Ballonfahrt

Über den Wolken
Ein Fahrbericht


Zugegeben, so weit oben waren wir nicht. Aber das hätte uns auch wenig gebracht, denn dann wäre uns die eigentliche Faszination des Ballonfahrens verwährt geblieben. In 400 Metern Höhe schwebten wir über das Spielzeugland, unter uns die akkurat gescheitelten Mecklenburger Äcker, eingebettet in sattes Kieferngrün, über uns der milchige Frühlingshimmel. Weit voraus, dem Untergang nahe, verteilte die Sonne ihre letztes wärmendes Abendrot – auf selber Höhe, so schien es mir, waren wir für einen Augenblick Verwandte.
Wir treffen uns im Dorfkrug, der Ballonführer, ein paar Freunde und ich. Mulmig ist mir, und insgeheim hoffe ich darauf, das Los fiele nicht auf mich. Ich bin kein Spielverderber, schließlich ist meine Anwesenheit Teil einer ungewöhnlichen Geburtstagsüberraschung und das luftige Gefährt kann nur drei Passagiere transportieren. Vielleicht komme ich durch? Mein Streichholz ist ohne Kopf: Ich bin dabei. „Der Mensch sollte nicht fliegen“, maule ich halbherzig und werde sofort zurecht gewiesen: „Wir fliegen ja auch nicht – wir fahren!“ Der Ballonführer lächelt hintergründig. Na, bitte, wir fahren, aber immer noch durch die Luft. Und die hat bekanntlich keine Balken!
Mit einem Kleinbus begeben wir uns zum Flugplatz Lärz. In seinem Schlepptau rumpelt ein mickriger Anhänger. Ich bin skeptisch: „Da ist alles drin?“
Jawohl, es ist alles gut verpackt: Der kräftige Weidenkorb, die Gasflaschen, der Brenner, der Ballon. Sicherheitsgurte? „Brauchen wir nicht!“ Picknickkorb? „Keine Zeit!“ Spucktüten vielleicht? Der Ballonführer lacht: „Wir haben keine Fenster!“
Wir suchen uns eine windgeschützte Stelle für unseren Aufstieg. Die Wetterberatung signalisierte zuvor: „Rascher Anstieg, acht Knoten, sportliche Landung.“ Was Letzteres zu bedeuten hat, erfahren wir später.
Die Vorbereitungen sind langwierig, aber äußerst spannend. Und plötzlich, ohne es zu bemerken, sind wir mittendrin in unserem Abenteuer. Der Ballon steht, bläht sich majestätisch über uns. Wir hasten in den Korb, gehen in die Hocke, wie uns der Ballonführer geraten hat, halten uns an den Seilen fest, achten eigentlich nur darauf, alles richtig zu machen und bemerken gar nicht, dass das Seil unter uns, die Nabelschnur zum sicheren Boden, bereits gekappt worden ist. Wir dürfen aufstehen und sind schockiert. „Wir fliegen!“
„Wir fahren!!“ kommt es mich von allen Seiten an. Ja, ja.
Und dann weiß ich endlich, warum es fahren heißt und nicht fliegen. Wie ein Schiff gleiten wir still und erhaben dahin. Geschwindigkeit und Richtung werden von den Winden bestimmt, die wir mit keinem einzigen Lufthauch spüren. Wir selbst sind der Wind, sind Feuer, Luft und Erde. Unter uns döst das Land im Abendlicht. Alles sieht so friedlich aus. Wir fahren über den Nebelsee und man weiß nicht mehr: Sind es Wolken, die sich dort im silbergrünen Wasser spiegeln oder haben wir das versunkene Rethra entdeckt? Ich blicke zum wolkenlosen Himmel hinauf. ----
Auf diesen Schreck muss ich mir erst einmal eine Zigarette anzünden.
„Tut mir leid“, sagt der Ballonführer streng, „hier ist das Rauchen verboten!“ Unser Ballonführer heißt Rüdiger. 1997 hat er seinen Führerschein im Ballonfahren gemacht. 1.800 Prüfungsfragen musste er beantworten, 60 Theoriestunden bewältigen, mindestens 20 Flüge mit 50 Zwischenlandungen absolvieren. Hier ist einer, der sein Handwerk versteht. Rauchen ist wohl nicht so gut – wir fahren mit flüssigem Propan.
Ab und an lässt der Brenner seinen schnaufenden Feuerstoß los; die Luft im Ballon muss warm gehalten werden. Das markige Geräusch lässt die Kühe unter uns aufhorchen. Muhend traben sie unter uns davon. Hunde bellen, Kinder rufen herauf, ein Bootsmann blinkt uns einen Spiegelgruß. Wir können nicht anlegen, müssen weiter, fort mit dem nimmermüden Wind.
So fahren wir mit gut 18 km/h über die grüne Priegnitz hinweg, über Sewekow und Buchholz, über Seenlandschaft und Waldteppiche, und verringern nach 40-minütiger Fahrt hinter Dranse unsere Höhe. Hier unten ist der Wind wieder da. Wir kehren mit einer beschwingten Landung zur Erde zurück. Es holpert ein bisschen, der Korb setzt grob auf, hebt wieder ab, macht ein, zwei Sätze und – kommt zur Ruhe. Wir hängen irgendwie in den Seilen, krabbeln lachend aus dem Korb und klopfen Rüdiger, unserem Ballonführer, auf die Schulter. Es ginge nicht immer „so sportlich“ zu, versichert er uns, wichtig sei nur stets, sich genau an die Anweisungen des Fahrers zu halten, dann tun auch acht Knoten Wind nichts zur Sache.
Nach geglückter Landung wähnen wir uns in trügerischer Sicherheit, denn das Abenteuer ist noch lange nicht vorbei. Eine weitere Überraschung erwartet uns. Und die hat was mit den vier Elementen der Ballonfahrt zu tun: mit Feuer, Wasser, Erde und – mit Luftschlössern.

An dieser Stelle will ich mich damit begnügen, Ihnen anzuraten, das Geheimnis der sich anschließenden Zeremonie selbst zu ergründen. Sie werden es genießen, das lautlose Schweben, die Leichtigkeit, das Leben. Frieden bis zum Horizont und weiter...
 

Martin

Mitglied
Deine Geschichte gefällt mir wirklich gut. Wenn es nicht so teuer wäre, wäre ich auch schon mal "mitgefahren"...
 



 
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