Auszug wenn Mutter erzählte Teil 3

anonyma-b

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Wenn Mutter erzählte; Der Russenabend


Mitte Mai 1945 klingelte es abends, ich hoffte schon euer Vater käme zurück, aber als ich öffnete standen zwei Männer vor mir, in Uniform. Zwei Russen:“ Sdrawstwuite, „guten Abends“ sagte der Erste und ich ganz erschreckt:“ Ja, bitte, was wollen sie?“ Der Zweite, in einfacher Uniform, gedrungen von Gestalt knurrte. Wahrscheinlich dessen Bursche mit Gewehr, wohl eine Kalaschnikow um die Schulter. Der Erste, wahrscheinlich Offizier, hochgewachsen, eher eine nordische Erscheinung winkte ab und dann auf deutsch;
„Wir haben; ich habe, ein paar Fragen, auch was ihren Mann betrifft.“

„Ja, aber ich denke er kommt doch wieder frei, die Kinder brauchen doch ihren Vater.“
„Choroscho, ihre Mutter ist ja noch da.“ ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, als wenn er sich auskennen würde. Sein Bursche stieß mich mit seinem Kolben, als er nachdrängte.
Vor lauter Angst, auch um die Kinder, stotterte ich leise:
„Bitte nehmen sie Platz“
Der Größere saß schon in einem Sessel der Clubgarnitur, der andere blieb stramm stehen und musterte mich finster. Der Offizier nestelte an seiner Jackentasche und nahm aus einer Packung eine Zigarette, reichte mir die Schachtel; „ich bin Nichtraucher, Danke.! Und er in einem einwandfreien Deutsch: „Wir“, mit einem kurzen Blick zu seinem Begleiter, „ich bin gekommen, um ein paar Dinge zu klären, was ihrem Mann betrifft.“

Mein Gott, dachte ich, immer noch vor Angst innerlich zitternd, was spricht der gut deutsch und setzte mich ihm gegenüber . auf die Couch.
„Ich denke er kommt frei, man kann ihm doch nichts vorwerfen.“
„Da sind wir gerade dabei, das zu prüfen.“ und seinem Begleiter zum Esstisch weisend zischte er ein „Sest“ zu, und der zog eine „Grimasa“ und er an seiner Machorka, ich stellte einen Aschenbecher hin als er fragte:
„Ihr Vater war doch in der KPD und wurde wohl umgebracht, das haben wir aus den Unterlagen vom Gemeindeamt.“
„Ja, aber wie?“ fragte ich entsetzt.
„Das wird alles noch geklärt!

Am Esstisch rappelte der Russe mit seinem Gewehr, mir wurde Angst und Bange, der Offizier fragte während er seine Zigarette ausdrückte
„haben sie etwas zu trinken?“ und knöpfte dabei sein Revers auf. Ich goss ihm und dem Burschen ein Glas Wasser ein, er schnipste mit den Fingern und sein Adlatus holte eine Flasche Wodka von irgendwo hervor, Sdorówje, ruckzuck war der erste Schluck getan und noch eine Machorka.
„Sie sprechen aber gut deutsch“ um etwas abzulenken, fragte ich vorsichtig und er:
„Habe in Leningrad Germanistik studiert, die Deutschen waren für mich ein Kulturvolk, aber mit ihrem Hitler zur Katastrophe.“

„Es war nicht mein Hitler“ warf ich fast protestierend ein.
„Ja und ihr Mann von Anfang an dabei?“
„Das war für viele junge Leute damals ein Neuanfang, aber ich entschuldige sie nicht, ich habe mich da immer rausgehalten.“
Er deutete auf den Bücherschrank gegenüber.
„Wie ich sehe haben sie die Buddenbrooks da stehen, war Thomas Mann nicht verboten?“
„Da haben wir uns nicht dran gehalten, ob Schiller oder Goethe, alle waren uns lieb, wir schätzen sie.“
Vom Tisch knurrte der Bursche irgendwas von „Nasilno“ und der Offizier, Hauptmann von der Kommandantur, wie es sich dann später rausstellte stand auf, stand wie ein großer Schatten neben der Stehlampe als plötzlich die Wohnzimmertür aufsprang und ihr beiden Jungs auf mich zustürzend: „Mutti, Mutti“, „was ist denn los“? und mich fest umklammernd, „was sind das für Männer“?

Der Bursche lachte auf einmal, klatschte in die Hände, der Hauptmann knöpfte seine Jacke zu winkte dem Waffenträger und sagte: „Entschuldigen sie bitte, wir stören sie nicht weiter mit ihren netten Jungs, die sie beschützen.“
„Do Swidanja, sie hören von uns in den nächsten Tagen“ und zu seinem Begleiter „Dawai, dawai“ und die Wohnungstür knallte zu.

Später wird einer von euch mich fragen:“ Aber Mutti, hattest du nicht in deiner Jugend schon mal einen Russen gekannt“?
„Ja, Ende der 20iger, aber das ist eine andere Geschichte“.
 



 
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