Bäume fällen

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Daunelt

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Bäume fällen


Der Baum muß fort, sagt die Mutter.

Sie steht am Fenster, es ist dunkel in der Küche, die grünen Zweige klatschen im Wind an das Fenster. Der Baum muß fort, sagt die Mutter. Der Vater sitzt am Tisch und schaut in seine Hände. Er hat die Ärmel aufgekrempelt und sagt nichts. Dieser Mann, ruft die Mutter. Die Schwester walzt Plätzchenteig. Ich stehe neben ihr, betrachte erstaunt die kleinen Herzen und Sterne. Es ist zu dunkel, sagt die Mutter, dann lange Zeit nichts mehr. Der Wind schlägt die Zweige an das Fenster. Der Regen färbt den Himmel grau.

Später, beim Abendessen, ist das erste Wort der Mutter an mich: sitz gerade. Ich strecke mich und rutsche gleich darauf hinter das Profil der Schwester. Sitz gerade, sagt die Mutter. Dem Vater knallt sie den Teller wütend hin. Dieser Mann, schimpft sie. Er sitzt den ganzen Tag herum und überlegt, wie er die Welt verbessern kann. Der Vater schiebt das Essen von sich und schaut aus dem Fenster. Die Schwester schneidet das Fleisch für mich klein, die Uhr schlägt acht. Bäume, sagt der Vater in die Stille, Bäume soll man nicht fällen, wenn sie nicht krank sind. Sie brauchen ein ganzes Menschenleben, um zu wachsen. Die Mutter wirft den Löffel hin. Die Schwester schaut mich an und lächelt. Mein Mund ist vom Essen verklebt, sie wischt es fort. Sitz gerade, sagt die Mutter.

Am anderen Morgen ist der Vater wieder mal verschwunden. Er ist im Wald, sagt die Mutter, er betreibt seine Studien. Ich verstehe nicht, was sie meint. Ich suche die Nähe der Schwester, die geduldig mit mir spielt. Die Mutter ist über die Straße zum nächsten Hof gegangen, nach einiger Zeit kommt sie mit zwei Nachbarn zurück. Der Vater ist immer noch im Wald. Der Baum muß fort, sagt die Mutter, bestimmt und ruhig. Die Männer haben Äxte und eine Säge. Ich spiele im Gras unter dem Baum und will nicht gehen. Du bist schon wie dein Vater, sagt die Mutter. Die Schwester hebt mich hoch, trägt mich zum Sandkasten.

Die Männer beginnen zu arbeiten. Die Mutter nickt befriedigt und geht in den Stall. In der Küche backt die Schwester wieder Plätzchen. Grüne Äste schlagen im Wind an das Fenster, die Säge zieht durch das Holz, meine Sandburg wächst. Die Männer verschnaufen, trinken Bier aus Bügelflaschen. Ein Vogel sitzt im Gras, zieht Würmer aus der Erde, seine Augen funkeln. Die Mutter wirkt schlurfend im Stall. Die Arbeit geht weiter, Sägespäne häufen sich, der Baum fällt geräuschvoll auf den Rasen.

Ich komme neugierig näher. Auf dem Stumpf, daß Holz zersplittert, steht ein kleiner See. Es riecht aromatisch nach Harz. Ich beuge mich darüber, mein Spiegelbild steht in der Pfütze. Ich sehe aus wie mein Vater, nur viel jünger. Ein Blatt fällt auf das Wasser, mein Bild zittert und verschwimmt.

Die Männer schwitzen, sie lachen. Ich laufe weinend davon, an der Mutter vorbei, in die Küche. Die Schwester steht da, ich vergrabe meinen Kopf in ihrer Schürze. Mit ihren mehlbestäubten Händen tröstet sie mich. Das kann nur sie.
 

Duisburger

Mitglied
Hallo,

formal stört mich die Darstellung der wörtlichen Rede. Warum nicht nach den Regeln?

Was ist denn nun mit dem Vater? Der Text hat meine Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet und seine mögliche Beziehung zum Baum. Und?
Der Text geht zum Ende hin in eine Richtung, die ich nicht verstehe, nicht nachvollziehen kann.
Der Junge trauert um den Baum. Aber warum?

Es ist eigentlich schade, dass der Text mir so wenig gibt, denn er ist gut geschrieben. Der Stil gefällt mir, da er eine Spannung aufbauen kann. Hier ist das allerdings verschleudert.

lg
Duisburger
 

Daunelt

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Guten Abend,

mit der "unechten" wörtlichen Rede wollte ich versuchen, der Geschichte eine gedrückte, düstere Stimmung zu geben. Ein Versuch, der möglicherweise nicht geklappt hat.

Es ging mir nicht um den Vater und auch nicht um den Baum, sondern allein um den kleinen Jungen, der in dem Spannungsfeld zwischen der resoluten, herrischen Mutter und dem weltfremden, schwachen Vater aufwächst. Keiner von beiden ist für ihn ein Vorbild. Beide denken nur an sich und nehmen ihn kaum wahr. Sein Halt, sein ruhender Pol ist die Schwester, die ihn liebt und behütet. Das er äußerlich seinem Vater ähnelt, erschreckt ihn, wieder ist die Schwester seine Zuflucht, ohne sie ist er allein.

Leider habe ich Probleme, etwas zu schreiben, was mehr als 1-2 Seiten lang ist, deswegen hört die Geschichte (und auch andere) so abrupt auf. Ich versuche, daran zu arbeiten ...

Tschüss

Daunelt
 
N

nobody

Gast
Hallo Daunelt,
die wörtliche Rede "ohne" Anführungszeichen wirkt auf mich tatsächlich eindringlicher als "mit". Und was die Probleme mit längeren Texten angeht: ich finde, dieser dichte Text hier beinhaltet all das, wozu andere fünf Seiten und mehr brauchen.
Allerdings wurde ich durch die Überschrift etwas in die Irre geleitet; der Text erschloss sich mir erst richtig durch deine Erläuterung. Vieleicht könnte man da noch ein wenig daran arbeiten?
Gruß Franz
 



 
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