Befremd/ich

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Hannah Rieth

Mitglied
Befremd/ich

Drei Minuten vor dem vereinbarten Termin werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Rückspiegel meines Autos. Ich steige aus, wende mich um und gehe zu dem grauen Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Nach kurzer Suche finde ich den Namen auf dem Klingelschild und betätige den danebenliegenden Knopf. Der Türöffner summt, ich betrete das Haus. Die Wohnung befindet sich in der dritten Etage. Eine Frau um die siebzig steht in der Wohnungstür, lächelnd, etwas unsicher vielleicht. Es scheint, als freue sie sich über meinen Besuch. Eine kurze unangenehme Umarmung lang überlege ich, mich einfach umzudrehen und die erst gerade erklommenen Stufen wieder hinunterzulaufen.

Ich lächle und folge der Frau in den Flur. Sie deutet auf die Garderobe, ich nicke und lege meinen Mantel ab. Dabei fällt mein Blick ins Wohnzimmer. Ein Mann um die siebzig sitzt in einem Sessel und schaut fern. Als sich unsere Blicke treffen, steht er auf und bewegt sich auf mich zu. Ich lächle, etwas unsicher vielleicht. Er reicht mir die Hand. Freundlich. Ich atme aus.

Der Mann redet. Er lobt mein Aussehen, spricht über das Wetter und lädt mich ein, Platz zu nehmen. Der Fernseher läuft. Ich setze mich auf die Kante einer cremefarbenen Couch. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher. Erleichtert greife ich in meine Handtasche und ziehe eine Schachtel Zigaretten hervor. Ich lege sie neben den Aschenbecher. Eine blonde Frau auf dem Bildschirm singt einen Schlager. Ich blicke den Mann an. Er schweigt.

Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Die Frau brät Fleisch. Ich frage, ob ich etwas helfen kann. Die Teller soll ich holen. Ich frage mich, warum man Geschirr auf einen Tisch stellt, wenn man es doch am Herd befüllen will. Ich hole die Teller, stelle sie auf die Arbeitsplatte und gehe zurück ins Wohnzimmer.

Der Mann lächelt mich an. Ich setze mich auf die Couch, greife nach meinen Zigaretten und zünde mir eine an. Ich rauche etwa zehn Züge, bis die Frau aus der Küche ruft, dass das Essen fertig sei. Ich drücke die Zigarette aus und stehe auf.
Der Mann erhebt sich ebenfalls, geht zum Esstisch, zündet eine Kerze an und schenkt Wein ein. Dann bewegt er sich in die Küche. Ich folge ihm, greife nach den Tellern und reiche der Frau einen nach dem anderen.

Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch im Wohnzimmer und widmen uns dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt mir zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. Ich bin nicht ihrer Meinung. Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. Ich kenne sie nicht. Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. Ich blicke ihn verständnislos an. Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. Ich zucke zusammen. Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. Nein, sage ich. Nein.

Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Eine Frau um die vierzig bedankt sich und spricht von Terminen. Sie erhebt sich, verlässt das Wohnzimmer, nimmt ihren Mantel von der Garderobe und zieht ihn an. Sie verabschiedet sich, zwei kurze Umarmungen.

Eine Frau um die vierzig geht.
 

Hannah Rieth

Mitglied
Befremd/ich

Drei Minuten vor dem vereinbarten Termin werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Rückspiegel meines Autos. Ich steige aus, wende mich um und gehe zu dem grauen Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Nach kurzer Suche finde ich den Namen auf dem Klingelschild und betätige den danebenliegenden Knopf. Der Türöffner summt, ich betrete das Haus. Die Wohnung befindet sich in der dritten Etage. Eine Frau um die siebzig steht in der Wohnungstür, lächelnd, etwas unsicher vielleicht. Es scheint, als freue sie sich über meinen Besuch. Eine kurze unangenehme Umarmung lang überlege ich, mich einfach umzudrehen und die erst gerade erklommenen Stufen wieder hinunterzulaufen.

Ich lächle und folge der Frau in den Flur. Sie deutet auf die Garderobe, ich nicke und lege meinen Mantel ab. Dabei fällt mein Blick ins Wohnzimmer. Ein Mann um die siebzig sitzt in einem Sessel und schaut fern. Als sich unsere Blicke treffen, steht er auf und bewegt sich auf mich zu. Ich lächle, etwas unsicher vielleicht. Er reicht mir die Hand. Freundlich. Ich atme aus.

Der Mann redet. Er lobt mein Aussehen, spricht über das Wetter und lädt mich ein, Platz zu nehmen. Der Fernseher läuft. Ich setze mich auf die Kante einer cremefarbenen Couch. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher. Erleichtert greife ich in meine Handtasche und ziehe eine Schachtel Zigaretten hervor. Ich lege sie neben den Aschenbecher. Eine blonde Frau auf dem Bildschirm singt einen Schlager. Ich blicke den Mann an. Er schweigt.

Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Die Frau brät Fleisch. Ich frage, ob ich etwas helfen kann. Die Teller soll ich vom Esstisch im Wohnzimmer holen. Ich frage mich, warum man Geschirr auf einen Tisch stellt, wenn man es doch am Herd befüllen will. Ich hole die Teller, stelle sie auf die Arbeitsplatte und gehe zurück ins Wohnzimmer.

Der Mann lächelt mich an. Ich setze mich auf die Couch, greife nach meinen Zigaretten und zünde mir eine an. Ich rauche etwa zehn Züge, bis die Frau aus der Küche ruft, dass das Essen fertig sei. Ich drücke die Zigarette aus und stehe auf.
Der Mann erhebt sich ebenfalls, geht zum Esstisch, zündet eine Kerze an und schenkt Wein ein. Dann bewegt er sich in die Küche. Ich folge ihm, greife nach den Tellern und reiche der Frau einen nach dem anderen.

Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch im Wohnzimmer und widmen uns dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt mir zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. Ich bin nicht ihrer Meinung. Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. Ich kenne sie nicht. Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. Ich blicke ihn verständnislos an. Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. Ich zucke zusammen. Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. Nein, sage ich. Nein.

Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Eine Frau um die vierzig bedankt sich und spricht von Terminen. Sie erhebt sich, verlässt das Wohnzimmer, nimmt ihren Mantel von der Garderobe und zieht ihn an. Sie verabschiedet sich, zwei kurze Umarmungen.

Eine Frau um die vierzig geht.
 

Hannah Rieth

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Befremd/ich

Drei Minuten vor dem vereinbarten Termin werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Rückspiegel meines Autos. Dann steige ich aus, wende mich um und gehe zu dem grauen Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Nach kurzer Suche finde ich den Namen auf dem Klingelschild und betätige den danebenliegenden Knopf. Der Türöffner summt, ich betrete das Haus. Die Wohnung befindet sich in der dritten Etage. Eine Frau um die siebzig steht in der Wohnungstür, lächelnd, etwas unsicher vielleicht. Es scheint, als freue sie sich über meinen Besuch. Eine kurze unangenehme Umarmung lang überlege ich, mich einfach umzudrehen und die erst gerade erklommenen Stufen wieder hinunterzulaufen.

Ich lächle und folge der Frau in den Flur. Sie deutet auf die Garderobe, ich nicke und lege meinen Mantel ab. Dabei fällt mein Blick ins Wohnzimmer. Ein Mann um die siebzig sitzt in einem Sessel und schaut fern. Als sich unsere Blicke treffen, steht er auf und bewegt sich auf mich zu. Ich lächle, etwas unsicher vielleicht. Er reicht mir die Hand. Freundlich. Ich atme aus.

Der Mann redet. Er lobt mein Aussehen, spricht über das Wetter und lädt mich ein, Platz zu nehmen. Der Fernseher läuft. Ich setze mich auf die Kante einer cremefarbenen Couch. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher. Erleichtert greife ich in meine Handtasche und ziehe eine Schachtel Zigaretten hervor. Ich lege sie neben den Aschenbecher. Eine blonde Frau auf dem Bildschirm singt einen Schlager. Ich blicke den Mann an. Er schweigt.

Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Die Frau brät Fleisch. Ich frage, ob ich etwas helfen kann. Die Teller soll ich vom Esstisch im Wohnzimmer holen. Ich frage mich, warum man Geschirr auf einen Tisch stellt, wenn man es doch am Herd befüllen will. Ich hole die Teller, stelle sie auf die Arbeitsplatte und gehe zurück ins Wohnzimmer.

Der Mann lächelt mich an. Ich setze mich auf die Couch, greife nach meinen Zigaretten und zünde mir eine an. Ich rauche etwa zehn Züge, bis die Frau aus der Küche ruft, dass das Essen fertig sei. Ich drücke die Zigarette aus und stehe auf.
Der Mann erhebt sich ebenfalls, geht zum Esstisch, zündet eine Kerze an und schenkt Wein ein. Dann bewegt er sich in die Küche. Ich folge ihm, greife nach den Tellern und reiche der Frau einen nach dem anderen.

Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch im Wohnzimmer und widmen uns dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt mir zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. Ich bin nicht ihrer Meinung. Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. Ich kenne sie nicht. Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. Ich blicke ihn verständnislos an. Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. Ich zucke zusammen. Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. Nein, sage ich. Nein.

Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Eine Frau um die vierzig bedankt sich und spricht von Terminen. Sie erhebt sich, verlässt das Wohnzimmer, nimmt ihren Mantel von der Garderobe und zieht ihn an. Sie verabschiedet sich, zwei kurze Umarmungen.

Eine Frau um die vierzig geht.
 

Hannah Rieth

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Befremd/ich

Drei Minuten vor dem vereinbarten Termin werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Rückspiegel meines Autos. Dann steige ich aus, wende mich um und gehe zu dem grauen Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Nach kurzer Suche finde ich den Namen auf dem Klingelschild und betätige den danebenliegenden Knopf. Der Türöffner summt, ich betrete das Haus. Die Wohnung befindet sich in der dritten Etage. Eine Frau um die siebzig steht in der Wohnungstür, lächelnd, etwas unsicher vielleicht. Es scheint, als freue sie sich über meinen Besuch. Eine kurze unangenehme Umarmung lang überlege ich, mich einfach umzudrehen und die erst gerade erklommenen Stufen wieder hinunterzulaufen.

Ich lächle und folge der Frau in den Flur. Sie deutet auf die Garderobe, ich nicke und lege meinen Mantel ab. Dabei fällt mein Blick ins Wohnzimmer. Ein Mann um die siebzig sitzt in einem Sessel und schaut fern. Als sich unsere Blicke treffen, steht er auf und bewegt sich auf mich zu. Ich lächle, etwas unsicher vielleicht. Er reicht mir die Hand. Freundlich. Ich atme aus.

Der Mann redet. Er lobt mein Aussehen, spricht über das Wetter und lädt mich ein, Platz zu nehmen. Der Fernseher läuft. Ich setze mich auf die Kante einer cremefarbenen Couch. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher. Erleichtert greife ich in meine Handtasche und ziehe eine Schachtel Zigaretten hervor. Ich lege sie neben den Aschenbecher. Eine blonde Frau auf dem Bildschirm singt einen Schlager. Ich blicke den Mann an. Er schweigt.

Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Die Frau brät Fleisch. Ich frage, ob ich etwas helfen kann. Die Teller soll ich vom Esstisch im Wohnzimmer holen. Ich frage mich, warum man Geschirr auf einen Tisch stellt, wenn man es doch am Herd befüllen will. Ich hole die Teller, stelle sie auf die Arbeitsplatte und gehe zurück ins Wohnzimmer.

Der Mann lächelt mich an. Ich setze mich auf die Couch, greife nach meinen Zigaretten und zünde mir eine an. Ich rauche etwa zehn Züge, bis die Frau aus der Küche ruft, dass das Essen fertig sei. Ich drücke die Zigarette aus und stehe auf.
Der Mann erhebt sich ebenfalls, geht zum Esstisch, zündet eine Kerze an und schenkt Wein ein. Dann bewegt er sich in die Küche. Ich folge ihm, greife nach den Tellern und reiche der Frau einen nach dem anderen.

Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch und widmen uns dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt mir zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. Ich bin nicht ihrer Meinung. Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. Ich kenne sie nicht. Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. Ich blicke ihn verständnislos an. Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. Ich zucke zusammen. Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. Nein, sage ich. Nein.

Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Eine Frau um die vierzig bedankt sich und spricht von Terminen. Sie erhebt sich, verlässt das Wohnzimmer, nimmt ihren Mantel von der Garderobe und zieht ihn an. Sie verabschiedet sich, zwei kurze Umarmungen.

Eine Frau um die vierzig geht.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Hannah,

wenn du dem letzten Absatz die Ich-Perspektive schenken könntest, würde der Text meiner Meinung nach gewinnen:
"Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Ich bedanke mich und spreche von Terminen. Dann verlasse ich das Wohnzimmer, nehme meinen Mantel von der Garderobe und ziehe ihn an. Ich verabschiede mich, zwei kurze Umarmungen."

Grüße von Zeder (die das Szenario kennt ... )
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo Zeder,

vielen Dank für deine Rückmeldung! Warum meinst du, würde der Text durch die Beibehaltung der Ich-Perspektive gewinnen? Stolpert man in der aktuellen Version zu sehr?
Eigentlich würde ich den Wechsel gerne beibehalten. Dadurch, dass sich im letzten Absatz auch das Ich verliert, soll die Entfremdung bzw. die Distanz eigentlich ihren Höhepunkt erreichen. Strenggenommen findet also gar kein Perspektivwechsel statt, sondern eine veränderte Wahrnehmung der Prot von sich selbst.
Was hältst du von dieser Sichtweise?

Viele Grüße

Hannah
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Hannah,

ich sehe in dem Text keine veränderte Sichtweise der Protagonistin von sich selbst, sondern in meinem Vorschlag einfach nur eine bessere Lesart für den Erst/Neuleser deines Textes. Die überraschende Erkenntnis am Schluss "Eine Frau um die vierzig geht" veranlasst den Leser, noch einmal über den Text nachzudenken.

Vielleicht wird meine Einlassung so deutlicher.

Viele Grüße von Zeder
 

dicke Olga

Mitglied
Die Szene ist quälend, dafür aber noch erstaunlich gut lesbar.
Mich stören die - wahrscheinlich bewussten - Wiederholungen.
Eine Frau um die siebzig
Mann um die siebzig
...
Frau... lächelnd, etwas unsicher vielleicht.
Ich lächle, etwas unsicher vielleicht.
...

Meines Erachtens würde eine Sinnwiederholung mit anderen Worten reichen. Man weiß ja längere Zeit nicht, worum es eigentlich geht und somit stößt mir die Wiederholung erst mal auf.

wenn du dem letzten Absatz die Ich-Perspektive schenken könntest, würde der Text meiner Meinung nach gewinnen:
...Ich spürte beim Lesen sofort die Distanz die dadurch verstärkt deutlich wurde.
"Eine Frau um die vierzig geht" veranlasst den Leser, noch einmal über den Text nachzudenken.
... ist doch genau das, was dadurch erreicht werden soll, finde ich.


Im Gesamten hast du die Szene spürbar wieder gegeben. Aber ehrlich gesagt ist der Text, das Gefühl das er verursacht, für mich zu lang.

Der Tiltel ist interessant.
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo Zeder,

"Eine Frau um die vierzig geht" veranlasst den Leser, noch einmal über den Text nachzudenken.
Den Schlusssatz würdest du also stehenlassen? Dann hatte ich dich falsch verstanden ... Ich denke darüber nach!

Hallo Olga,

auch dir vielen Dank für die deine Beschäftigung mit dem Text. Ehrlich gesagt fällt es mir jedoch schwer, auf deinen Kommentar zu antworten ... Ja, die Wiederholungen sind bewusst gesetzt und die Szene sollte auch quälend wirken.
Im Gesamten hast du die Szene spürbar wieder gegeben. Aber ehrlich gesagt ist der Text, das Gefühl das er verursacht, für mich zu lang.
Besonders auf diese Aussage kann ich eigentlich kaum etwas erwidern, denn dieses Empfinden ist subjektiv und damit vollkommen in Ordnung. Ich kann daran aber nur schwer etwas ändern, oder?

Viele Grüße und danke

Hannah
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Hannah,
dein Text hat mich thematisch angesprochen und ich habe ihn gerne gelesen.
Dennoch fällt es mir schwer, eine eigene persönliche Einordnung deines Textes zu finden.
Insbesondere grüble ich über den folgenden Abschnitt:

Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch und widmen [red]uns[/red] dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt [red][strike]mir[/strike][/red] zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. [blue]Ich bin nicht ihrer Meinung.[/blue] Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. [blue]Ich kenne sie nicht.[/blue] Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. [blue]Ich weiß nicht, warum ich hier bin.[/blue] Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. [blue]Ich blicke ihn verständnislos an.[/blue] Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. [blue]Ich zucke zusammen.[/blue] Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. [blue]Nein, sage ich. Nein.[/blue]
Die Formulierung im ersten Satz: Die Frau, der Mann und ich widmen uns... klingt für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Wäre es nicht stilistisch besser, noch ein wir einzufügen:
er, sie und ich, wir widmen uns... (ich bin an dieser Stelle grammatikalisch nicht wirklich sattelfest, möglich, dass mein Einwand hier fehl am Platze ist!).
Das markierte mir würde ich streichen.

In diesem Abschnitt führst du den Leser in Richtung "Befremden" / sich-selbst-fremd-werden:
Bei der Qualität des Essens ist man sich noch einig, die blau markierten "inneren Antworten" zeigen dann eine sich verschärfende "Unpässlichkeit" (das Eine passt nicht mit dem Anderen zusammen).
Der Schluss des Abschnitts überzeugt mich: Nun ist es wirklich und endgültig zu viel (und das wird auch ausgesprochen)!
Die vorherigen inneren Antworten bereiten zwar diesen Schluss sinnhaft vor, aber für meinen Geschmack werden sie doch eine Spur zu plakativ rausgehauen.
Kann mein Gefühl schlecht in Worte fassen: vielleicht würde ich mir, als Leser, an dieser Stelle etwas mehr Komplexität wünschen...
Andrerseits: das (so vermute ich) wolltest du ja auch rüberbringen: Frau um die vierzig, schon viel erlebt, schon sturmerprobt in vielerlei Hinsicht, aber hier, auf diesem Terrain: äußerst bescheiden, was da so geht, da geht fast gar nichts bzw. läuft alles nach dem üblichen, vermaledeiten Muster ab...

So bleibt ein Grübeln zurück...

lg wüstenrose
 

dicke Olga

Mitglied
Besonders auf diese Aussage kann ich eigentlich kaum etwas erwidern, denn dieses Empfinden ist subjektiv und damit vollkommen in Ordnung. Ich kann daran aber nur schwer etwas ändern, oder?
Tut mir leid, wenn du meine Worte zu kritisch aufgenommen hast. Du hast das beabsichtigt, was ich ja auch gefühlt habe. Also nicht ändern! Ich wolle nur sagen, dass es wirklich quält.

Den Schlusssatz würdest du also stehenlassen? Dann hatte ich dich falsch verstanden ... Ich denke darüber nach!
dann habe ich Zeder auch falsch verstanden.
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo zusammen,

habe jetzt gerade keine Zeit, antworte später ausführlich. Eine Frage drückt mich aber gerade akut: Wird für euch deutlich, um wen es in dieser Szene geht?

Grüße, Hannah
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Hannah,
habe es von Anfang an so gelesen: gezeigt wird das schmerzhafte Muster einer Eltern-Kind-Beziehung.
lg wüstenrose
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo wüstenrose,

herzlichen Dank für die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text!

Die Formulierung im ersten Satz: Die Frau, der Mann und ich widmen uns... klingt für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Wäre es nicht stilistisch besser, noch ein wir einzufügen:
er, sie und ich, wir widmen uns... (ich bin an dieser Stelle grammatikalisch nicht wirklich sattelfest, möglich, dass mein Einwand hier fehl am Platze ist!).
Es ginge beides und ich verstehe deinen Einwand. Ein "wir" gibt es jedoch nicht, sondern nur ein Nebeneinander. Was hältst du von:
[blue]Die Frau, der Mann und ich sitzen am Tisch und essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt zu.[/blue]

Das markierte mir würde ich streichen.
Hab ich, danke.

Die vorherigen inneren Antworten bereiten zwar diesen Schluss sinnhaft vor, aber für meinen Geschmack werden sie doch eine Spur zu plakativ rausgehauen.
Kann mein Gefühl schlecht in Worte fassen: vielleicht würde ich mir, als Leser, an dieser Stelle etwas mehr Komplexität wünschen...
Ich verstehe, was du meinst ... Ich denke darüber nach, wie es anders gehen könnte.

Andrerseits: das (so vermute ich) wolltest du ja auch rüberbringen: Frau um die vierzig, schon viel erlebt, schon sturmerprobt in vielerlei Hinsicht, aber hier, auf diesem Terrain: äußerst bescheiden, was da so geht, da geht fast gar nichts bzw. läuft alles nach dem üblichen, vermaledeiten Muster ab...
Ja. Aber muss das unbedingt in Widerspruch zu dem vorherigen Zitat stehen? Vielleicht geht ja auch beides.

So bleibt ein Grübeln zurück...
Hmm, der Text ist sicher nicht gefällig, das soll er auch gar nicht sein. Ein "unbefriedigendes" Grübeln soll er aber auch nicht hervorrufen. Ich nehme mir deine Anregungen zu Herzen und springe noch mal dran.

habe es von Anfang an so gelesen: gezeigt wird das schmerzhafte Muster einer Eltern-Kind-Beziehung.
Ich hatte schon befürchtet, dass das gar nicht rüberkommt. Puh.

Vielen Dank
sagt Hannah
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo Olga,

Tut mir leid, wenn du meine Worte zu kritisch aufgenommen hast. Du hast das beabsichtigt, was ich ja auch gefühlt habe. Also nicht ändern! Ich wolle nur sagen, dass es wirklich quält.
Da habe ich mich wahrscheinlich missverständlich ausgedrückt. Ich habe deine Worte ganz und gar nicht in den falschen Hals bekommen, ganz im Gegenteil. Es fiel mir nur schwer darauf zu antworten.

Lieben Gruß
Hannah
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Hannah,
freut mich, dass du mit meinen Gedanken was anfangen konntest.

Die Frau, der Mann und ich sitzen am Tisch und essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt zu.
Finde ich gut.

Grundsätzlich denke ich auch, dass der Text gut laufen kann, wenn die nicht gelingende Kommunikation und die Entfremdung die zentralen Themen sind (also Themen wie gehabt).
Bin gespannt auf neuerliches Lesen, wenn du nochmal die Feder geschwungen / die Tasten bemüht hast.

lg wüstenrose
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Hannah,

Du lieferst mit dieser Geschichte eine interessante Variante, das befremdliche Nebeneinander von Eltern und Tochter zu schildern, die sich mir allerdings erst nach zweimaligem Lesen erschlossen hat.

Aber so ganz gefallen mir die häufigen Wiederholungen von „Frau“ und „Mann“ dann doch nicht. Überhaupt finde ich, dass Du mit zu vielen Wortwiederholungen arbeitest. Das macht - zumal bei der Kürze der Geschichte - den Text ein wenig leblos und monoton. Ich zeige Dir mal ein paar Beispiele:
Dabei fällt mein Blick ins [blue]Wohnzimmer[/blue]
Die Teller soll ich vom Esstisch im [blue]Wohnzimmer[/blue] holen
und gehe zurück ins [blue]Wohnzimmer[/blue]
verlässt das [blue]Wohnzimmer[/blue]
[blue]auf[/blue] der anderen Straßenseite
[blue]auf[/blue] dem Klingelschild
[blue]auf[/blue] die Garderobe
[blue]auf[/blue] die Kante einer cremefarbenen Couch
[blue]Auf[/blue] dem Tisch
Eine blonde Frau [blue]auf[/blue] dem Bildschirm (hier noch zusätzlich einmal „Frau“)
[blue]auf[/blue] einen Tisch stellt,
[blue]auf[/blue] die Arbeitsplatte
Ich setze mich [blue]auf[/blue] die Couch
In der jetzigen Form klingt mir der Text ein wenig hölzern. Das mag von Dir beabsichtigt sein und passt einerseits zur Situation, erreicht mich als Leserin jedoch nicht so richtig.

Vielleicht fallen Dir noch einige Umschreibungen ein. Der Text ist es allemal wert!

Gruß Ciconia
 



 
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