Bitterböse Träume 2

Fredy Daxboeck

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Keuchend und fluchend hetzte der Mann zwischen den eng stehenden Bäumen hervor, sah sich lauernd um, horchte mit erhobenem Kopf und hastete dann weiter. Schweiß lief in schmalen Streifen über sein bärtiges Gesicht und tropfte auf die fleckige Jacke aus fein gegerbtem Rehle-der. Seine langen braunen Haare die vorne zu zwei dünnen Zöpfen gebunden waren hingen ihm wirr ins Gesicht und verdeckten zum Teil seine Augen, die wild flackerten. Der Mann war groß und breitschultrig. Seine Bewegungen waren geschmeidig aber herisch. Er steckte in hirschle-dernen Hosen und in langen, aus festem Leder gefertigten und mit Fell ausgekleideten Stiefeln, die mit dünnen Lederriemen verschnürt waren. In der rechten Hand hielt er eine große Axt, dessen schwere Doppelklinge mit Lederriemen an einem unterarmlangen Schaft aus Eschenholz festgebunden war, umklammert. Die einzige Waffe die er bei sich hatte.
Douglas, ein keltischer Krieger vom Stamm der Vidumer, verfluchte sich selbst, dass er seinen Langbogen und den Köcher mit den Pfeilen zurückgelassen hatte, um so besser durchs Dickicht zu kommen. Er hätte wissen müssen, dass er seine Verfolger so schnell nicht abschütteln konnte. Sie waren zu Pferde, während er sein Reittier hatte stehen lassen müssen. Und sie kannten das Gelände besser als er. Die Idee durchs Dickicht zu entkommen und in die Schlucht zu flüchten, war auch nicht so gut, wie er ursprünglich gehofft hatte. Sie hatten seinen Plan schnell durchschaut und ihm den Weg abgeschnitten. Douglas fluchte wild vor sich hin. Er war müde und machte Fehler. Aber er war auch seit gestern abend unterwegs auf der Jagd. Wahrscheinlich würden sie ihn noch vor der Schlucht abfangen. Douglas stieß der Gedanke ziemlich bitter auf. Ja, sie würden ihn mit Sicherheit noch vor der Schlucht abfangen. Aber er wollte es ihnen nicht zu leicht machen. Er würde sich nicht kampflos ergeben. Sollten sie doch dafür bezahlen. Knurrend wandte er sich um. Das Tosen des Wasserfalls war hier so laut, dass er nicht hören konnte, wie nahe ihm seine Verfolger schon waren. Er schlug deshalb einen Haken und lief nun knapp am Waldrand entlang, in entgegengesetzter Richtung zum Wasserfall. Damit lief er ihnen zwar direkt in die Arme, aber sobald er sie entdeckte, würde er im Wald verschwinden. So hoffte Douglas hinter die Reihen seiner Feinde zu kommen und sie zu umgehen. Er musste sich ein Pferd besorgen. Damit hätte er vielleicht eine Chance, ihnen zu entkommen. Sein Atem ging pfeifend und seine Beine begannen sich schmerzhaft bemerkbar zu machen. Er war das Laufen in unwegsamen Gelände einfach nicht gewohnt. Er hatte, wie alle Krieger seines Volkes, schon als kleines Kind reiten gelernt, und legte jede größere Strecke zu Pferd zurück. Nur weil er gehofft hatte, durch die Schlucht zu entkommen, und ihm sein Pferd dabei hinderlich gewe-sen wäre, hatte er es freigelassen; in dem Bewusstsein, dass es seinen Weg nach Hause auch allein finden würde.
Douglas lief dicht am Waldrand entlang, wich geschickt dicken, weit ausladenden Ästen aus, sprang über umgestürzte Bäume und Dornendickichte und warf immer wieder einen schnellen Blick über die Schulter. Sollte er sie doch abgehängt haben? Übermütig und vor Erleichterung lachend, schüttelte er die Faust mit der Streitaxt und bückte sich unter einer schief stehenden, knorrigen Fichte durch, als er direkt hinter sich ein derbes Krachen, das Splittern von Zweigen und laute Rufe hörte.
"Da vorne ist der Kerl, los beeilt euch, er darf uns nicht entwischen"
"Radwolf, nimm ein paar Männer und schneide ihm den Weg ab!"
"Kai, du kommst mit mir!"

Douglas keuchte überrascht auf, warf sich herum und sprang so schnell er konnte ins dichte Gebüsch am Waldrand. Zu spät. Sie hatten ihn längst entdeckt. Mit kurzen, abgehackten Schreien riefen sie einander weitere Befehle und Anweisungen zu.

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sieh hinter den Horizont und finde . . . mich
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