen entlang, die kleine Eisenbahn hält gerade an einem der beiden Bahnhöfe. Einige Legomännchen steigen geschöftig ein und aus. Der Polizeihubschauber kreist über der Ministadt. Und mitten in diesem ganzen Treiben liegt sein Fußball, den er zum Geburtstag bekommen hat. Vor zwei Wochen hat er ihn aus Versehen auf seine Legostadt geschossen und vergessen, diese wieder aufzubauen. „Am schlimmsten ist aber, dass einer der Feuerwehrmänner schon seit Wochen hinter dem Schrank liegt und nicht mehr hervorkommen kann, weil ihm seine Beine abgebrochen sind. Wir können ihm auch nicht helfen, weil die Lücke hinter dem Schrank zu schmal für uns ist.“ „Außerdem liegen die ganzen Legosteine verstreut im Zimmer herum, so dass wir gar kein Baumaterial mehr haben.“
Steffen kneift sich in seinen linken Arm, um herauszufinden, ob das hier ein Traum ist oder nicht. „Aua!“ Es tut ziemlich weh. Das ist hier also alles Wirklichkeit. „He ihr da unten,“ sagt er zu den kleinen Kerlen auf der Erde, „es tut mir leid, dass ich so unachtsam in letzter Zeit zu euch war.“ Erschreckt starren die Spielzeugmenschlein zu Steffen hinauf. „Echt, ich möchte alles wieder gut machen,“ sagt er, knipst sein Nachtlicht an und steigt aus seinem Bett heraus. Ängstlich flitzen die Legofiguren in ihre Häuser. „Ihr braucht doch keine Angst vor mir zu haben. Ich möchte euch nur helfen.“ Vorsichtig nimmt er seinen Fußball und legt ihn in seine Spielzeugkiste. Danach baut er das zerstörte Haus wieder auf. Da lugen die Legomenschen vorsichtig aus ihren Verstecken hervor. „Bitte seid mir nicht böse, dass ich euch so vernachlässigt habe,“ entschuldigt er sich bei den kleinen Gestalten. „Wir hätten es ja auch allein wieder aufbauen können,“ sagt ein Bauarbeiter, „aber dein Ball war viel zu schwer für uns.“ Schuldbewusst senkt der Junge seinen Kopf. „Ich hole jetzt den Feuerwehrmann hinter dem Schrank hervor und stecke seine Beine wieder an.“ Er setzt den kleinen Mann zu seinen Kameraden und beginnt die verstreuten Legosteine einzusammeln. „Ich verspreche euch, dass ich jetzt sorgsamer mit euch umgehe. Ich wusste ja nicht, dass ihr wirklich lebt,“ spricht er zu den kleinen Personen. „Ich wollte euch schon immer mal einen neuen Bahnhof bauen. Das werde ich morgen nach der Schule bestimmt machen, versprochen.“ Da geht plötzlich die Zimmertür auf. Blitzschnell verschwinden die Legomännchen in ihren Häusern und alle Lichter verlöschen. „Was machst du denn hier? Du kannst doch nicht mitten in der Nacht aufräumen,“ fragt die Mutter entsetzt. „Ich ... ich dachte, weil es doch so unordentlich aussieht,“ stammelt Steffen verlegen. „Das kannst du auch noch morgen machen. Schlaf jetzt!“ Sie wartet bis der Junge wieder in seinem Bett liegt und gibt ihm einen Gutenachtkuss. „Du machst vielleicht Sachen.“ Lachend verlässt sie das Zimmer.
Als die Mutter wieder draußen ist, beugt er sich noch einmal nach unten zu seiner Legostadt. „Gute Nacht!“ „Gute Nacht und vielen Dank,“ kommt als Antwort. Beruhigt schläft Steffen wieder ein. Das wird ihm keiner in der Schule glauben, was er da eben erlebt hatte.
Am nächsten Morgen fällt sein erster Blick auf die Legostadt. Alles liegt still und friedlich da. Doch was ist das? Der alte Bahnhof ist völlig neu gebaut und viel schöner als vorher. War es also wirklich kein Traum gewesen. Im ganzen Zimmer liegt kein einziger Legostein mehr herum. Alle liegen ordentlich nach Größe geordnet in einer Kiste.
Steffen hält sich an sein Versprechen. Von nun an behandelt er sein Spielzeug viel vorsichtiger. Wer weiß, ob es ihm nicht auch weh tut, wenn er es achtlos in eine Ecke wirft. Und manchmal, wenn er in der Nacht zufällig aufwacht oder nicht einschlafen kann, beobachtet er das Leben in seiner Legostadt und schmiedet Pläne mit den kleinen Plastikmenschen, wie man sie noch verschönern könnte.
Und vielleicht erwischt auch ihr einmal euer Spielzeug und könnt beobachten, was es nachts so treibt – wenn ihr ganz ganz leise seid.
 

Criss Jordan

Mitglied
Hallo Katjuscha!

Wunderschöne Geschichte ist dir da gelungen. Ich verstehe nur nich ganz warum sie AUFSTAND der Legomännchen heisst. Von einem Aufstand ist die gesamte Situation noch meiiiiiiiiiiiiiiilenweit entfernt. hm? Hm!

Criss :D
 

Katjuscha

Mitglied
Hallo Criss,

danke für dein Lob. Habe den Titel verändert. Leider kann ich den in der Liste nicht mehr verändern. Ist "Aufruhr im Kinderzimmer" besser?

Gruß von Katja
 



 
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