Begegnung

gerian

Mitglied
du kamst
schautest mich an
ward dir ausgeliefert
wie ein Sündenfall
nackt
in deinen Augen
ich mich fühlte
schämte mich meiner Natur
die ich nicht kannte
außen
so wie du mich sahst
formtest meinen Leib
meine Nacktheit
ließest mich entstehen
modellieren
brachtest mich hervor
mit deinen Augen
du mich sahst
ich mich nie gesehen habe
deine Freiheit lässt mich
erschauern
denn du siehst mich so
wie ich mich nicht kenne
so wie du in deiner Freiheit
Liebe verlangst
verlierst du mich.
(gerian)
 
H

Heidrun D.

Gast
Hallo Gerian,

experimentell ist dieses Gedicht mit Sicherheit nicht, aber es birgt viel Gutes im Bereich der Ungereimten Lyrik.

Allerdings möchte ich dir vorschlagen, deine Formatierung zu überdenken und die verquere Grammatik herauszunehmen. - Ich erkenne sehr wohl, dass du diese als Stilmittel nutzen willst, was aber nicht gelingt und in meinen Augen unnötig ist. Und ein wenig Kürzung wäre vielleicht dienlich ...

Ich möchte dir folgenden Vorschlag machen:

du kamst
schautest mich an
war ausgeliefert - ein sündenfall
nackt
in deinen augen
schämte mich meiner natur
die ich nicht kannte
außen
wie du mich sahst
formtest meinen leib
meine nacktheit
ließest mich entstehen
brachtest mich hervor
mit deinen augen sahst du mich

lässt mich erschauern - siehst mich
wie ich mich selbst nicht kenne
erwartest liebe

verlierst mich
Die Sache mit der "Freiheit" finde ich nicht so passend, weil es sich ja recht eigentlich um Wahrnehmung handelt.

Ich hoffe, dass du mit meinem Kommentar etwas anfangen kanns. - Weite Teile des Gedichts scheinen mir sehr gelungen, auch die Aussage, die einen überaus wahren Kern birgt. Denn meist ist es so, dass wir gegenseitigen Illusionen verfallen und somit das frühe Ende einer aufkeimenden Beziehung antizipieren.

Freundliche Grüße
Heidrun
 

gerian

Mitglied
Hallo, liebe Heidrun,

ich bin absolut mit deinem Verbesserungsvorschlag einverstanden, auch mit dem Weglassen der Substantive. Es ist in der Tat eine Empfindung, in der z.B. "Freiheit" nichts zu suchen hat, gleichwohl "ich" mich im Blick des anderen dessen Freiheit sehe, indem der Andere mich zum Objekt macht. "Ich" habe ein "Außen" und die Scham ist die Wahrnehmung meiner selbst als Natur, gleichwohl mir diese Natur entgeht, als solche nicht erkennbar ist. Der Andere entzieht sich mir in seiner Freiheit. Dieses allerdings, da stimme ich mit dir überein, sollte in der Lyrik empfunden werden...
Danke!
LG
gerian
 



 
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