Bedienung!

3,10 Stern(e) 9 Bewertungen

rogathe

Mitglied
Bedienung!

Service tut gut. Gerne nutze ich den Radiowecker, der mich mit sanften Tönen aus meinen Träumen ins alltägliche Diesseits geleitet, die Kaffeemaschine mit Zeitschaltuhr, die mich pünktlich aus dem morgendlichen Koma mit köstlichem Aroma zum Leben erweckt, das Navigationssystem mit sonorer Sprachfunktion und die altbekannte Fernbedienung fürs TV-Gerät. Ihr gemeinsamer Vorteil ist, dass ich sie nicht erst höflich auffordern muss, ihre Tätigkeiten auszuführen.
Vollkommen anders ist der Umgang mit Servicefachkräften, zum Beispiel in Gasthäusern. Sie muss ich zunächst einmal ansprechen. Stammgäste kennen ihre Namen, was die Sache ungemein erleichtert. Als fremder Gast hingegen taumele ich und falle in ein sprachliches Loch. Ich rettete mich gelegentlich schon mit einem freundlich bis barschen Ausruf „Bedienung“ und fuchtelte dazu mehr oder weniger heftig mit den Armen in der Luft herum, abhängig vom Grad meines Unbehagens. Wie respektlos! Prompt schämte ich mich und suchte nach geeigneten Begriffen am reichhaltigen Büfett der Sprache. Die Ausbeute ist allerdings so mager, dass ich geneigt bin, eine Schlamperei des linguistischen Servicepersonals zu vermuten, unwillig diese Lücke zu füllen. Küche geschlossen.
Zur Verfügung steht „Herr Ober“, was mir widerstrebt, weil ich ja nicht weiß, ob der Oberkellner oder der Hilfskellner vor mir steht, den ich wiederum nicht mit „Herr Unter“ betiteln kann. „Frau Oberin“ käme allenfalls infrage, wenn ich in einer Klosterschänke von der ehrwürdigen Mutter persönlich versorgt würde, ist also unwahrscheinlich. „Fräulein“ ist zum Glück definitiv out, es war besonders peinlich, wenn eine Alte, Faktotum des Hauses, servierte. Herr oder Frau „Servicefachkraft“ ist zwar grundsätzlich korrekt, taugt im Alltag jedoch wenig, da es die Feinmotorik der Zungenmuskulatur eines Gastes insbesondere zu fortgeschrittener Stunde hörbar überfordern kann. Wortschrumpfungen oder andere Verunstaltungen bis zur Unkenntlichkeit sind dann nicht auszuschließen.
Ich plädiere für berufliche Namen im Gastgewerbe, die vom Servicepersonal mit der Arbeitskleidung an- und abzulegen sind, analog „James“ für Butler oder „Heidi“ für deutschsprachige Touristenführerinnen im Ausland. Folgenden Anforderungen müssen sie genügen: Sie sollten einfach auszusprechen sein, auch für Gäste aus Ländern, deren Muttersprache wahlweise vokal- oder konsonantlastig ist. Regionale Besonderheiten sind zu vermeiden: „Zenzi“ stieße an der Waterkant auf lange Gesichter, „Fiete“ riefe in den Alpen Unverständnis hervor. Keinesfalls dürfen sie diskrimierend wirken: „Mobbelsche, noch 'en Äppler“ (hessisch Apfelwein), könnte wohlbeleibte KellnerInnen beleidigen und sie kurzerhand gästespezifisch streiken lassen. In jedem Fall müssen solche Namen Frauen wie Männer gleichermaßen respektieren. Peter und Petra!
Morgen werde ich es in einem fremden Lokal ausprobieren. Irgendwann werden sie es kapieren und reagieren. Und dann werde ich meinen Vorschlag der Gewerkschaft NGG unterbreiten – oder gleich den Sprachkommissaren in Brüssel.
 

rogathe

Mitglied
Bedienung!

Service tut gut. Gerne nutze ich den Radiowecker, der mich mit sanften Tönen aus meinen Träumen ins alltägliche Diesseits geleitet, die Kaffeemaschine mit Zeitschaltuhr, die mich pünktlich aus dem morgendlichen Koma mit köstlichem Aroma zum Leben erweckt, das Navigationssystem mit sonorer Sprachfunktion und die altbekannte Fernbedienung fürs TV-Gerät. Ihr gemeinsamer Vorteil ist, dass ich sie nicht erst höflich auffordern muss, ihre Tätigkeiten auszuführen.
Vollkommen anders ist der Umgang mit Servicefachkräften, zum Beispiel in Gasthäusern. Sie muss ich zunächst einmal ansprechen. Stammgäste kennen ihre Namen, was die Sache ungemein erleichtert. Als fremder Gast hingegen taumele ich und falle in ein sprachliches Loch. Ich rettete mich gelegentlich schon mit einem freundlich bis barschen Ausruf „Bedienung“ und fuchtelte dazu mehr oder weniger heftig mit den Armen in der Luft herum, abhängig vom Grad meines Unbehagens. Wie respektlos! Prompt schämte ich mich und suchte nach geeigneten Begriffen am reichhaltigen Büfett der Sprache. Die Ausbeute ist allerdings so mager, dass ich geneigt bin, eine Schlamperei des linguistischen Servicepersonals zu vermuten, unwillig diese Lücke zu füllen. Küche geschlossen.
Zur Verfügung steht „Herr Ober“, was mir widerstrebt, weil ich ja nicht weiß, ob der Oberkellner oder der Hilfskellner vor mir steht, den ich wiederum nicht mit „Herr Unter“ betiteln kann. „Frau Oberin“ käme allenfalls infrage, wenn ich in einer Klosterschänke von der ehrwürdigen Mutter persönlich versorgt würde, ist also unwahrscheinlich. „Fräulein“ ist zum Glück definitiv out, es war besonders peinlich, wenn eine Alte, Faktotum des Hauses, servierte. Herr oder Frau „Servicefachkraft“ ist zwar grundsätzlich korrekt, taugt im Alltag jedoch wenig, da es die Feinmotorik der Zungenmuskulatur eines Gastes insbesondere zu fortgeschrittener Stunde hörbar überfordern kann. Wortschrumpfungen oder andere Verunstaltungen bis zur Unkenntlichkeit sind dann nicht auszuschließen.
Ich plädiere für berufliche Namen im Gastgewerbe, die vom Servicepersonal mit der Arbeitskleidung an- und abzulegen sind, analog „James“ für Butler oder „Heidi“ für deutschsprachige Touristenführerinnen im Ausland. Folgenden Anforderungen müssen sie genügen: Sie sollten einfach auszusprechen sein, auch für Gäste aus Ländern, deren Muttersprache wahlweise vokal- oder konsonantlastig ist. Regionale Besonderheiten sind zu vermeiden: „Zenzi“ stieße an der Waterkant auf lange Gesichter, „Fiete“ riefe in den Alpen Unverständnis hervor. Keinesfalls dürfen sie diskriminierend wirken: „Mobbelsche, noch 'en Äppler“ (hessisch Apfelwein), könnte wohlbeleibte KellnerInnen beleidigen und sie kurzerhand gästespezifisch streiken lassen. In jedem Fall müssen solche Namen Frauen wie Männer gleichermaßen respektieren. Peter und Petra!
Morgen werde ich es in einem fremden Lokal ausprobieren. Irgendwann werden sie es kapieren und reagieren. Und dann werde ich meinen Vorschlag der Gewerkschaft NGG unterbreiten – oder gleich den Sprachkommissaren in Brüssel.
 
Hallo rogathe,

ich sage nur: Daumen hoch!
Du hast einen Beitrag zu unserer Service Kultur geliefert, der schon lange notwendig war - mit scharfen Augen beobachtet, humorvoll dargestellt, kreativ gelöst. Toll.

Liebe Grüße. Rhondaly.
 



 
Oben Unten