Beelzemertels Entführung

Uschka

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Vorwort:Beelzemertel ist ein rauer Geselle, der ungezogene Kinder in der Weihnachtszeit einfangen und sie eines besserem Belehren soll. Lest selbst was er so dabei erlebt.Es gibt davon 11 Geschichten.Darum ist eine Einleitung angebracht.

Missmutig und mit zornigem Gesicht stampfte er durch den Wald. „Ich bin ein Versager, ein Nichtsnutz. Eine Schande für meinen Clan“, schimpfte er vor sich hin und blickte wild um sich. „Nicht ein einziges Kind habe ich heut gefangen, und das am Heilig Abend!“, motzte er weiter. Schneeflocken hatten sich in seinem langen, wilden und schwarzen Bart verfangen. Man konnte meinen, dass er eigentlich einen weißen hatte. Mit kalten, klammen Fingern schüttelte er mürrisch die kleinen Kristalle heraus und war nun noch mehr wütend auf sich. „Nun ist die Adventszeit herum, und ich habe nicht viele böse Kinder eingefangen!“, brummte er weiter.

Dass er schon eine Weile verfolgt wurde, bemerkte er in seinem Unmut nicht. Nichts nahm er in seiner Umwelt wahr. Jetzt rutschte ihm sogar noch der Schnee in seine Stiefel, weil er eine Schneewehe übersehen hatte. „So was kann nur mir passieren“, heulte er auf. „Jetzt bekomme ich auch noch nasse Füße.“
„Wollen wir jetzt zuschlagen?“, hörte er auf einmal eine Stimme hinter sich flüstern und bevor er sich umschauen konnte, fiel ein dicker schwerer Sack von oben auf ihn herab.
„Wir haben ihn, wir haben ihn“, lachten ein paar Stimmchen, die Beelzemertel aber nicht erkannte. „Was soll der Blödsinn? Nehmt sofort den Sack von mir!“, schrie er erbost auf und drehte sich wild im Kreis. Dass er dabei ein dickes Seil um sich wickelte, bemerkte erst, als es zu spät war. Jetzt hatte er sich durch eigene Dummheit gefesselt. „Nein, dass ausgerechnet mir so etwas passiert“, schimpfte er weiter und stampfte blind im Wald herum. Um sich bemerkte er verhaltenes Gekicher und wurde nur noch wütender.
„Macht mich sofort los, oder es passiert was!“, tobte er weiter und stolperte über eine dicke Wurzel, die er ja nicht hatte sehen können. „Das habt ihr nun davon. Ich kann nicht mehr aufstehen!“, jammerte er „Wartet nur, bis ich wieder frei bin, dann geht es euch aber an den Kragen“, setzte er schnaufend nach und erhob sich mühsam.
„Wenn du dich beruhigt hast, dann werden wir dir helfen“, hörte er ein dünnes Stimmchen sagen.
„Wer bist du, dass du mir Befehle erteilst?“, fragte Beelzemertel erzürnt und stand nun unsicher auf seinen Beinen. Alleine wollte und konnte er nicht mehr weiter gehen. Nicht dass ich mir doch noch die Beine oder was anderes breche-
„Wer seid ihr?“, brüllte er in die Nacht hinein. „Nicht ich, sondern ungezogene Kinder sollten in dem Sack stecken.“
„Nun beruhige dich erst einmal, dann wird alles gut. Komm, lass dich von uns führen“, beruhigte wieder das Stimmchen und griff nach seiner Hand.
Erschrocken fuhr Beelzemertel zurück und schüttelte die Hand weg. „Pfui, igitt, was war das?“, rief er erschrocken auf.
„Nur meine Hand. Gib endlich Ruh, damit wir weiter marschieren können“, belehrte ihn die Stimme wieder. Ergriff erneut seine Hand und zog ihn mit sich weiter. Lautes Schnaufen war zu hören.
„Buh, das ist aber Schwerstarbeit für mich“, hörte er jemanden stöhnen.
„Ist doch nicht meine Schuld, oder? Bindet mich los und nehmt den Sack herunter. Dann seid ihr mich wieder los und ich kann des Weges ziehen“, meckerte Beelzemertel und machte sich nun mit Absicht schwerfälliger, als er in Wirklichkeit war. Schon stolperte er wieder, fing sich dann doch noch schnell selber auf. „Wo wollt ihr überhaupt mit mir hin? Wisst ihr überhaupt, was das für eine Nacht ist heute?“ „Natürlich wissen wir, dass es Heilig Abend ist. Aber was geht es uns an. Du fragst doch auch bei deinen Untaten nicht, was es für ein Tag ist. Und nun sei still und lass dich überraschen“, riefen auf einmal mehrere Stimmen aufgeregt durcheinander.
„So, so, ihr seid mehrere, eine ganze Bande“, stellte Beelzemertel fest. „Seid ihr so feige, dass ihr mich nur gemeinsam überfallen und entführen könnt? Warum lasst ihr mich wie eine blinde Kuh umher latschen?“, belächelte er seine Entführer und ein schäbiges Grinsen überzog sein Gesicht. Ein Glück, dass es niemand sehen konnte, denn dann wären alle davon gerannt.
„Wir sind gleich da“, hörte er wieder ein Flüstern.
„Wo sind wir gleich?“, rief Beelzemertel und blieb stehen.
„Nein, nicht stehen bleiben. Nur noch ein paar Schritte und du wirst von Seil und Sack erlöst“, wurde er aufgeklärt und er raffte sich wieder auf, um die letzten Schritte zu machen.
„Halt und nun bücke dich, damit du dir nicht den Kopf anstößt“, wurde er aufgefordert.
„Sonst noch was?“, fragte Beelzemertel ungezogen und ging erhobenen Hauptes weiter. Und prompt stieß er sich seinen Kopf an. „Au, auweia“, jammerte er und wollte sich an den Kopf fassen, was aber nicht ging, da er ja noch gefesselt war.
„Das hast du nun davon. Wolltest ja nicht auf uns hören“, kicherten die Stimmchen und amüsierten sich köstlich.

Beim zweiten Anlauf bückte sich Beelzemertel ganz brav und war nun in einem Raum. Er schnüffelte mit seiner Nase in der Luft herum. Roch es nicht nach Äpfeln und Nüssen, Gebratenen Maronen? Irgendwo muss auch ein Feuer sein, denn er hörte es knacken und knistern!
„Bitte, bitte, bratet mich nicht! Ich bin ganz zäh, fett und mein Fleisch ist ungenießbar“, jammerte er hilflos herum. „Ich eigne mich nicht für einen Spießbraten“, schob er kleinlaut nach. „Lasst mich gehen, und ich werde euch nichts tun.“
„Hör auf zu jammern. Benimm dich, wir werden die Fesseln lösen und auch den Sack herunter nehmen“, hörte er eine tiefe raue Stimme sagen und er bekam dabei eine Gänsehaut. Er begann zu zittern. Er ahnte schlimmstes.
„Schnell, erlöst ihn und befreit ihn von den Fesseln“, sagte die tiefe Stimme wieder und Beelzemertel spürte, wie an ihm herum gezerrt wurde.

Zuerst blendete ihn das helle Licht in der Hütte und als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, erkannte er das schräge, windschiefe Gebäude wieder. Es war die Hütte für Wanderer, die sich hier bei Unwetter in Sicherheit bringen konnten. Überall strahlten Kerzen, so als wollte jede für sich die hellste sein. In einem alten Kamin züngelten Flammen um dicke Holzscheite, die das Knistern verursacht hatten. Kein Grillrost war zu sehen. Beelzemertel atmete befreit auf. Mit großem Schwung drehte er sich nun um und erstarrte. Was er erblickte, nahm ihm fast die Luft. Feld- und Waldtiere waren vor ihm aufgereiht. Zornig fuhr er die Schar an: „Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ihr wart das? Ihr habt wohl den Verstand verloren, mich einfach so zu überrumpeln“, schrie er übelgelaunt auf. Die meisten Tiere duckten sich erschrocken zusammen. Nur der Wolf, der mit der tiefen Stimme, trotzte ihm.
„Nun halt mal die Klappe. Spiel dich nicht so auf“, erwiderte er stolzen Hauptes.
„Ja, wir haben es nur gut mit dir gemeint“, piepste auch die kleine Schneemaus und stellte sich vor ihm hin.
„Stimmt“, kam es nun wie im Chor von den anderen Tieren.
Beelzemertel kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Seit wann wagten es die Waldtiere, ihm so entgegen zu treten? Als er nach der Schneemaus greifen wollte, huschte sie schnell unter den Holzstapel.
„Jetzt hör aber mal auf und benehme dich“, ermahnte ihn der Wolf und die anderen Tiere nickten stumm dazu.
„Wir haben dich nicht entführt. Wir wollten dir nur eine Überraschung bereiten. Wir wollten nicht, dass du heute Nacht so trostlos und alleine verbringst!“, lispelte der Feldhase und vor lauter Aufregung wackelte sein kleines Stummelschwänzchen hin und her.
„Ja, auch wenn du ein arger Geselle bist, wollten wir dich in der Heiligen Nacht nicht alleine lassen“, piepste die kleine Schneemaus und kam wieder aus ihrem Versteck hervor. „Niemand sollte in so einer Nacht alleine bleiben. Wir wissen doch alle, dass du unten im See alleine in deiner Höhle mit Nimmersatt gewesen wärst.
„In einer ganz kalten“, kicherte der Fuchs und schaute dabei so listig, dass sich der Beelzemertel fragte, ob sie ihn wirklich nur überraschen wollten und ihm wohlgesinnt waren.
„Leg deine schwere Kette und deinen Sack draußen vor die Tür“, meinte der Wolf. „Dann können wir endlich zum gemütlichen Teil übergehen.

Beelzemertel war noch erstaunt. Ihm, dem gefürchteten Beelzemertel, wollten sie eine Freude bereiten? Ja, gab’s denn so was? Schnell entledigte er sich seiner Sachen. Blieb aber doch auf der Hut, denn man konnte ja nie wissen, ob das alles nicht doch eine Falle war.
„Pfui, schäm dich“, hörte er eine zarte Stimme leise wispern und er wusste nicht, ob er es wirklich vernommen hatte. „Alle Tiere von Feld und Wald haben es nur gut mit dir gemeint. Genieße diesen Abend und benimm dich! Sei heute friedlich“, hörte er wieder leise an seinem Ohr flüstern.
Erwartungsvoll schaute ihn die Tierschar an, denn auch sie waren vorsichtig. Beelzemertel war ja als ungehobelter, wilder und unberechenbarer Geselle bekannt.
„Was glotzt ihr so? Ich tue euch nichts. Gibt’s denn auch was zu essen?“, brummte Beelzemertel friedlich herum und setzte sich auf den Holzstapel.
„Aber sicher gibt’s was zum futtern“, lachten die Eichhörnchen und huschten schnell zur Feuerstätte und holten vorsichtig einige Maronen aus dem Feuer.
„Kommt, lasst mich das machen“, meinte Beelzemertel und half den beiden. Auch fischte er die gebratenen Äpfel heraus. „Au, die sind aber heiß“, lachte er dabei. Jetzt entspannten sich auch die anderen Tiere. Schon kullerten auch die Wal- und Haselnüsse aus einer Ecke hervor. Und die Hasen schleppten Rüben in die Hütte und einige legten sie davon ins Feuer. Stumm blickte Beelzemertel um sich. Dabei schlichen ihm ein paar Tränen in die Augen, die er aber sofort wieder verstohlen weg wischte. Waren sie nicht alle so lieb zu ihm, dem rauen Gesellen-
Ihm wurde nun bewusst, dass es der letzte Abend in dieser Saison war. Er durfte jetzt keine ungezogenen, bösen Kinder mehr einfangen. Nein, das war ihm nur vom ersten Dezember bis zum vierundzwanzigsten, also Heilig Abend, erlaubt. Gute elf Monate hatte er nun Urlaub. „Was soll ich nur in dieser Zeit machen?“, überlegte er laut. Erst das Gelächter der Tiere unterbrach seine Gedanken und er wandte sich dem Essen zu. Beelzemertel aß ja lieber was kräftiges, aber er wollte den Tieren das festliche Mahl nicht verderben und griff kräftig zu. Einen Abend werde ich wohl ohne Fleisch auskommen-

Oben auf dem Balken pickten die Vögel in Ruhe ihre Körner und freuten sich über das friedliche Bild. Die Schneemaus kuschelte sich an Beelzemertels Seite und schlief bald satt und zufrieden ein.

Dass wir je so was etwas erleben durften, ist schon was besonderes, meinten alle Tiere und waren sich einig, dass der Beelzemertel eigentlich gar kein so übles Raubein war. Oh, was war das für eine Nacht!

Na, wenn ihr euch da mal nicht irrt, ihr lieben Tierchen. Wartet erst einmal das nächste Jahr ab. Die Nacht verging friedlich und am nächsten Tag zog jeder seines Weges. Beelzemertel bedankte sich noch bei allen und winkte ihnen freundlich zum Abschied zu.
Und er fragte sich, ob er dies alles verdient hatte? Nun ja, ich sammle ja eher freche, ungezogene Kinder als Tiere ein. Vielleicht waren sie deshalb so lieb und nett gewesen-
Dann war auch er verschwunden und war erst wieder in der nächsten Adventszeit zu sehen.
 



 
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