Beginn einer Freundschaft

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Pan

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Beginn einer Freundschaft

Seit drei Jahren wohnte ich schon alleine. Die Wohnung, die ich mir eingerichtet hatte, wirkte leer. Sie war zwar schön hell und auch gemütlich, aber immer mehr fiel mir die Leere auf.
Wie gerne hätte ich die Bekanntschaft eines Menschen, besonders die einer Frau gemacht. Doch es blieb mir verwehrt. Wie oft hatte ich mich gefragt, woran es wohl liegen mag. An meinem Aussehen konnte es nicht liegen. Ich empfand mein Gesicht als markant und meine Augen waren strahlend blau. Nur meine weißen Haare verraten, dass ich bereits 70 Jahre alt bin. Mit meinem durchtrainierten Körper war ich auch zufrieden. Meine positive Lebenseinstellung sollte eigentlich auf andere Menschen wirken, aber das war nicht der Fall.
Im November zog eine neue Mieterin in unser Wohnhaus. Auf der Türklingel stand der Name "Weiß".

Am Mittwoch, so gegen 14.00 Uhr, kam mir dann Frau Weiß im Treppenhaus entgegen. Ich weiß noch so genau die Uhrzeit, weil bei ihrem Anblick bei mir der Blitz einschlug. Sie wirkte adrett und hatte eine gewisse Anmut, die man selten sieht. Ihre grünen Augen bildeten mit ihrem brünetten Haar einen harmonischen Einklang.
Aber mehr als ein "Guten Tag" brachte ich nicht heraus. Es schoß mir nur immer wieder durch den Kopf:

Das ist sie, das ist sie!!!!

In den darauf folgenden Tagen fühlte ich eine geradezu alberne Fröhlichkeit. Ich zwinkerte mir selber im Spiegel zu, ich sang und überhaupt war ich verliebt wie ein Pennäler.
Es half alles nichts, für mich stand fest, ich mußte diese Frau kennenlernen. Ich nutzte jede Gelegenheit, um sie in ein Gespräch zu verwickeln, sie einzuladen, aber alles scheiterte an einem kühlen "Nein danke" oder "Ich bin nicht interessiert".
So langsam gingen mir die Ideen aus und ich litt unter einem Liebeskummer, den ich in dieser Art noch nicht kennengelernt hatte. Ich marterte mein Gehirn und suchte nach Lösungen für meine missliche Lage.
Aber ausser der Erkenntnis, dass ich mal wieder gescheitert war, fiel mir nichts mehr ein.

Doch da kam mir der Winter zur Hilfe. Über Nacht hatte es geschneit und es sah wunderbar aus.
Da hatte ich die zündende Idee:

Ich baue meiner angebeteten Frau Weiß einen Schneemann. Nun zog ich schnell meine wärmsten Sachen an und machte mich mit einer Möhre, zwei Kohlenstücken, einem Schal und einem schwarzen Hut auf den Weg nach unten. Doch da fiel mir ein, dieser Schneemann sollte ein ganz besonderer sein. Ich hatte noch buntes Kreppapier und das nahm ich auch mit. Dann begann ich mit der Arbeit.
Es war eine echte Schufterei, jedoch das war mir völlig egal. Nachdem der Schneemann fertig gerollt war, begann ich mit der Ausschmückung.
Anstelle des Schals bekam er eine rote Fliege aus Krepp. Unter den Armen, die ich ihm auch extra gemacht hatte, trug er eine blaue Krepprolle. Den schwarzen Hut setzte ich ihm schräg auf den Kopf. Dann stellte sich die Frage, ob ein Besen dazu sollte oder nicht.
Nein, er bekommt eine grüne Schärpe. Ich betrachtete ihn von weiten und er gefiel mir gut und ich dachte: Er muss Frau Weiß einfach gefallen, es geht gar nicht anders.
Zur guter Letzt schrieb ich noch auf ein Stück Pappe: "Für Frau Weiß" und stellte es davor.
Dann legte ich mich auf die Lauer. Frau Weiß kam immer um die gleiche Zeit hier vorbei. Ich brauchte nicht lange zu waren. Als sie den Schneemann sahr, lachte sie laut auf. Es war Musik in meinen Ohren. Dann beugte sie den Kopf und las das Schild. Sie wurde mit einem Schlag ernst.
Ich schlich mich aus meinem Versteck und tat so, als ob ich rein zufällig vorbei komme. Als ich nur noch drei Schritte von ihr entfernt war, sah ich, dass sie weinte.
Ich war sehr betroffen, das hatte ich nicht gewollt.
" Frau Weiß," sagte ich zaghaft, "das sollte ein Geschenk für Sie sein. Es tut mir leid, wenn Sie nun traurig sind".
" Ach, Herr Wunder," antwortete sie mit einem kleinen Lächeln," es macht mich nicht traurig, es sind Freudentränen. Noch nie in meinem Leben habe ich so etwas Schönes geschenkt bekommen!"

Ich konnte es nicht fassen, als sie mit strahlenden Augen vor mir stand. Da hatte ich mit Einladungen, Blumen und allem möglichen versucht, das Eis zu brechen und dieser Schneemann hatte mir nun geholfen.
Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die nun schon 7 Jahre hält. Es sind die einfachen Dinge im Leben und die Phantasie, die die Menschen bezaubern.

© Pan
 



 
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