Frank Zimmermann
Junior Mitglied
Als das Telefon klingelte hatte Franz für einen kurzen Moment das Gefühl, das Klingeln klinge nach Ärger. Sein nächster Gedanke war, seine Mutter könne dran sein. Weiter kam er nicht mir denken, denn er nahm ab:
- Lehmann?
- Ja, hi, ich bin's. Hör mal, ich hab wieder ein Problem mit dem Wagen - aber diesmal bin ich nicht schuld. Mir ist einer hinten drauf gefahren...
- Ja, und?
- Ja, die wollen das ohne Polizei regeln, weil der junge Mann den Führerschein noch auf Probe hat. Der Vater ist hier, der will die Reparaturkosten übernehmen und die Kratzer auf der anderen Seite will der auch machen lassen. Ich geb' dir den mal...
- Ja, guten Tag, Rheinband ist mein Name. Mein Sohn ist in ihr Auto gefahren und das hat jetzt eine ziemliche Beule. Da mein Sohn den Führerschein noch auf Probe hat, habe ich vorgeschlagen den Wagen bei einer Firma machen zu lassen, die ich kenne. Ich habe beruflich mit Autos zu tun und die Werkstatt ist wirklich gut. Also, wenn sie einverstanden sind, müßte sich das doch ohne die Polizei regeln lassen.
- Ja, hört sich vernünftig an.
- Also, sind sie einverstanden?
- Ja, einverstanden.
- Ja, dann sagen sie das ihrer Tochter oder Schwester oder was sie ist.
- Sie ist meine Frau...
- Ja, ich bin's wieder. Und?
- Ja, mach so wie der Typ gesagt hat.
- Okay, dann bis später.
Oh Mann, die Frau hat echt Talent, der vierte Unfall in kurzer Zeit. Franz war wenig begeistert, nachdem er aufgelegt hatte. Und dann rief sie ihn auch noch an und frug ihn um Erlaubnis die Sache auch ohne Polizei regeln zu dürfen. Sie war doch seine Frau und nicht sein kleines Mädchen! Das sagte er ihr auch, als sie nach Hause kam. Doch dann beruhigte er sich schnell. Marie berichtete ihm, daß ihre Freundin Kiki im Auto gesessen habe, als der Unfall passierte. Sie hatte gesehen, daß der Fahrer nach hinten geguckt und deshalb nicht gesehen habe, daß sie stehengeblieben war. Der Fahrer habe Marie ein schriftliches Schuldeingeständnis gegeben und K war mit in der Werkstatt, in die der Wagen gebracht wurde. Rheinband habe dort alles geregelt. Offenbar kannte er den Meister gut, denn die beiden hatten sehr vertraut miteinander gewirkt. Marie schloß damit, daß der Wagen in drei Tagen fertig sei, und daß auch die Lackschäden von ihrem letzten Malheure mit der Hausecke behoben werden würden. Franz war zufrieden, hatte die Sache doch einen positiven Nebeneffekt und war glimpflich ausgegangen.
- Wie sie wissen nicht von welchem Fiesta ich rede?
- Hören sie, vielleicht haben sie sich ja in der Werkstatt geirrt, ich habe jedenfalls noch zu arbeiten.
Damit ging der Meister auf die beiden zu und streckte den rechten Arm aus, so als wolle er sie aus dem Büro schieben.
- Jetzt reden sie doch keinen Unsinn. Ich war doch selber mit hier, am Freitag. Sie selber haben mit mir gesprochen. Sie müssen sich erinnern. Ich war mit ihrem Bekannten da: Rhein... Rheinband.
- Rheinband? Nie gehört! Schluß jetzt mit der Diskussion, ich habe zu tun.
Franz nahm Marie am Arm und die beiden gingen zum Auto der Schwiegereltern, in dem sie hergekommen waren.
- Jetzt stecken wir aber schön in der Tinte.
- Franz, ich bin mir sicher, der Typ lügt extra! Ich meine, ich bin doch nicht bescheuert. Ich war hier!
- Okay, ich glaub dir ja. Überleg lieber mir, was wir jetzt am besten machen.
- Ich ruf meinen Vater an...
- Ach, du kannst doch nicht immer, wenn's mal schwierig wird, Papa anrufen. Da müssen wir jetzt selber durch. Ruf lieber diesen Rheinband an; die Nummer hast du doch?
- Ich hab die Handynummer von dem Sohn.
- Dann ruf eben den an, schließlich ist der für den Schlamassel hier verantwortlich. Hätte der geguckt wo er hinfährt, dann würden wir jetzt nicht hier stehen.
Marie nahm ihr Handy aus der Tasche und drückte ein paar Knöpfe. Doch sie bekam nicht die Stimme von Rheinband junior zu hören, sondern nur die Ansage, daß der Teilnehmer nicht zu erreichen sei.
- Und jetzt?
- Jetzt fahren wir zur Polizei. Du hast doch die Nummer von dem Unfallwagen?
- Die steht in meinem Kalender.
- Dann los. Wenn wir Glück haben ist unser Auto ja noch nicht über die Grenze.
- Sehr witzig...
- Tja, wir raten immer dringend dazu solche Angelegenheiten nicht ohne uns zu regeln. Sie sehen ja was dabei rauskommt.
Der Polizist hatte sich die Geschichte in Ruhe angehört. Jetzt saß er vor dem Computerbildschirm und wartete auf die Ergebnisse.
- Da haben wir's ja: Es ist ein Mercedes und die Zulassung läuft auf einen Rheinband, Friedhelm. Soweit sind ihre Angaben also schon mal schlüssig.
- Und was machen wir jetzt?
- Jetzt fahre ich mit ihnen da hin und dann fühlen wir dem Herrn mal auf den Zahn. Olli, kommst du? Wir müssen noch mal raus.
Unterwegs erzählte der Beamte seinem Kollegen Olli die Geschichte. Dieser staunte nicht schlecht.
Franz und Marie fuhren hinter dem Streifenwagen her, bis vor das Rheinbandsche Haus. Villa war wohl ein passenderer Ausdruck. Nachdem der Polizist geklingelt hatte, mußte er in ein Objektiv blicken, während er durch die Gegensprechanlage erklärte, daß er Herrn Rheinband sprechen wolle. Ein summendes Geräusch entriegelte das Tor und die vier schritten über den Kiesweg zur Haustüre. Rheinband selbst öffnete, Marie erkannte ihn sofort. Rheinband besah die vier und sein Blick blieb, wie sie glaubte, kurz auf Marie haften. Mir keiner Miene verriet er jedoch, ob er sie erkannt habe.
Der Polizist erklärte in welcher Angelegenheit sie gekommen seien. Rheinband bestätigte, daß er einen Sohn habe, der seit kurzem den Führerschein habe und hin und wieder den väterlichen Wagen fahre. Von einem Unfall wisse er allerdings nichts und die Frau, dabei zeigte er auf Marie, habe er auch noch nie gesehen.
Die Beamten baten darum den Wagen sehen zu dürfen.
Rheinband kooperierte ohne zu zögern und führte sie zu der großzügigen Garage. Der dunkelblaue Mercedes, der darin stand, war in tadellosem Zustand. Nicht die Spur eines Kratzers.
Sie verließen die Garage wieder und Rheinband bat nun seinerseits die Polizisten darum, sie kurz unter vier Augen sprechen zu dürfen. Der Polizist Olli bat Marie und Franz schon mal zum Wagen zu gehen, dann folgte er seinem Kollegen und Rheinband Richtung Haus.
- Ich glaube das alles nicht, das ist ja wie in einem scheiß Psychothriller. Gleich kommen die beiden wahrscheinlich raus und verhaften mich wegen Mordes oder sowas.
- Jetzt mach mal halblang. Irgendwie wird sich die Sache schon aufklären.
Franz hatte den Satz kaum beendet, da kamen die beiden aus dem Haus und verabschiedeten sich freundlichst bei Rheinband und entschuldigten sich für die Störung. Nebeneinander kamen sie zum Streifenwagen. Olli schob seine Mütze in den Nacken und blickte Marie taxierend an.
- Was war da drinnen los?, wollte Marie wissen, Was hat der Kerl gesagt?
- Wollen sie wirklich, daß wir das hier sagen, vor ihrem Mann?
Verstört blickte Marie zu Franz.
- Was soll das denn wieder heißen? Was sollte ich dagegen haben? Also?
- Rheinband meint, sein Sohn sei ein sehr hübscher Junge und es habe schon mehrfach... "Weibergeschichten" gegeben. Er vermutet, sie haben sich die Geschichte ausgedacht, um sich an seinem Sohn zu rächen, weil der sie in den Wind geschossen hat. So, jetzt sind sie dran.
Marie zitterte. Sie atmete hörbar, dann begann sie still zu weinen und schlug die Hand vors Gesicht. Franz nahm sie in den Arm.
- Komm, wir fahren erst mal nach Hause. Wir melden uns wieder bei ihnen!, ließ er die Beamten wissen und brachte Marie in den Wagen.
- Wir werden sehen., erwiderte Olli und die beiden verschwanden in ihrem Streifenwagen.
Marie weinte auf der gesamten Rückfahrt und dann auch Zuhause noch eine Weile in Franz' Arm. Dann blickte sie auf.
- Ich glaube das alles nicht. Das kann doch nur ein Alptraum sein, oder?
- Ja, scheint fast so. Wichtig ist aber, daß ich dir glaube. Was ist mir Kiki, die war doch dabei?
- Ja klar! Ich rufe sie gleich mal an. Vielleicht hat sie ja morgen Zeit um mit zur Polizei zu fahren, um die Geschichte zu bestätigen.
Doch statt Kiki kam ihr Bruder an den Apparat und erklärte, Kiki liege im Krankenhaus. Seine Eltern seien sofort nach der Benachrichtigung hingefahren. Kiki sei von einem PKW erfaßt worden. Es sei Fahrerflucht. Mehr wisse er auch nicht, weil seine Eltern noch nicht wieder angerufen hätten. Ja, Kiki sei im Marienhospital, aber vor morgen dürfe außer den Eltern eh niemand zu ihr, soviel sei jetzt schon klar.
Marie bedankte sich und berichtete Franz was sie eben erfahren hatte. Scheiße, war sein einziger Kommentar, dann begann er auf seine Nagelbetten zu beißen.
In dieser Nacht fanden die beiden wenig Schlaf. Ms Hirn fuhr Karussell. Alles in ihrem Kopf drehte sich und unter der Schädeldecke brannte und hämmerte es, trotz der zwei Aspirin und der Paracetamol. Franz hatte sich mit zwei Bier wenig erfolgreich zu umnebeln bemüht. Am Morgen waren seine Finger an den Nägeln blutig, so wie Ms Lippen. Beide duschten und machten sich dann ohne Frühstück auf den Weg zum Krankenhaus. Marie stellte tonlos die Frage, die die ganze Nacht auf ihr gelastet hatte:
- Glaubst du der Unfall hat was mit der Geschichte zu tun?
- Ach Quatsch. Es war ein Unfall!
- Aber das ist doch komisch: erst fährt mir einer hinten drauf, dann verschwindet unser Auto und der Typ in der Werkstatt verleugnet mich zu kennen. Dann unterstellt mir dieser Rheinband einen Rachefeldzug aus Eifersucht und schließlich kommt die einzige Person, die meine Geschichte bezeugen könnte, unters Auto.
- Alles nur ein dämlicher Zufall. Jetzt mach dich mal nicht selbst verrückt. Wahrscheinlich sitzt Kiki jetzt putzmunter mit einem Gipsbein im Bett.
Der Aufzug entließ sie auf der siebten Etage in das kaltweiße Neonlicht der Flurleuchten. An der Pforte hatte man ihnen gesagt Kiki liege auf der Chirurgie II, Stock sieben. Als Marie am Schwesternzimmer nach Kiki frug, stockte die Schwester einen Moment.
- Sind sie eine Verwandte?
- Ich bin die Schwester., log Marie, wie sie es so oft im Film gesehen hatte.
- Moment bitte, ich hole den Arzt.
Auch diesen Satz kannte Marie aus dem Fernsehn und eine dunkle Ahnung überkam sie. Kurz darauf kam die Schwester mit einem blassen, hageren, jungen Mann in einem fleckigen Kittel zurück, dem man eine lange Nacht ansehen konnte.
- Sie sind die Schwester?, fragte er mißtrauisch.
- Ja.
- Komisch, ihre Eltern haben sie gar nicht erwähnt...
- Ich wohne nicht mehr Zuhause. Meine Eltern haben sicher nicht damit gerechnet, daß ich so schnell kommen konnte. Also, wie geht es meiner Schwester?
- Nun ja, die Verletzungen ihrer Schwester waren sehr schwer. Wir haben alles Menschenmögliche getan, aber am Morgen hatte sie einen Herzstillstand und wir konnten sie nicht mehr zurückholen. Tut mir leid.
Wieder weinte Marie lange in Franz' Arm. Kein klarer Gedanke wollte sich fassen lassen und so saß sie verwirrt und traurig und verzweifelt auf dem Beifahrersitz, während Franz heimwärts steuerte. Ihr Handy riß sie aus ihrer Gedankenlosigkeit:
- Ja?
- Hallo, hier ist Sebastian Rheinband. Ich wollte ihnen nur sagen, daß es mir schrecklich leid tut, daß alles so gekommen ist. Ich wollte das nicht. Aber sie sollten die Sache auf sich beruhen lassen. Mein Vater ist in solchen Dingen unberechenbar und es wäre doch schrecklich, wenn noch jemand sterben müßte...
Dann hörte Marie ein Knacksen und dann nur noch weißes Rauschen.
- Lehmann?
- Ja, hi, ich bin's. Hör mal, ich hab wieder ein Problem mit dem Wagen - aber diesmal bin ich nicht schuld. Mir ist einer hinten drauf gefahren...
- Ja, und?
- Ja, die wollen das ohne Polizei regeln, weil der junge Mann den Führerschein noch auf Probe hat. Der Vater ist hier, der will die Reparaturkosten übernehmen und die Kratzer auf der anderen Seite will der auch machen lassen. Ich geb' dir den mal...
- Ja, guten Tag, Rheinband ist mein Name. Mein Sohn ist in ihr Auto gefahren und das hat jetzt eine ziemliche Beule. Da mein Sohn den Führerschein noch auf Probe hat, habe ich vorgeschlagen den Wagen bei einer Firma machen zu lassen, die ich kenne. Ich habe beruflich mit Autos zu tun und die Werkstatt ist wirklich gut. Also, wenn sie einverstanden sind, müßte sich das doch ohne die Polizei regeln lassen.
- Ja, hört sich vernünftig an.
- Also, sind sie einverstanden?
- Ja, einverstanden.
- Ja, dann sagen sie das ihrer Tochter oder Schwester oder was sie ist.
- Sie ist meine Frau...
- Ja, ich bin's wieder. Und?
- Ja, mach so wie der Typ gesagt hat.
- Okay, dann bis später.
Oh Mann, die Frau hat echt Talent, der vierte Unfall in kurzer Zeit. Franz war wenig begeistert, nachdem er aufgelegt hatte. Und dann rief sie ihn auch noch an und frug ihn um Erlaubnis die Sache auch ohne Polizei regeln zu dürfen. Sie war doch seine Frau und nicht sein kleines Mädchen! Das sagte er ihr auch, als sie nach Hause kam. Doch dann beruhigte er sich schnell. Marie berichtete ihm, daß ihre Freundin Kiki im Auto gesessen habe, als der Unfall passierte. Sie hatte gesehen, daß der Fahrer nach hinten geguckt und deshalb nicht gesehen habe, daß sie stehengeblieben war. Der Fahrer habe Marie ein schriftliches Schuldeingeständnis gegeben und K war mit in der Werkstatt, in die der Wagen gebracht wurde. Rheinband habe dort alles geregelt. Offenbar kannte er den Meister gut, denn die beiden hatten sehr vertraut miteinander gewirkt. Marie schloß damit, daß der Wagen in drei Tagen fertig sei, und daß auch die Lackschäden von ihrem letzten Malheure mit der Hausecke behoben werden würden. Franz war zufrieden, hatte die Sache doch einen positiven Nebeneffekt und war glimpflich ausgegangen.
- Wie sie wissen nicht von welchem Fiesta ich rede?
- Hören sie, vielleicht haben sie sich ja in der Werkstatt geirrt, ich habe jedenfalls noch zu arbeiten.
Damit ging der Meister auf die beiden zu und streckte den rechten Arm aus, so als wolle er sie aus dem Büro schieben.
- Jetzt reden sie doch keinen Unsinn. Ich war doch selber mit hier, am Freitag. Sie selber haben mit mir gesprochen. Sie müssen sich erinnern. Ich war mit ihrem Bekannten da: Rhein... Rheinband.
- Rheinband? Nie gehört! Schluß jetzt mit der Diskussion, ich habe zu tun.
Franz nahm Marie am Arm und die beiden gingen zum Auto der Schwiegereltern, in dem sie hergekommen waren.
- Jetzt stecken wir aber schön in der Tinte.
- Franz, ich bin mir sicher, der Typ lügt extra! Ich meine, ich bin doch nicht bescheuert. Ich war hier!
- Okay, ich glaub dir ja. Überleg lieber mir, was wir jetzt am besten machen.
- Ich ruf meinen Vater an...
- Ach, du kannst doch nicht immer, wenn's mal schwierig wird, Papa anrufen. Da müssen wir jetzt selber durch. Ruf lieber diesen Rheinband an; die Nummer hast du doch?
- Ich hab die Handynummer von dem Sohn.
- Dann ruf eben den an, schließlich ist der für den Schlamassel hier verantwortlich. Hätte der geguckt wo er hinfährt, dann würden wir jetzt nicht hier stehen.
Marie nahm ihr Handy aus der Tasche und drückte ein paar Knöpfe. Doch sie bekam nicht die Stimme von Rheinband junior zu hören, sondern nur die Ansage, daß der Teilnehmer nicht zu erreichen sei.
- Und jetzt?
- Jetzt fahren wir zur Polizei. Du hast doch die Nummer von dem Unfallwagen?
- Die steht in meinem Kalender.
- Dann los. Wenn wir Glück haben ist unser Auto ja noch nicht über die Grenze.
- Sehr witzig...
- Tja, wir raten immer dringend dazu solche Angelegenheiten nicht ohne uns zu regeln. Sie sehen ja was dabei rauskommt.
Der Polizist hatte sich die Geschichte in Ruhe angehört. Jetzt saß er vor dem Computerbildschirm und wartete auf die Ergebnisse.
- Da haben wir's ja: Es ist ein Mercedes und die Zulassung läuft auf einen Rheinband, Friedhelm. Soweit sind ihre Angaben also schon mal schlüssig.
- Und was machen wir jetzt?
- Jetzt fahre ich mit ihnen da hin und dann fühlen wir dem Herrn mal auf den Zahn. Olli, kommst du? Wir müssen noch mal raus.
Unterwegs erzählte der Beamte seinem Kollegen Olli die Geschichte. Dieser staunte nicht schlecht.
Franz und Marie fuhren hinter dem Streifenwagen her, bis vor das Rheinbandsche Haus. Villa war wohl ein passenderer Ausdruck. Nachdem der Polizist geklingelt hatte, mußte er in ein Objektiv blicken, während er durch die Gegensprechanlage erklärte, daß er Herrn Rheinband sprechen wolle. Ein summendes Geräusch entriegelte das Tor und die vier schritten über den Kiesweg zur Haustüre. Rheinband selbst öffnete, Marie erkannte ihn sofort. Rheinband besah die vier und sein Blick blieb, wie sie glaubte, kurz auf Marie haften. Mir keiner Miene verriet er jedoch, ob er sie erkannt habe.
Der Polizist erklärte in welcher Angelegenheit sie gekommen seien. Rheinband bestätigte, daß er einen Sohn habe, der seit kurzem den Führerschein habe und hin und wieder den väterlichen Wagen fahre. Von einem Unfall wisse er allerdings nichts und die Frau, dabei zeigte er auf Marie, habe er auch noch nie gesehen.
Die Beamten baten darum den Wagen sehen zu dürfen.
Rheinband kooperierte ohne zu zögern und führte sie zu der großzügigen Garage. Der dunkelblaue Mercedes, der darin stand, war in tadellosem Zustand. Nicht die Spur eines Kratzers.
Sie verließen die Garage wieder und Rheinband bat nun seinerseits die Polizisten darum, sie kurz unter vier Augen sprechen zu dürfen. Der Polizist Olli bat Marie und Franz schon mal zum Wagen zu gehen, dann folgte er seinem Kollegen und Rheinband Richtung Haus.
- Ich glaube das alles nicht, das ist ja wie in einem scheiß Psychothriller. Gleich kommen die beiden wahrscheinlich raus und verhaften mich wegen Mordes oder sowas.
- Jetzt mach mal halblang. Irgendwie wird sich die Sache schon aufklären.
Franz hatte den Satz kaum beendet, da kamen die beiden aus dem Haus und verabschiedeten sich freundlichst bei Rheinband und entschuldigten sich für die Störung. Nebeneinander kamen sie zum Streifenwagen. Olli schob seine Mütze in den Nacken und blickte Marie taxierend an.
- Was war da drinnen los?, wollte Marie wissen, Was hat der Kerl gesagt?
- Wollen sie wirklich, daß wir das hier sagen, vor ihrem Mann?
Verstört blickte Marie zu Franz.
- Was soll das denn wieder heißen? Was sollte ich dagegen haben? Also?
- Rheinband meint, sein Sohn sei ein sehr hübscher Junge und es habe schon mehrfach... "Weibergeschichten" gegeben. Er vermutet, sie haben sich die Geschichte ausgedacht, um sich an seinem Sohn zu rächen, weil der sie in den Wind geschossen hat. So, jetzt sind sie dran.
Marie zitterte. Sie atmete hörbar, dann begann sie still zu weinen und schlug die Hand vors Gesicht. Franz nahm sie in den Arm.
- Komm, wir fahren erst mal nach Hause. Wir melden uns wieder bei ihnen!, ließ er die Beamten wissen und brachte Marie in den Wagen.
- Wir werden sehen., erwiderte Olli und die beiden verschwanden in ihrem Streifenwagen.
Marie weinte auf der gesamten Rückfahrt und dann auch Zuhause noch eine Weile in Franz' Arm. Dann blickte sie auf.
- Ich glaube das alles nicht. Das kann doch nur ein Alptraum sein, oder?
- Ja, scheint fast so. Wichtig ist aber, daß ich dir glaube. Was ist mir Kiki, die war doch dabei?
- Ja klar! Ich rufe sie gleich mal an. Vielleicht hat sie ja morgen Zeit um mit zur Polizei zu fahren, um die Geschichte zu bestätigen.
Doch statt Kiki kam ihr Bruder an den Apparat und erklärte, Kiki liege im Krankenhaus. Seine Eltern seien sofort nach der Benachrichtigung hingefahren. Kiki sei von einem PKW erfaßt worden. Es sei Fahrerflucht. Mehr wisse er auch nicht, weil seine Eltern noch nicht wieder angerufen hätten. Ja, Kiki sei im Marienhospital, aber vor morgen dürfe außer den Eltern eh niemand zu ihr, soviel sei jetzt schon klar.
Marie bedankte sich und berichtete Franz was sie eben erfahren hatte. Scheiße, war sein einziger Kommentar, dann begann er auf seine Nagelbetten zu beißen.
In dieser Nacht fanden die beiden wenig Schlaf. Ms Hirn fuhr Karussell. Alles in ihrem Kopf drehte sich und unter der Schädeldecke brannte und hämmerte es, trotz der zwei Aspirin und der Paracetamol. Franz hatte sich mit zwei Bier wenig erfolgreich zu umnebeln bemüht. Am Morgen waren seine Finger an den Nägeln blutig, so wie Ms Lippen. Beide duschten und machten sich dann ohne Frühstück auf den Weg zum Krankenhaus. Marie stellte tonlos die Frage, die die ganze Nacht auf ihr gelastet hatte:
- Glaubst du der Unfall hat was mit der Geschichte zu tun?
- Ach Quatsch. Es war ein Unfall!
- Aber das ist doch komisch: erst fährt mir einer hinten drauf, dann verschwindet unser Auto und der Typ in der Werkstatt verleugnet mich zu kennen. Dann unterstellt mir dieser Rheinband einen Rachefeldzug aus Eifersucht und schließlich kommt die einzige Person, die meine Geschichte bezeugen könnte, unters Auto.
- Alles nur ein dämlicher Zufall. Jetzt mach dich mal nicht selbst verrückt. Wahrscheinlich sitzt Kiki jetzt putzmunter mit einem Gipsbein im Bett.
Der Aufzug entließ sie auf der siebten Etage in das kaltweiße Neonlicht der Flurleuchten. An der Pforte hatte man ihnen gesagt Kiki liege auf der Chirurgie II, Stock sieben. Als Marie am Schwesternzimmer nach Kiki frug, stockte die Schwester einen Moment.
- Sind sie eine Verwandte?
- Ich bin die Schwester., log Marie, wie sie es so oft im Film gesehen hatte.
- Moment bitte, ich hole den Arzt.
Auch diesen Satz kannte Marie aus dem Fernsehn und eine dunkle Ahnung überkam sie. Kurz darauf kam die Schwester mit einem blassen, hageren, jungen Mann in einem fleckigen Kittel zurück, dem man eine lange Nacht ansehen konnte.
- Sie sind die Schwester?, fragte er mißtrauisch.
- Ja.
- Komisch, ihre Eltern haben sie gar nicht erwähnt...
- Ich wohne nicht mehr Zuhause. Meine Eltern haben sicher nicht damit gerechnet, daß ich so schnell kommen konnte. Also, wie geht es meiner Schwester?
- Nun ja, die Verletzungen ihrer Schwester waren sehr schwer. Wir haben alles Menschenmögliche getan, aber am Morgen hatte sie einen Herzstillstand und wir konnten sie nicht mehr zurückholen. Tut mir leid.
Wieder weinte Marie lange in Franz' Arm. Kein klarer Gedanke wollte sich fassen lassen und so saß sie verwirrt und traurig und verzweifelt auf dem Beifahrersitz, während Franz heimwärts steuerte. Ihr Handy riß sie aus ihrer Gedankenlosigkeit:
- Ja?
- Hallo, hier ist Sebastian Rheinband. Ich wollte ihnen nur sagen, daß es mir schrecklich leid tut, daß alles so gekommen ist. Ich wollte das nicht. Aber sie sollten die Sache auf sich beruhen lassen. Mein Vater ist in solchen Dingen unberechenbar und es wäre doch schrecklich, wenn noch jemand sterben müßte...
Dann hörte Marie ein Knacksen und dann nur noch weißes Rauschen.
