Biss

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MelP

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Biss

Ich gestand es mir nur ungern ein, aber ich hatte mich endgültig verlaufen. Unsicher blickte ich linkerhand die Abzweigung der Weggabelung herunter. Sah irgendwie alles gleich aus. Ein Blick zum Himmel und ein anschließender Blick auf meine Armbanduhr sagte mir, dass ich nicht mehr viel Zeit bis zum Dunkelwerden hatte. Am Waldboden entstanden bereits kleine Nebelfetzen, die ein weiteres Indiz für die beginnende Dämmerung waren.

Innerlich schimpfte ich über mich selbst. Wäre ich doch nur disziplinierter! Dann hätte ich nämlich an der Yoga-Stunde im Wellness-Hotel teilgenommen, in dem ich mich für ein (sündhaft teures) Wochenende eingebucht hatte. Aber der Sinn stand mir nicht nach Yoga. Stattdessen hatte ich mir nur schnell meine Jacke übergeworfen und war losmarschiert. Ein Waldspaziergang ist ja irgendwie auch Wellness, oder?

Nach einer halben Stunde zügigem Fußweg begannen allerdings meine Füße zu schmerzen. Die Schuhe waren wohl zu neu für einen längeren Spaziergang und meine Füße waren auch nicht wirklich an längere Wege als von der Wohnung zum Auto gewöhnt. Als ich also umkehrte und mich innerlich schon auf eine heiße Schokolade mit extra viel Sahne freute, bemerkte ich, dass ich wohl auf dem Hinweg einige Weggabelungen passiert hatte, ohne es bewusst zu registrieren. Ich beschloss, mich auf meinen Instinkt zu verlassen und wählte jeweils die Richtung, die ich aus dem Bauch heraus für richtig hielt.

Das war dann wohl auch der Fehler gewesen. Inzwischen war ich mir sicher, dass ich auf dem Hinweg niemals diese Weggabelung passiert hatte, auf der ich jetzt stand. Ich musste jetzt handeln, denn im Dunkeln würde ich erst recht nicht zurück ins Hotel finden. Und vermissen würde mich dort erst mal auch niemand. Frühestens morgen zum gebuchten Ayurveda-Stirnölguß-Termin würde auffallen, dass ich nicht da bin. Bei diesem Gedankengang, kroch ein leicht panisches Gefühl in meinem Hals bis zu Kehle hinauf und schnürte mir kurzfristig den Atem ab.

Ich schüttelte den Gedanken ab und zählte leise nach einem Kinderreim die Wege durch, straffte die Schultern und marschierte den ausgewählten Weg entlang. Der Nebel begann über den Lichtungen am Wegesrand etwas dichter zu werden, so dass ich meine Schritte -so gut es eben ging- noch beschleunigte. Immer wieder blickte ich an den Baumstämmen hinauf, in der Hoffnung ein Hinweisschild oder einen Wegweiser zu entdecken. Aber nichts dergleichen geschah. Dann sah ich von weitem eine Hütte im Nebel erscheinen. Ich ging noch ein wenig schneller, rannte fast auf die Hütte zu. Als ich näher kam bemerkte ich, dass das wohl eine Waldarbeiterhütte oder so etwas war. Jedenfalls waren die Fenster mit Fensterläden verschlossen und die Tür mit einem Vorhängeschloss verriegelt.

Ich ging einmal um die Hütte herum, konnte aber außer einer Menge Sägespänen und Baumrinde nichts entdecken. Ich seufzte laut und setzte meinen Weg fort. Der Nebel zog jetzt in fetten Schwaden zwischen den Bäumen hervor und ich begann angesichts der feuchten Kälte zu frösteln. Ich überlegte, ob ich vielleicht laut um Hilfe rufen sollte, entschied mich aber vorerst dagegen. Ganz so panisch war ich noch nicht, allerdings war ja aufgeschoben nicht aufgehoben. Dann fiel mir auf, dass im immer dichter werdenden Nebel inzwischen sämtliche Geräusche erstorben waren. Ich blieb stehen und lauschte. Nichts. Kein Vogel, kein Rauschen vom Wind, kein Knacken von Bäumen.

Langsam wurde mir meine Situation immer unheimlicher und ich hatte Angst, die ganze Nacht im nebligen Wald verbringen zu müssen. Was sollte ich bloß tun? Während ich überlegte, ob ich zurück zur Hütte gehen sollte und versuchen sie irgendwie aufzubrechen, blickte ich über meine linke Schulter zurück. Genau in diesem Moment hörte ich vor mir im Nebel ein Geräusch. Ich drehte meinen Kopf nach vorn und sah auf Kniehöhe einen schwarzen Schatten auf mich zurasen. Ich riss die Arme in die Höhe und begann hysterisch zu schreien.

„Buddy! Aus!“ rief eine tiefe Stimme aus dem Nebel. Erleichtert erkannte ich den schwarzen Schatten als Hund, der freudig an mir hochhopste und vor Vergnügen kleine Quietschgeräusche von sich gab. „Buddy, komm sofort hierher!“ rief wieder die Stimme aus dem Dunst. Dann erschien ein Schatten und kurze Zeit später stand ein ungemein attraktiver Mann mit langem dunklem Haar vor mir und blickte mich entschuldigend an. Nachdem er den sich immer noch wie verrückt freuenden Buddy noch einmal ermahnte zu gehorchen, setzte dieser sich immer noch schwanzwedelnd neben mir auf sein Hinterteil.

„Tut mir leid, dass er sie erschreckt hat, aber er ist wirklich völlig harmlos.“ sagte der Fremde und blickte mich aus unendlich grünen Augen ernsthaft an. Ich wollte gerade etwas erwidern, als er nachfragte, was ich denn zu dieser Zeit im Nebel in diesem verlassenen Waldstück tun würde. Ich erklärte ihm von meinem Malheur mit dem missglückten Spaziergang und erklärte, wie erleichtert ich sei, dass ich ihn und Buddy getroffen hatte. Während ich Buddy den großen schwarzen Kopf streichelte, konnte ich meine Blicke nicht von den Augen des Mannes wenden. Wie hypnotisiert klebte ich regelrecht an seinen Pupillen, die mir wie ein unendlich tiefer, schwarzer See vorkamen.

Mein Gegenüber legte leicht seinen Kopf schief und sah mich einen Augenblick lang an ohne zu sprechen, dann erzählte er mir, dass ich wirklich sehr weit weg vom Hotel und dem nächsten Ort war. Hätte ich ihn nicht getroffen, wäre ich wahrscheinlich tatsächlich gezwungen gewesen, die Nacht im Wald zu verbringen. Bei dem Gedanken fröstelte ich und musste mich fast unmerklich schütteln. „Oh, sie frieren ja. Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen. Mein Wagen steht ein Stück den Weg herunter. Bud und ich fahren immer mit dem Jeep hier heraus, um ungestört spazieren zu gehen. Es verlaufen sich nicht viele in diesen Teil des Waldes.“ Bei dieser Äußerung blickte er mich von der Seite eindringlich und mit festem Blick an.

Ich wusste nicht recht, was ich antworten sollte und lächelte ihn schulterzuckend an. Er lächelte jedoch nicht zurück und ließ seinen Blick kurz bis zu meinen Füßen und wieder hoch bis zum langen roten Haar schweifen. Nach einigen hundert Metern schweigendem Fußmarsch hatten wir seinen Wagen erreicht. Ein schicker BMW-Geländewagen. Buddy hüpfte schwanzwedelnd um das Auto herum, als ob er mir zeigen wollte, dass es seins sei. Sein Herrchen betätigte von einigen Metern Entfernung die Funkfernbedienung und die Warnblinker des Jeeps flackerten durch den Nebel. Im Innenraum ging das Licht an und der Fremde huschte vor mir zur Beifahrertür und hielt sie mir ganz gentlemanlike auf. Ich kletterte auf den Sitz und bemerkte, wie sehr meine Füße wehtaten, als ich sie im Sitzen entlastete. Sie brannten höllisch und ich hätte einiges gegeben, wenn ich meine Schuhe hätte ausziehen können.

Der Mann öffnete die Heckklappe und Buddy hüpfte herein, anschließend sprang er selbst katzengleich mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Fahrersitz und startete den Wagen, der ein angenehm sonores Brummen von sich gab. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, dass es in dem Wagen eigenartig roch, schob es aber auf den Geruch des Hundes, der ja schließlich beim Spaziergang feucht geworden war. Dann merkte ich, dass der Fremde mich von der Seite anblickte. Plötzlich hatte ich Angst, den Kopf zu drehen und ihn anzusehen; so als ob ich dort etwas schreckliches erblicken könnte. Als ich dennoch den Kopf zu ihm drehte, blickte er mich einfach nur an. Was auch sonst? Meine Phantasie spielte wohl kleine Spielchen mit mir.

„Ich heiße übrigens Luca. Luca Giani. Ich hatte vergessen mich vorzustellen. Sorry.“ Wieder an seinem eigenartigen Blick festklebend stellte ich mich als Johanna Kahrmann vor. „Ich bringe sie jetzt in ihr Hotel zurück. Die Fahrt wird nicht lange dauern, etwa ein Viertelstunde.“ sagte Luca und wendete rasant den Wagen und rauschte ziemlich schnell den Waldweg entlang. Nach kurzer Fahrt erreichten wir eine Landstraße, auf die er in linker Fahrrichtung einbog. Der Motor heulte auf, als er Gas gab und der Wagen flog regelrecht los, so dass die Fliehkraft mich in den Sitz presste. Luca blickte so konzentriert auf die Straße, dass sein Gesicht einen fast wütenden Ausdruck annahm. Heimlich beobachtete ich ihn von der Seite. Er hatte ein klassisches Profil, eine gerade lange Nase, sinnliche Lippen und eine ziemlich helle Gesichtsfarbe. Blass eigentlich. In Kombination mit den magisch grünen Augen sah er für meinen Geschmack extrem attraktiv aus. Geheimnisvoll irgendwie und ein bisschen unheimlich.

Während ich ihn so in Gedanken versunken anblickte, bremste er den Wagen plötzlich extrem herunter, das Heck begann leicht zu schlingern und Buddy im Kofferraum begann zu bellen. Als ich nach vorn blickte, hielt ich die Luft an und krallte mich seitlich im Sitz des Jeeps fest. Direkt vor uns auf der Straße zuckten im Nebel orangefarbene und blaue Blinklichter, schemenhaft war eine Ansammlung von Fahrzeugen mitten auf der Straße erkennbar. Wir rasten mit immer noch immenser Geschwindigkeit auf die Fahrzeuge zu. Das erste Fahrzeug, dass ich im Nebel genauer erkennen konnte, war ein Polizeiwagen, der quer auf der Straße stand und das Blaulicht zur Warnung eingeschaltet hatte. Ein Polizist mit Warnweste sah uns heranrasen und sprang auf den Seitenstreifen der Straße, um sich in Sicherheit zu bringen. Der Polizeiwagen kam näher und näher und ich konnte schon fast den Aufprall hören, als Luca den Wagen mit quietschenden Reifen einige Zentimeter vor dem grün-weißen Pkw zum Stehen brachte.

Ich atmete tief aus und bemerkte, wie meine Knie zitterten. Mein Adrenalinspiegel war sicherlich auf einen selten dagewesenen Pegel angestiegen. Als ich zu Luca herübersah wirkte dieser völlig ruhig und entspannt, so als ob er gerade routinemäßig an einer roten Ampel gestoppt hätte. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“ fragte er ohne eine Miene zu verziehen. „Ähm,...ja...geht schon.“ stammelte ich. Der zur Seite gesprungene Polizist kam mit wütendem Gesichtsausdruck auf die Fahrerseite des Wagens zugestürmt. Luca ließ die Scheibe herunter und blickte dem Ordnungshüter gelassen entgegen.

Am Wagen angelangt, begann dieser auch gleich in aufgebrachtem Tonfall über die viel zu hohe Geschwindigkeit bei den gegebenen Witterungsverhältnissen zu dozieren und meinte dann, dass er eigentlich ein Bußgeld hätte verhängen müssen. Dafür sei nun aber keine Zeit, der Unfall vorn an der Brücke hätte zur Zeit Priorität. Dort hatte sich ein großer Lkw unter einer Brücke festgefahren, so dass er nicht mehr vor bzw. zurück kam. Die Durchfahrt war demzufolge von beiden Seiten komplett versperrt. Er bat uns umzudrehen und die Fahrt in ANGEMESSENEM Tempo fortzusetzen. Es würde noch einige Stunden dauern, bis die Brückendurchfahrt wieder freigegeben würde. Dann entfernte er sich, um weitere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

„Mist!“ schimpfte Luca vor sich hin. Er blickte mich an und sagte: „Das ist der einzige Weg zum Hotel. Einen anderen gibt es leider nicht. Nicht mal einen passablen Waldweg, der breit genug wäre. Sie können also momentan nicht zum Hotel.“ „Oh..“ erwiderte ich geistreich. In meinen Kopf ratterte ich die Möglichkeiten durch, was ich nun tun könnte. Die Entscheidung nahm Luca mir ab. „Sie kommen mit zu mir. Da können Sie sich erst mal ein wenig ausruhen und aufwärmen. Wir versuchen dann später noch einmal zum Hotel durchzukommen.“ Das war eine Feststellung, kein Angebot. „Danke, das ist wirklich sehr nett von Ihnen, ich wüsste auf die Schnelle auch nicht, was ich jetzt tun könnte. Zumal mein Auto ja auch nicht erreichbar ist, weil es vor dem Hotel steht. Und Geld habe ich auch keines bei mir. Ich wollte ja nur einen kleinen Spaziergang machen.“ bedankte ich mich.

Er nickte knapp und wendete auf der Landstraße. Inzwischen war es draußen völlig dunkel geworden. Durch den immer noch dichten Nebel tendierte die Sicht gegen null. Luca fuhr zwar nicht ganz so schnell wie vorhin, meines Erachtens aber immer noch deutlich ZU schnell.

Nach etwa zehnminütiger Fahrt bogen wir von der Landstraße in einen Waldweg ab. Der Wagen schlingerte um die Kurve und durch die fehlende Straßenbeleuchtung konnte ich nun draußen gar nichts mehr erkennen. Luca schien das nicht so zu gehen, in rasantem Tempo setze er die Fahrt fort. Nach einer Wegbiegung lag auf einmal eine Art Lichtung vor uns, soweit ich erkennen konnte. Luca stoppte den Wagen neben einem schwarzen Alpha Spider, der dort geparkt war. Ich konnte nicht so recht einordnen, was wir hier taten. „So, da sind wir.“ meinte Luca und stieg aus. Buddy begann zu jammern, damit ihn auch ja niemand vergaß. Ich stieg aus, Luca ließ den Hund heraus und deutete mit der Hand einladend den Weg herunter. Ich konnte noch immer nichts erkennen und blickte ihn fragend an. Buddy war bereits im dichten Nebel verschwunden.

Als wir ein paar Schritte gegangen waren, erschien schemenhaft ein Haus in der Finsternis. Es war spärlich mit ein paar Solarlampen beleuchtet. Das Haus schien beim Näherkommen immer größer zu werden, zuletzt meinte ich, so etwas wie ein herrschaftliches Landhaus vor mir zu haben. Es wirkte allerdings nicht besonders gut erhalten und ein wenig düster. Luca glitt zur Tür und schloss auf, Buddy drängelte sich an uns vorbei und verschwand als erster in der Haustür. Luca deutete noch einmal einladend mit der Hand auf das Haus und ließ mich vor sich eintreten. Inzwischen kam ich mir merkwürdig vor. Irgendwie fehl am Platz. Ich betrat schließlich gerade das Haus eines wildfremden Menschen! Noch dazu wusste niemand, wo ich bin. Ich schüttelte den Gedanken ab und trat ein.

Ich hatte gerade einen Fuß über die Schwelle gesetzt, als innen wie von Geisterhand das Licht anging. Erschrocken blickte ich mich um. „Bewegungsmelder.“ erwähnte Luca knapp. Er nahm mir meine Jacke ab und verschwand damit um die nächste Ecke, wohl um sie aufzuhängen. Ich blickte mich um. Wow. Das Haus war sehr modern eingerichtet. Auf dem Fußboden war Parkett verlegt und in der Decke waren hunderte kleiner Lämpchen eingelassen, die ein angenehmes Licht verstrahlten. Rechter Hand führte eine breite, geschwungene Treppe in das erste Stockwerk. Der Treppenaufgang war mit großen, düster wirkenden Ölgemälden an den Wänden versehen. Plötzlich nahm ich wieder diesen eigenartigen Geruch wie vorhin im Auto wahr. Merkwürdig. Es roch irgendwie modrig und alt. Und ein wenig metallisch.

Während ich noch überlegte, was das für ein Geruch sein könnte, erschien Luca. „Kommen Sie mit in die Küche.“ Er glitt vor mir den Flur entlang. Ich folgte ihm und trat hinter Luca ein. Er begann am Kühlschrank zu werkeln. „Nehmen Sie ruhig Platz.“ sagte er und deutete auf drei Barhocker, die vor einer Theke standen, die die halbe Küche einrahmte. Ich nahm Platz und blickte mich um. Die Küche wirkte modern, aber irgendwie unbenutzt und steril.

Die nun eintretende Stille war mir unangenehm und ich versuchte, ein wenig zu plaudern. „Sehr schön haben Sie es hier. Ziemlich abgelegen, oder?“ Ich fragte mich, ob er hier wohl allein lebte. Luca drehte sich zu mir um und sah mich merkwürdig eindringlich an. „Ich mag es so.“ erwiderte er kurz, ging mit einer Tasse mit dampfendem Inhalt an mir vorbei zu einer Schiebetür aus Milchglas. „Kommen Sie.“ meinte er und öffnete mit einer Hand die Tür, die völlig lautlos zur Seite glitt. Ich trat hinter ihm in den Wohnbereich. Es war ein riesiger Raum, dessen Außenwände fast völlig aus Glas bestanden. Dahinter erstreckte sich wohl der Garten, der durch den Nebel momentan nur zu erahnen war.

Der Wohnraum war spartanisch eingerichtet. Mitten in dem riesigen Zimmer stand ein gewaltiges schwarzes Ledersofa und an einer Wand ein Bücherregal, das bis unter die Decke reichte und anscheinend ziemlich alte Bücher mit golden beschrifteten Einbänden enthielt.

Buddy war weit und breit nicht zu sehen. Auch in diesem Raum roch es wieder so merkwürdig. Da der Hund nicht hier war, konnte der Geruch wohl auch nicht von ihm stammen. Als ich mich neben Luca auf das Sofa setzte, kam mir der Geruch noch intensiver vor, fast so, als würde er von ihm ausströmen. Er hielt mir die dampfende Tasse hin und blickte mich an. Mir war jetzt immer unwohler zumute. Ich kam mir mit jeder Minute in diesem Haus mehr fehl am Platz vor. Wie gern würde ich jetzt in meinem gemütlichen Hotel sein und in Ruhe ein Buch lesen!

Ich nippte an der Tasse. Schokolade mit irgendeiner Sorte Alkohol. Mmmhh, tat das gut. Heiß und süß. Ich merkte genau den Weg, auf dem die heiße Flüssigkeit durch meinen Körper rann. Ich schloss die Augen und genoss diesen Moment. Der Alkohol brannte ein wenig im Hals, aber das war nicht unangenehm. Wieder stieg mir der modrige Geruch in die Nase, nur diesmal kam er mir noch intensiver vor. Als ich zur Seite blickte, bemerkte ich, dass Luca mich unverwandt anstarrte. Ich wusste nicht, ob ich den Blick erwidern sollte oder wegsehen oder ob ich etwas sagen sollte. Ich wandte mich schnell meiner Tasse zu und trank hastig noch ein paar Schlucke von der Schokolade. Ich wagte nicht, noch einmal zu Luca herüberzusehen. Der Alkohol in meinem Getränk ging mir sofort in die Blutbahn und ich hatte das Gefühl ganz aus Watte zu bestehen. In meinen Ohren begann es zu rauschen und mir wurde ein wenig schwindelig.

Vorsichtig, fast ein bisschen ängstlich drehte ich meinen Kopf wieder zu Luca. Er blickte mich immer noch genauso eindringlich an, war aber näher herangekommen. Als ich versuchte, meinen Blick wieder abzuwenden, gelang es mir nicht mehr. Ich war regelrecht in seinem Blick gefangen, das Grün seiner Augen schien kurz triumphierend aufzuleuchten. Luca schien ohne eine Bewegung auszuführen, näher an mich heranzugleiten. Der Modergeruch wurde noch intensiver. Ich versuchte mich zu bewegen, aber sämtliche Muskeln und Nerven schienen mir den sonst so selbstverständlichen Dienst zu versagen. Luca kam näher und näher, sein Gesicht befand sich einige Zentimeter vor meinem. Der Modergeruch war jetzt fast überwältigend stark.

Ich fragte mich noch, ob er mich jetzt wohl küssen wollte, als er sich plötzlich mit einer blitzschnellen Bewegung in meinem Hals verbiss. Wie in Zeitlupe und völlig ohne Panik registrierte ich, was geschah. Ich bemerkte, wie warm das Leben aus meinem Körper in seinen gesaugt wurde. Stetig aber ohne Eile. Genussvoll und süß fühlte sich sein Saugen an. Seine Hände hatten sich in meinen Rücken gekrallt und ich sank langsam nach hinten über. Der Druck seiner Hände und sein Körpergewicht schienen noch zuzunehmen, ich hatte aber gleichzeitig das Gefühl immer leichter zu werden. Noch immer strömte sanft das Blut aus meinem Körper und es kam mir so selbstverständlich und richtig vor, dass ich mich nicht einmal wunderte, was dort mit mir geschah. Nach einem weiteren Moment fing alles um mich herum an sich zu drehen und meine Sinne begannen zu schwinden. Ich glitt langsam und leicht wie eine Feder in die Bewusstlosigkeit hinüber.


Als ich am folgenden Tag im Krankenhaus erwachte, fühlte ich mich matt und müde. Die Ärzte erklärten mir, dass ich an einer bisher nicht erklärlichen Blutarmut litt. Als ich später eingehend meinen Hals im Spiegel betrachtete, konnte ich keine Verletzungen feststellen. Mein behandelnder Arzt entließ mich mit ein paar Medikamenten und Hinweisen nach Hause. Als ich ihn fragte, wie ich denn ins Krankenhaus gekommen sei, runzelte er die Stirn und blätterte in den Krankenunterlagen hin und her. „Mh, hier ist leider versäumt worden, eine entsprechende Eintragung vorzunehmen. Tut mir leid, die Frage kann ich Ihnen so nicht beantworten. Aber fragen Sie doch einfach unten in der Aufnahme noch einmal nach.“ Er schüttelte gedankenverloren den Kopf und murmelte im Hinausgehen noch eine Verabschiedung.

Als ich auf der Fahrt mit dem Taxi zum Hotel den Fahrer nach dem Unfall an der Brücke vom gestrigen Tag und der Sperrung fragte, blickte er mich im Rückspiegel fragend und fast ein bisschen mitleidig an. „Was für eine Sperrung? Ich bin gestern Nachmittag ein paar Mal von der Ortschaft ins Hotel gependelt, aber einen Unfall hab ich nicht gesehen.“ meinte er kopfschüttelnd.

Im Hotel angekommen verlängerte ich meinen Aufenthalt spontan um zwei Tage, um mich noch auszuruhen. Ich fühlte mich noch schlapp und meine Gedanken kreisten nur um das gestern Geschehene. Ich verspürte allerdings keine Angst. Ich erinnerte mich genau an jeden einzelnen Moment des gestrigen Tages, allerdings ein bisschen wie durch den Nebel, der durch den Wald gezogen war. Ich konnte mich genau an Lucas Aussehen und den modrigen Geruch erinnern. Und natürlich an den bittersüßen Moment des Bisses...

Den Rest des Tages hing ich meinen Gedanken nach, ließ mir das Essen aufs Zimmer bringen und blickte stumpf aus dem Fenster. In der Nacht träumte ich unruhig und erwachte von meinem eigenen Stöhnen. Nach dem Aufwachen hatte ich das Gefühl, dass gerade jemand aus dem Zimmer gegangen sei.
Morgens fühlte ich mich dann aber ausgeruhter, obwohl mir der Blick in den Spiegel etwas anderes sagte. Ich sah aus wie ein Gespenst. Blass war ich und unter meinen Augen hatten sich große dunkle Ringe gebildet. Ich musste jetzt etwas tun. Ich musste herausfinden, was mit mir geschehen war. Ich wusste nicht genau, ob ich Luca finden wollte oder nicht. Angst verspürte ich keine, eher ein flaues Unbehagen. Außerdem machte mich die Ungewissheit nervös.

Nach dem Frühstück schwang ich mich in mein Cabrio und düste los. Ich fuhr die Landstraße entlang, die vom Hotel zu der Brücke führte, an der der LKW-Unfall passiert war. Als ich langsam unter der Brücke hindurchfuhr, konnte ich keinerlei Anzeichen eines Unfalles entdecken. Ich folgte der Straße langsam weiter und beobachtete aufmerksam die Umgebung. Nach einer Weile mündete ein Waldweg auf die Landstraße. Das war die Abzweigung zu Lucas Haus! Ich war mir ganz sicher. Ich blinkte und bog ab. Mein Wagen rumpelte über den Weg, der jetzt bei Tageslicht viel breiter und freundlicher wirkte, als noch vorgestern.

Als ich die Wegbiegung passiert hatte, hinter der eigentlich der kleine Parkplatz und das Haus hätten auftauchen müssen, erschreckte ich mich so sehr, dass ich den Wagen abwürgte. Ich sah vor mir auf der Lichtung im Sonnenschein eine Ruine. Es war das gleiche Haus wie vorgestern, aber es war mehr als baufällig. Die Fensterscheiben waren eingeschlagen, eine Haustür war gar nicht vorhanden und der Dachstuhl war eingestürzt. Das ganze Gebäude war von Efeu und anderen Klettergewächsen zugewuchert und das, was einmal der Garten war sah nicht anders aus, als der Wald, der das Haus umgab.

Ich stieg aus und ging ein paar Schritte auf das Haus zu. Ich rieb mir die Augen und schüttelte mich, aber das Bild vor mir änderte sich nicht. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Ich ging auf das Haus zu. Von den Solarlampen und der Eingangstür war weit und breit nichts zu sehen. Als ich über die Schwelle schritt, stieg mir sofort der altbekannte Modergeruch in die Nase. Erschrocken blickte ich mich um, konnte aber niemanden entdecken. Ein Windzug fegte durch die Ruine und ließ mich frösteln. Dann war mir kurz so, als ob jemand ganz leise meinen Namen gerufen hätte. Ich schritt weiter durch das zerfallene Haus. Von der High-Tech-Küche und dem in Glas gefassten Wohnraum war keine Spur mehr zu entdecken. Als ich in den hinteren Garten hinaustrat, sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ich drehte mich und sah noch flüchtig einen schwarzen Schatten hinter einem Busch verschwinden. War das etwa Buddy? Ich rannte los, um zu sehen, ob er das gewesen sein konnte und wohin er gelaufen war. Hinter dem Busch standen in weitem Abstand alte Buchen. Ich blickte mich um und wieder sah ich nur den schwarzen Schatten um einen Baumstamm herumflitzen. Erneut rannte ich hinterher. Atemlos erreichte ich eine kleine Lichtung. Mitten auf der Lichtung stand ein kleiner verwitterter Grabstein. Ich trat näher, obwohl ich im Grunde fast wusste, was mich erwartete. Auf dem porösen Stein, der schon reichlich mit Moos bewuchert war, stand der Name LUCA GIANI. Darunter war ein kleines Kreuzchen eingemeißelt, dahinter das Datum 20.10.1898.
 

bluesnote

Mitglied
Punkt für Punkt zum Ende geführt. Aber zu lang.

Hallo MeIP

Man merkt, du hast in diesem Text mit viel Mühe Stimmungen etabliert und Szenen aufgebaut.
Darf ich kurz den Grundgedanken deiner Story anreißen:

1. Da ist Johanna, die sich im Wald verirrt.
2. Sie trifft auf einen Mann, der vorgibt, sie zum Hotel bringen zu wollen. ( Konflikt Nr.1 Der Leser ahnt es.)
3. Ein Unfall. (Der wird gebraucht für die Auflösung der Geschichte)
4. Der Biß (Action)
5. Der Taxifahrer klärt auf. (der Unfall war gestellt. Von narrativen Haken kann man jetzt – glaube ich, nicht mehr sprechen, es geht zur Auflösung hin.)
6. Die Auflösung: Der Grabstein mit der Inschrift.

Diese 6 Punkte bilden das Grundgerüst deiner Geschichte, wie ich meine.

Und nun kommt’s, weswegen ich obiges notiert habe. Alles dazwischen ist zu lang ausgeschmückt. Du erzählst gerne, so wie ich und verlierst dich meiner Meinung nach zu sehr in Details; weichst ab von der direkten Linie zum nächsten Punkt.

Ein Beispiel:

Während ich noch überlegte, was das für ein Geruch sein könnte, erschien Luca mit einem heißen Getränk. „Kommen Sie, wir machen Ihnen erst mal etwas Heißes zu trinken.“ Er glitt vor mir den Flur entlang. Ich folgte ihm und stand nach ein paar Schritten unmittelbar vor der Küche. Ich trat hinter Luca ein. Er begann am Kühlschrank zu werkeln. „Nehmen Sie ruhig Platz.“ sagte er und deutete auf drei Barhocker, die vor einer Theke standen, die die halbe Küche einrahmte. Nachdem ich mich gesetzt hatte, blickte ich mich um. Auch die Küche war sehr modern eingerichtet. Viel Chrom und Metall und eine Menge Maschinen und Geräte. Aber sie wirkte irgendwie so unbenutzt. Ich konnte nirgendwo Lebensmittel oder Gewürze oder ähnliches entdecken. Nur die kahlen Schränke. Auf der rechten Seite schien die Küche direkt in den Wohnbereich überzugehen. Dieser war jedoch mit einer riesigen Milchglasschiebetür abgetrennt.

Während ich überlegte, was das für ein Geruch sein könnte, erschien Luca mit einem heißen Getränk. Wir gingen durch den Flur in die Küche. Ich setzte mich, die Küche wirkte unbenutzt, nirgendwo standen Gewürze oder Lebensmittel

Dein Text ist voll von solchen Beispielen, du könntest einiges raffen.

Du und ich, wir brauchen diese Ausschmückungen. Das macht für uns eine Geschichte erst richtig gut. Doch in der heutigen, schnellen Zeit müssen auch Geschichten immer rasanter zu lesen sein. Das hab ich in dem Jahr, seit dem ich in der Leselupe bin, festgestellt.

Hier noch etwas: lass den Leser mitdenken, er wartet drauf.

Während ich überlegte, was das für ein Geruch sein könnte, erschien Luca mit einem heißen Getränk.

OK, genaugenommen erscheint Luca ja jetzt nur mit dem Getränk. Der Leser wird aber darauf schliessen - Johanna ist Gast, also wird er ihr etwas zu trinken anbieten. Man braucht den Leser also in so einer Szene nicht unbedingt an die Hand zu nehmen.

Gut gemacht finde ich die gleichmässigen Absätze, auch die Idee und das Gerüst der Story gefällt mir.

Ich bin kein Literaturwissenschaftler, kann nur laienhaft erklären. Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anregungen geben.

Viele Grüsse und einen schönen ersten Mai.
 
K

kuschelmuschel

Gast
Hallo MelP,

Die Geschichte gefällt mir, wenn ich auch noch einige Anmerkungen habe.

Das mit dem Schatten der auf dich zurast, ganz richtig scheint es mir nicht zu sein, da er, wenn er direkt vor deinen Füßen ist, eigentlich schon nicht mehr auf dich zurast, sondern schon da ist.
Hieraus könntest du mehr machen. Mehr Spannung. Mehr Emotionen. Es kommt doch sehr distanziert rüber. Nicht so wie selbst erlebt. Und es ist für meinen Geschmack zu kurz. Zumindest im Vergleich zu den Erzählungsteilen.

Das scheint mir auch das Problem der Geschichte zu sein. Die spannenden Stellen handelst du sehr kurz ab, während die erzählerischen Stellen sehr detailfreudig geschildert sind. Das Gleichgewicht stimmt irgendwie nicht.


/Wie hypnotisiert klebte ich regelrecht an seinen Pupillen, die den Eindruck vermittelten, tief in eine geheimnisvolle Welt sehen zu können./

Was für eine Welt meinst du?
Ich würde das mit der geheimnisvollen Welt weglassen.


/dann verdeutlichte er mir, dass ich wirklich sehr weit weg vom Hotel und dem nächsten Ort war. /
Wieso, kann er nicht sprechen?


Was mir sehr gut gefallen hat, ist der logische Aufbau.

Also, wenn du noch ein bisschen an der Dramatik feilen könntest, fände ich die Geschichte wirklich klasse.

Viele Grüße

Michael
 

MelP

Mitglied
Kritik

Hallöle,

vielen Dank Ihr beiden für Eure Kritik! Das mit dem Ausschmücken ist sicher absolut richtig, ich liebe lebendige Details in Geschichten, die den Eindruck vermitteln, dass man alles sehen kann. Aber da meine ich es wohl oft zu gut!
Auch der Tipp mit der Dramatik in den entscheidenden Momenten ist richtig, da war ich ein bisschen zu kurz im Beschreiben.
Ich werde Eure Anregungen beherzigen und versuch bei Gelegenheit, sie einzubauen (auch das mit dem Hund).
Vielen vielen Dank, hab mich sehr über Eure Beiträge gefreut!
Liebe Grüße

Mel
 

MelP

Mitglied
Überarbeitete Version

So, hier noch einmal mit Berücksichtigung Eurer Anregungen. Mehr Ändern ging nicht, das fällt mir irgendwie im Nachhinein sehr schwer. Aber ich werde die Ratschläge auf jeden Fall für die folgenden Geschichten beherzigen. Nochmals Danke und Grüße
Mel
 

bluesnote

Mitglied
Ganz schön flott.

Hallo MeIP

Ich finde, die Story ist jetzt flüssiger zu lesen.
Gut gemacht finde ich auch die Beschreibung der Heldin durch die Augen Lucas. Die schnelle Fahrt läßt den Leser ahnen, was für einen Durst Luca hat. Denn es war mir klar, das Luca nur ein Vampir sein kann. Ein gut aussehender Mann in einem einsamen Wald. Zeigen, nicht behaupten finde ich, hast du hier sehr schön praktiziert.
Und du hast Ahnung von der Vampirerei.
Er wird sie immer wieder aufsuchen so wie das Verlangen, Geschichten zu erzählen uns aufsucht.
Ich bin froh, das du in diesem Forum bist, MeIP.

Hier fiel mir noch etwas ein, aus Fritz Gesing / Kreativ schreiben.

Ich zitiere:

Die letzte Szene ist die Summe des Bisherigen, Ausklang nach der Entscheidung, sie zieht einen endgültigen Schlußstrich ( Inschrift im Grabstein = Auflösung).
Kein loser Plot wird begonnen, nirgendwo lose Endstücke oder Überraschungen ( Der Hund führt die Heldin hervorragend zum Ende). Der Leser schließt das Buch mit einem klaren, zufriedenen Gefühl.

Ich glaube, du hast nach folgendem Grundsatz gehandelt: Der Autor arbeitet vom Ende her, während der Leser auf ein Ende hin denkt.

Viele Grüße
 

MelP

Mitglied
Dankeschön!

Hallo Udo,
vielen Dank zunächst, ohne Deine (Eure) Ratschläge wärs nur halb so spannend gewesen! Das Zitat gefällt mir sehr gut. Sag mal, überlegst Du Dir Deine Stories schon von vornherein mit allem Drum und Dran (Spannungsbogen, Ablauf, Ende etc) oder "lässt Du es einfach laufen"? Ich weiß nicht so recht was besser ist. Bei einem so getimten Ablauf ginge mir glaube ich schnell ein Teil der Phantasie flöten...

Ich muss mich an dieser Stelle noch mal für die Kommentare bedanken, war wirklich dolle hilfreich - jemand der sich Gedanken um MEINE Geschichte macht - wow! Finde ich noch wichtiger, als welche zu veröffentlichen. Aber so richtig trau ich mich immer noch nicht dran, weil ich denke, dass viele das irgendwie besser beurteilen können als ich.

So nun genug für heute, liebe Grüße und - hoffentlich - bis bald

Mel
 

bluesnote

Mitglied
Trau dich.

Hallo Mel,

Zu deinem letzten Satz. Schon bei den ersten Zeilen deines Textes wurde mir bewußt, hier arbeitet ein Handwerker, der einiges über das Schreiben kennt. Ehrlich gesagt, war das der erste Grund, warum ich weiter gelesen habe.

Kurze Storys, wo man sagt – na ja, einen Schritt über Blümchenlyrik hinaus, schreibe ich aus dem ff. Vorsichtig geworden bin ich da schon bei längeren Geschichten. 35000 Wörter geschrieben und dann gemerkt, die vielen Enden fügen sich niemals zu einem Seil zusammen ( siehe eben mein Zitat).
Ich gebe allerdings zu, das es mir schwer fällt, so was wie ein Storyboard anzulegen.

Das die Phantasie leidet, wenn man eine längere Story konstruiert, davor habe ich auch Angst.

Da ich gerade bei Zitaten angelangt bin, hier noch ein Absatz aus dem Buch Suspense von Patricia Highsmith.

Ich zitiere:

Hinweise für den Plot
Bei einem Anfänger halte ich es für besonders ratsam, daß er sich Kapitel für Kapitel einen Aufriß macht – die Notizen brauchen immer nur kurz zu sein -, denn Anfänger neigen dazu, sich zu verzetteln. Der Ansatzpunkt für einen Kapitelaufriß sollte die Frage sein, die man sich selber stellt: > Wie bringt dieses Kapitel die Story voran? < Hat man eine weitschweifige Vorstellung für das Kapitel im Auge mit vielen kunstvollen Sätzen und bildhaften Wendungen, so ist Vorsicht geboten: es mag klüger sein, die Idee fallen zu lassen, wenn sie die Geschichte nicht um ein, zwei Schritte voranzutreiben vermag. Hat man jedoch das Gefühl, die Idee für das Kapitel bringe die Story weiter, dann muß man die Punkte festhalten, die man in diesem Kapitel vorlegen will... Zitatende.

Wie bringt dieses Kapitel die Story voran – diesen Satz halte ich für sehr wichtig. Wenn ich schreibe, frage ich mich regelmäßig danach.

So, genug gefachsimpelt für heute. Ich leg mir jetzt einen langsamen, alten Blues auf und überlege, warum Big Mama Thornton Big Mama Thornton hieß. „grübel“

Würde mich freuen, mal wieder was von dir zu hören, Mel.

Viele Grüße
 

MelP

Mitglied
Handwerker

Moin Udo,

der Handwerker scheintst ja eher Du zu sein:) Hast ziemlich viel drauf, was so die ganze Technik betrifft!!!! Zitat war sehr interessant, werd mir wohl auch mal mehr über solche Sachen Gedanken machen müssen. Ich hab nur ein Buch über Schreibtechniken gelesen, ist ein bisschen trocken gewesen... Kannst Du mir welche empfehlen?

So, nun muss ich mich wieder mehr mit dem Nüchternen befassen und ein paar Widerspruchsbescheide schreiben...ist nicht so spannend, aber was hilfts!!!

Liebe Grüße und schönen Tag

Mel
 

bluesnote

Mitglied
Schriftsteller werden

Hallo Melanie

Ein Buch gefällt mir, und zwar Schriftsteller werden von Dorothea Brande.
Hier werden nicht unbedingt Techniken gelehrt, sondern Themen behandelt wie: Schreibblockade, Wie man das Unbewußte lenkt oder Kritische Betrachtung der eigenen Arbeit. Ich finde, das Buch geht weit über trockene Theorie hinaus und behandelt die Probleme von Autoren, bevor überhaupt eine Geschichte entsteht.

Dann gibt es z.B. eine Webseite, die von einem Autoren in der LL auch schon genannt wurde, dort werden neben vielen Tips über das Schreiben auch Fachbücher vorgestellt.

http://www.autorinnen.de/index.shtml


Viele Grüsse. Bis dann.
Tschö!
 



 
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