Bitterböse Träume 1

Fredy Daxboeck

Mitglied
Dem Wachen ist das Konzept des Traums bekannt,
aber für den Träumenden gibt es kein Erwachen,
keine wirkliche Welt,
keine sichere Zukunft;
nur das kreischende Tohuwabohu des Schlafs.


prolog

Brüllend stürzten die eiskalten, türkisgrünen Wassermassen der Vidumer Ache über die natürli-che Barriere zwischen hochaufragenden und wild gezackten Felsen, die am Eingang der Schlucht wie willkürlich hingeworfen wirkten, und einigen verkrüppelten Kiefern, die sich haltsuchend in dem Gestein festkrallten, in die Tiefe. Dort verwandelten sie sich in eine weißschäumende bro-delnde Hölle; einen weiten Bogen aus schillernden Wassertröpfchen aufwerfend, der in der hel-len Frühjahrssonne glitzerte und blinkte. Das Echo hallte in der engen Schlucht wider, rollte hin und her, vermengte sich mit dem unablässigen Rauschen des Wassers und erstickte alle ande-ren Geräusche und jeden Ton rundum. Über sechzehn Meter hoch war der Wasserfall an dieser Stelle der Ache. Und er war erst der Anfang von zehn Kilometer Wildwasser. Zehn Kilometer grünes brüllendes, tosendes Wasser, das sich durch die enge Schlucht zwängte und kämpfte und schäumende, glitzernde Gischt aufwarf. Steil aufragende Felsen links und rechts davon, blankgescheuert von Wind und Regen. Mörderische Klippen, die mitten im Fluss standen und vor denen sich die Strömung teilte, um noch reißender zu werden, noch unbändiger und noch ge-fährlicher. Ein Naturschauspiel, das aus sicherer Entfernung gesehen faszinierend und erschrek-kend zugleich war.
Der Himmel spannte sich an diesem spätem Frühlingsnachmittag blassblau über die schmale Schlucht. Die Schneeschmelze war nicht lange vorüber und die Strömung reißend und wild. Wie ein ungebärdetes, zorniges Tier kämpfte, rollte und wand sich die Ache in ihrem engen Bett; bereit jeden und alles zu verschlingen, das in ihre Nähe kam.
Ein Baumstamm, von fleißigen Bibern irgendwo am Oberlauf der Vidumer Ache gefällt und vom Wasser mitgerissen, zwängte sich zwischen den Felsen hindurch. Von der unbarmherzigen Strö-mung des Flusses in seine Bahn gezwungen, stürzte er über den Wasserfall. Für einen kurzen Augenblick verhakte er sich mit seinen Wurzeln in den scharfkantigen Felsen, als ob er sich dort festkrallen wollte um gegen sein Schicksal anzukämpfen, stürzte aber dann doch mit den weiß-schäumenden Fluten in die Tiefe. Gespenstisch lautlos klatschte er unten auf, reckte seine Zweige ein letztes Mal in den blassen Himmel, als ob er nach Hilfe greifen wollte, wurde unter Wasser gerissen, ausgespuckt, und wieder hinabgezogen. Der reißende Fluss nahm ihn mit auf seine Reise, ließ ihn auf seinen Wellen tanzen und reiten und schmetterte ihn mit all seiner Kraft mal hierhin, mal dorthin; bis er an einem der zahlreichen Felsklippen zerschellte und in Stücken, Splittern und Trümmern seinen Weg flussabwärts fortsetzte.
Einsam wanderten ein paar Wolkenfetzen von Süden her über das Land. Ein aufkommender leichter Wind trieb eine Fahne aus trockenem Laub und Staub vor sich her und ließ eine Feder, von einem jagenden Bussard verloren, kurz im Wind tanzen, drehte sie im Kreis, warf sie hoch und wirbelte sie herum; bis sie spielerisch über den Rand der Schlucht taumelte und ver-schwand. Eine Eidechse, schlank und braun mit schwarzen Streifen und langem Schwanz sonnte sich bewegungslos auf einer kleinen Felsnase. Nur ihre Lider, die gelegentlich träge blinzelten, verrieten, dass sie lebendig war. Plötzlich zuckte eine Bewegung durch das kleine Tier und blitz-schnell verschwand es geschmeidig in einer Felsritze. Die hastigen Bewegungen eines Menschen hatten es aufgeschreckt und verjagt.


bald gehts weiter
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sieh hinter den Horizont und finde . . . mich
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