Bertine für Ruth-Marion

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Also Berndine - nicht Bertine

Ruth-Marion, ich drückte gerade die Tasten,
da schrie mein verschrumpelter Bildschirm ganz laut:
"Was hast du gemacht? Sag, hast du mich heute versaut?
Oder hieb vielleicht irgend ein anderer hier auf die Tasten?
Du hältst mich wohl immer noch für einen seelenlosen Kasten?

Dabei bin ich kein Seelenloser, dumm gelaufen,
ich habe nämlich Seele und besitze inneren Geist.
Zumindest besitze ich diesen zumeist,
wenn Strom nicht fehlt. Bist du deshalb hierher gelaufen?
Oder wolltest du mir eine Seele kaufen?

Das aber wäre ein verfehltes Unterfangen,
denn ich bin einfach kaputt, deshalb bin ich,
wär ich sonst kaputt? Sicherlich nich.
Und es wäre trotzdem ein vergebliches Unterfangen.
Und jetzt hilf mir doch endlich mal, heim zu gelangen."

Und dann sah ich ihn an und geriet ein wenig ins Grübeln,
vielleicht sollte ich mal die Festplatte tauschen,
oder noch weiter mit dem kaputten Computer plauschen?
Ich weiß es nicht und gerate ins Grübeln,
das wirst du mir doch sicher nicht verübeln.
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Hallo Bernd,
reizend, reizend, danke, danke – jetzt hat man mir schon ein Gedicht gewidmet! Ich meine, es könnte eine Art weiße/weise Taube mit einem Zweig im Schnabel als Zeichen einer anscheinend wieder friedlich gewordenen Welt verkörpern. Du, alle anderen und ich sollten sie immer vor Augen haben und darauf achten, daß ihr kein Leid geschieht. Dann und nur dann wird sie über uns bleiben.
Ich weiß, ich weiß, reichlich pathetisch! Macht sich nix, meanthing that det woas huift (der letzte Satz steht stellvertretend für die Globalisierung im Großen wie im Kleinen). Ach so, das Gedicht! Da muß ich Dich leider etwas enttäuschen: es ist nämlich keine „Bertine“, sondern eine „Berndine“. Aber so groß ist der Unterschied ja nun auch wieder nicht! Mit Gruß
Ruth
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Na gut, also dann eine Berndine.
Aber das sind alle meine Gedichte ...

Wo liegt der globale Unterschied?
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Hallo Bernd,
ja, wo liegt der (globale) Unterschied? Eine auf den ersten Blick fast zu einfach erscheinende, auf den zweiten jedoch interessante Frage, über die man direkt ins Philosophieren kommen kann. Zunächst behaupte ich mal, „der Unterschied liegt immer da, wo man ihn sehen will bzw. wo ihn jemand festgelegt hat. Es gibt ihn, und es gibt ihn wieder nicht“!

Nähmen wir den Begriff „Wort“ als Hauptebene und gliederten ihn stammbaumartig (alles nur Beispiele und vereinfachte Darstellungen), so bildeten das „geschriebene Wort“, das „gesprochene Wort“ usw. die zweite Ebene. Die dritte Ebene unterhalb des „geschriebenen Worts“ könnten dann „Brief“, „Notiz“, „Literatur“ usw. darstellen. Diese wiederum ließe sich in vierter Ebene in „Fachliteratur“, „Schöngeistige Literatur“ usw. gliedern. So weitergeführt kommt man schließlich irgendwann zu den „Gedichten“ bzw. „Gedichtformen“, ihren verschiedenen „Versen“, „Reimen“ und „Strophen“. Das bedeutet, je nachdem welche Ebene man betrachtet, gibt es einen Unterschied oder nicht. Auf die nächsthöhere Ebene (das gilt auch für alle noch darüber liegenden) bezogen, sind „Brief“ und „Notiz“ (usw.) gleich, es handelt sich hier wie dort um „geschriebene Worte“. Legt man indes ihre eigene Ebene zu Grunde, so besteht zwischen beiden ein großer Unterschied.

Auf unseren Fall übertragen heißt das: „Bertine“ und „Berndine“ sind beides fünfversige, (sicherlich meist humorige – das muß aber nicht sein) „unreine“ Gedichte unterschiedlicher Strophenzahl (nehme ich mal an) mit gleichem Reimschema. Bis dahin besteht zwischen beiden, bezogen auf den genannten Stammbaum, kein Unterschied. Dann aber wird es im Gegensatz zu Dir bei mir anders:
1. Verse 1 und 5 der einzelnen Strophen bilden hintereinander gelesen das eigentliche Gedicht, die Verse 2 bis 4 könnten also hinsichtlich der Thematik gut und gern auch entfallen.
2. Verse 2 und 3 der einzelnen Strophen sind thematisch nicht unmittelbar in das eigentliche Gedicht eingebundene „Gesprächsfetzen“.
3. Verse 2 der einzelnen Strophen des Gedichts beginnen jeweils mit den gleichen Worten.
4. Vers 4 entspricht im Wortlaut dem Vers 1 einer Strophe, erweitert nur durch das Wort „also“.

Siehst Du, das sind dann die Unterschiede. Aufgrund weniger und einfacher mir selbst gesetzter Regeln (ich sagte Dir ja schon, daß es mir bei der „Bertine“ um etwas Ausgefalleneres ging). Davon abgesehen freilich, sind sich „Bertine“ und „Berndine“ ziemlich ähnlich. Mit Gruß
Ruth
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Ruth, da die Regeln so streng sind, werde ich wohl keine mehr schreiben, denn es gelänge mir ja doch nicht.

Es ist wohl wie mit den Haiku, deutsche Haiku sind eine durchaus andere Form, als Japanische, obwohl sie sie nachahmen.

Insofern ist die Berndine eine Übersetzung der Bertine. Übersetzungen ähneln dem Original, haben einen eigenen Reiz, aber bestimmte Kodierungen gehen verloren.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ruth-Marion, ich drückte gerade die Tasten,

da schrie mein verschrumpelter Bildschirm ganz laut:

"Was hast du gemacht? Sag, hast du mich heute versaut?

Also Ruth-Marion, ich drückte gerade die Tasten,

Du hältst mich wohl immer noch für einen seelenlosen Kasten?


Dabei bin ich kein Seelenloser, dumm gelaufen,

da schrie nämlich die Seele, sie besitze inneren Geist.

Zumindest besitze sie diesen zumeist,

Also, dabei bin ich kein Seelenloser, dumm gelaufen,

Oder wolltest du mir eine Seele kaufen?


Das aber wäre ein verfehltes Unterfangen,

da schrie ich, ich bin einfach kaputt, deshalb bin ich,

wär ich sonst kaputt? Sicherlich nich.

Also, das aber wäre ein verfehltes Unterfangen,

Und jetzt hilf mir doch endlich mal, heim zu gelangen."


Dann sah ich ihn an und geriet ein wenig ins Grübeln,

da schrie ich, vielleicht sollte ich mal die Festplatte tauschen,

oder noch weiter mit dem kaputten Computer plauschen?

Also, dann sah ich ihn an und geriet ein wenig ins Grübeln,
das wirst du mir doch sicher nicht verübeln.
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Hallo Bernd,

Du würdest sicherlich auch eine sehr gute Biene abgeben, sogar eine learnable mit Langzeitgedächtnis. Bertine und Berndine – das liegt doch schon (fast hätte ich gesagt Jahre) zurück! Jedenfalls hast Du in der Zwischenzeit mächtig zugelegt, und ich muß mir wohl ein anderes Eckchen zum Meckern suchen. Nicht freilich, ohne noch eine relativ kurze Bertine beizusteuern:


Jähes Ende

Ein Sonnenstrahl, der hinter dem Haus –
schau, da drüben dieser helle Fleck,
dort war er, doch nun ist er weg –,

ein Sonnenstrahl also, der hinter dem Haus,
der büxte seiner Mutter, der Sonne, aus.

Voll Neugier wanderte er von Ort zu Ort –
schau, es wird mehr und mehr Nacht,
um diese Zeit, wer hätte das gedacht –,

voll Neugier also wanderte er von Ort zu Ort,
mal war er hier, dann schon wieder dort.

Bald wurde er müde, er fühlte sich sehr allein –
schau, jetzt zieht gar ein Gewitter auf,
wir gehen besser heim, mein Kind, lauf –,

bald wurde er also müde, er fühlte sich sehr allein,
traurig legte er sich ins Gras und schlief ein.

Er träumte, er wäre eine Made im Speck –
schau, das Unwetter zieht langsam ab,
es ist unheimlich still, wie in einem Grab –,

er träumte also, er wäre eine Made im Speck,
da erreicht’ ihn ein Regenguß und spült’ ihn weg.


Ja, das hat man nun davon, wenn man nicht auf seine Mutter hört! Was mich angeht, so starb entweder meine Mutter zu früh, oder das Gedicht kam zu spät! Ob es allerdings etwas gebracht hätte, das ist eine ganz andere Frage. Ich glaube kaum!

Mit folgsamen Grüßen
Ruth
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Ruth-Marion,

das Gedicht gefällt mir, und das mit Deiner Mutter tut mir leid.

Zeit ist immer zu kurz.

Viele Grüße von Bernd
 



 
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