Blind Date mit Dom Perignon

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Amalaswintha

Mitglied
Blind Date mit Dom Perignon

Seit zwei Stunden sitzen wir uns in einem Hotelzimmer gegenüber. Ich auf dem einzigen, schmalen Sessel neben dem kleinen runden Tisch. Er auf dem Rand des breiten französischen Bettes. Einzig die Lampe auf dem Nachttisch verbreitet gedämpftes Licht. Der Radio säuselt leise unbeachtete Musik.

Nervös habe ich meine Beine übereinander geschlagen, wippe mit dem zierlichen schwarzen Pump der nur noch an meinem großen Zeh hängt und versuche die Konversation über Pasta und Pizza und Lucrezia Borghia aufrecht zu erhalten. Als wüssten wir nicht beide, warum wir uns, in heimlich gestohlener Zeit, hier getroffen haben. Aber ich bin noch nicht bereit, nippe ab und zu an meinem Prosecco und versuche im Zeitraffertempo Vertrauen zu ihm zu fassen. Er versteht und läßt mir die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt.

Mein Blick streift über seine gepflegte Hand, die das Weinglas hält. Ich frage mich, wie sich diese Hand wohl anfühlt, wenn sie über meine nackte Haut streichelt. Er sieht gut aus. Groß, sportliche Figur, dunkle Haare und graublaue Augen. Wirkt trotz seiner fast vierzig Jahre sehr jungenhaft, das mag an den vollen Haaren und dem verschmitzten Lächeln liegen.

Sein Lächeln, sein Mund, seine Lippen. Sinnliche Lippen. Ich möchte sie küssen. Mutwillig fällt mir der Schuh vom Fuß. Sein Blick folgt dem leisen, gedämpften Fall. Er beugt sich vor und stellt sein Weinglas auf das Tischchen neben meinem Sessel. Dabei kommt er mir sehr nahe, ich spüre seine Wärme, rieche den Duft seines After Shaves, fühle seine mühsam beherrschte Leidenschaft. Er will mich. Er ist ungeduldig. Ich habe es ihm nicht leicht gemacht.

Es hat ihn viele Wochen Zeit gekostet mich zu diesem Blind Date zu überreden. Nein, das ist nicht ganz die Wahrheit. Sagen wir es hat mich viele Wochen Zeit gekostet so zu tun als sträubte ich mich.

Wir trafen uns beim Chatten, zelebrierten dies stundenlang, täglich, über Wochen hinweg. Wir verstanden uns von Anfang an auf einer bestimmten Ebene erstaunlich gut. Haben in der perfekten Anonymität des Internets unbefangen unsere geheimsten sexuellen Wünsche und Phantasien ausgetauscht.

Wir sind beide seit Jahren verheiratet. Wir suchen keine Liebesbeziehung. Wir wollen den Kitzel, die Erregung, die Leidenschaft einer heimlichen, verbotenen, unmoralischen Affäre. Ich verbanne das Wort Betrug aus meinem Kopf. Diese Entscheidung ist längst gefallen.

Es sollte ein echtes Blind Date werden. Wir tauschten keine Bilder aus. Wir sahen uns zum ersten Mal, als er mir vor zwei Stunden die Tür zu seinem Hotelzimmer öffnete. Wir kannten uns so gut und doch waren wir uns fremd. Ein völlig neues Gefühl, zu sehen mit wem man es die ganze Zeit zu tun hatte. Die wohl oft unterschätzte Schwierigkeit, das Bild welches einem die Phantasie gemalt hat abzulegen und die Realität anzunehmen. Zum Glück keine enttäuschende Realität. Wir gefielen uns auch optisch.

Nun sitze ich hier. Unrealistische Realität. Sein Handrücken streift elektrisierend meinen Arm als er das Glas abstellt. Eine knisternde Spannung liegt in der Luft. Eine Hitze, die nicht äußerlich ist. Ungeküsste Küsse. Gedachte Berührungen. Uneingelöste Versprechen. Virtuelle Phantasien.

Ich setze mich neben ihn auf das Bett. Ganz nah. Spüre ihn, atme seine Sinnlichkeit. Er streicht mir zärtlich das Haar aus dem Nacken, küsst sehr sanft meinen bloßen Hals. Wie so oft, wie noch nie. Sein Mund sucht den meinen. Ein Kuss, niemals zögerlich, sehr fordernd, mehr fordernd, alles verlangend.

Er drückt mich auf das Bett, nimmt Besitz von mir. Ich erlebe ihn mit allen Sinnen. Ich gebe und nehme. Mein Zeitgefühl geht verloren. Meine Beherrschung auch. Er kennt und erfüllt meine Begierden so wie ich die seinen. Er ist berauschend wie der Champagner dessen Namen er im Chat trägt. Dom Perignon.

Es folgen mehrere heimliche Begegnungen. Doch die Leidenschaft flacht schnell ab. Die Euphorie der ersten Begegnung, das Hochgefühl der ersten Berührungen, flüchtige, vergängliche Genüsse, die keinen Bestand haben, die am Ende nur schal schmeckende Leere hinterlassen. Weil irgendetwas fehlt. Weil Liebe fehlt.
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

Du hast mir Bilder geliefert,konnte ich alles gut nachvollziehen und für mich stimmt das so.Habe doch noch einige Gedanken/Anmerkungen dazu.Und es klingt alles sehr realistisch.

Ihr trinkt BEIDE Prosecco,nehme ich an?
"..Hand die das/sein Glas hält..."
Es wird kein WEIN-glas sein,das er hält.

"Wir sind beide seit Jahren verheiratet UND suchten keine..."?
Dreimal "wir" wäre für mich etwas zu viel.

"Wir SEHNTEN uns beide nach dem Kitzel..."?
Wenn man lange verheiratet ist und manches zu kurz kommt,kann man sich schon nach etwas SEHNEN.

"Wir waren Fremde und kannten uns doch so gut"?

fordernd/verlangend?

"doch die einstige Leidenschaft flaut schnell ab"

"Die Liebe fehlt"

Sag mal,bei solch einer besonderen Begegnung,da wäre es doch angebracht von Champagner zu schreiben,statt Prosecco.Der ist zu "billig" für so etwas.Oder?:)

Stoffel
 

Amalaswintha

Mitglied
Hallo Stoffel..!!

Danke erst mal für Deine Reaktion.
Meines Wissens trinkt man Prosecco aus dem Weinglas...außerdem dachte ich mir...dass die meisten Hotelzimmer wohl nicht gerade mit einem kompletten Gläsersortiment ausgestattet sind...!!
Habe auf den Champagner wohlweislich verzichtet...wollte es nicht übertreiben...wäre vielleicht doppelt gemoppelt...(*g*)...wegen dem Namen meines Akteurs...!!

Liebe Grüße
Amalaswintha
 
E

ElsaLaska

Gast
Liebe Leute!

Liebe, liebe, liebe Leute!
Prosecco trinkt man aus einem Sektglas, bitteschön.

Im übrigen ist weiter nichts dabei, Prosecco zu trinken, es gibt hervorragende Prosecco-Sorten, die nicht gerade billig sind, ähnlich wie beim deutschen Sekt, dort gibt es auch Abstufungen von superbillig bis exklusiv.

Nur, dass dann der Dom Perignon kommt, zwar nicht als Getränk, sondern als Name, das hat mich irgendwie gestört.

Das nur schnell dazu!
LG
Elsa
 

Amalaswintha

Mitglied
Hallo Elsa...!!

Wollte natürlich mit meiner Geschichte keine Diskussion über Prosecco auslösen...!!*lach* Mir schmeckt er auch aus einem Wasserglas...nur so am Rande bemerkt...!!

Liebe Grüße
Amalaswintha
 

Amalaswintha

Mitglied
Mein lieber Stoffel...!!

Das Aussehen eines Mannes sagt noch lange nichts aus...über seine wirschaftlichen Verhältnisse...oder seine Großzügigkeit...hmm...und der Name hat in der Geschichte in anderem Sinne gehalten was er versprach...!!*fg*

LG
Amalaswintha
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Amalaswintha,

also mir ist es ziemlich wurscht, aus welchem Weinglas welches Getränk genossen wird. Ich möchte nur eines sagen: das ist eine kleine Erzählung, die mir sehr gut gefällt. (Bitte sieh das nicht als einen Wiedergutmachungsversuch wegen meiner harschen Kritik an deiner Erotik-Geschichte an)
Blind-Date: Eigentlich ein ausgelutscht erscheinendes Thema, aber du schaffst hier eine Athmosphäre, die mich mit Interesse am Text dran bleiben ließ. Sprachlich hast du was drauf. (Von wegen "Anfängerin!")
Eines hätte ich mir aber gewünscht: nämlich, dass du dir den letzten Absatz verkniffen hättest. Ich finde er zerstört die so geschickt aufgebaute Stimmung. Um das langsame Abflauen der Begeisterung füreinander und die damit verbundene Leidenschaft zu beschreiben, hättest du vielleicht dann weiter ausholen müssen. Das ist aber, finde ich, nicht nötig. Ich würde die Geschichte mit dem Satz:" Er ist berauschend wie der Champagner dessen Namen er im Chat trägt. Dom Perignon." enden lassen.

Gruß Ralph
 

Amalaswintha

Mitglied
Hallo Ralph...!!

Hey...habe mich riesig gefreut über Deine doch recht positive Kritik...!! Habe darauf gehofft dass Du die Geschichte liest und kommentierst...!!
Was den letzten Absatz betrifft...so habe ich lange darüber nachgedacht...ob ich das so schreiben soll...aber es ist nun einmal Realität...dass Beziehungen solcher Art auf Dauer keinen Bestand haben...und das wollte ich dann doch auch noch mit rüberbringen....!! Aber wenn so viele Leser der Ansicht sind er sollte wegbleiben...weil er die Stimmung so sehr zerzört...dann werde ich ihn für die Zukunft streichen...!!

Liebe Grüße
Amalaswintha
 

soleil

Mitglied
Hallo Amalaswintha,

deine Erzählung finde ich wirklich sehr gelungen, auch sprachlich. Den letzten Absatz würde ich nicht streichen, allerdings würde ich ihn optisch absetzen (s.u.) oder vielleicht etwas ausbauen. Allerdings würde das dann vermutlich den Schwerpunkt der Geschichte zusehr verlagern, und du hast ja schon an einer Stelle im Text den "Betrug" als Begriff gestrichen. Das interessante an solchen Beziehungen, wenn man sie denn so nennen will, ist aber genau dieser Betrug, dieser Verrat an sich selber: die Feigheit zu seinen Wünschen und Phantasien offen zu stehen und sich einzureden, dass etwas Heimliches, Verbotenes den ultimativen Kick bedeutet. Wer solche "Nervenkitzel" braucht um sich lebendig zu fühlen, führt meiner Meinung nach ein phantasieloses (damit meine ich natürlich nicht die Suche nach Ausreden und das Organisieren dieser Treffen) und armseliges Leben. Es wird ja auch nicht besser, weil man ja alles verheimlichen muß. Traurige Kreaturen!
Ich habe auch noch einige sprachliche Anmerkungen:
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Blind Date mit Dom Perignon

Seit zwei Stunden sitzen wir uns in einem Hotelzimmer gegenüber. Ich auf dem einzigen, schmalen Sessel neben dem kleinen runden Tisch. Er auf dem Rand des breiten französischen Bettes. Einzig die Lampe auf dem Nachttisch verbreitet gedämpftes Licht. [blue]Der -> eigentlich 'Das', außer du willst das im süddeutschen Raum umgangssprachliche 'der'.[/blue] Radio säuselt leise unbeachtete Musik.

Nervös habe ich meine Beine übereinander geschlagen, wippe mit dem zierlichen schwarzen Pump[red],[/red] der nur noch an meinem großen Zeh hängt und versuche die Konversation über Pasta und Pizza und Lucrezia Borghia aufrecht zu erhalten. Als wüssten wir nicht beide, warum wir uns, in heimlich gestohlener Zeit, hier getroffen haben. Aber ich bin noch nicht bereit, nippe ab und zu an meinem Prosecco und versuche im Zeitraffertempo Vertrauen zu ihm zu fassen. Er versteht und läßt mir die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt.

Mein Blick streift über seine gepflegte Hand, die das Weinglas hält. Ich frage mich, wie sich diese Hand wohl anfühlt, wenn sie über meine nackte Haut streichelt. Er sieht gut aus[red]: g[/red]roß, sportliche Figur, dunkle Haare und graublaue Augen. Wirkt trotz seiner fast vierzig Jahre sehr jungenhaft, [red]was[/red] [strike]mag[/strike] an den vollen Haaren und dem verschmitzten Lächeln liegen [red]mag[/red].

Sein Lächeln, sein Mund, seine Lippen. Sinnliche Lippen. Ich möchte sie küssen. Mutwillig fällt mir der Schuh vom Fuß. Sein Blick folgt dem leisen, gedämpften Fall. Er beugt sich vor und stellt sein Weinglas auf das Tischchen neben meinem Sessel. Dabei kommt er mir sehr nahe, ich spüre seine Wärme, rieche den Duft seines After Shaves, fühle seine mühsam beherrschte Leidenschaft. Er will mich. Er ist ungeduldig. Ich habe es ihm nicht leicht gemacht.

Es hat ihn viele Wochen Zeit gekostet mich zu diesem Blind Date zu überreden. Nein, das ist nicht ganz die Wahrheit. Sagen wir[red],[/red] es hat mich viele Wochen Zeit gekostet so zu tun als sträubte ich mich.

Wir trafen uns beim Chatten, zelebrierten dies stundenlang, täglich, über Wochen hinweg. Wir verstanden uns von Anfang an auf einer bestimmten Ebene erstaunlich gut[blue] und haben[/blue] in der [blue]perfekten -> würde ich streichen, erstens weil es überflüssig ist und zweitens gibt es nichts perfektes[/blue] Anonymität des Internets unbefangen unsere geheimsten sexuellen Wünsche und Phantasien ausgetauscht.

Wir sind beide seit Jahren verheiratet. Wir suchen keine Liebesbeziehung. Wir wollen den Kitzel, die Erregung, die Leidenschaft einer heimlichen, verbotenen, unmoralischen Affäre. Ich verbanne das Wort Betrug aus meinem Kopf. [blue]Diese Entscheidung -> Die Entscheidung dazu[/blue] ist längst gefallen.

Es sollte ein echtes Blind Date werden. Wir tauschten keine Bilder aus. Wir sahen uns zum ersten Mal, als er mir vor zwei Stunden die Tür zu seinem Hotelzimmer öffnete. Wir kannten uns so gut und doch waren wir uns fremd. Ein völlig neues Gefühl, zu sehen mit wem man es die ganze Zeit zu tun hatte. Die wohl oft unterschätzte Schwierigkeit, das Bild[red],[/red] welches einem die Phantasie gemalt hat[red],[/red] abzulegen und die Realität anzunehmen. [blue]<- Irgendwie klingt der Satz unfertig.[/blue] Zum Glück keine enttäuschende Realität. Wir gefielen uns auch optisch.

Nun sitze ich hier. Unrealistische Realität. Sein Handrücken streift elektrisierend meinen Arm als er das Glas abstellt.[blue] <- Er hatte schon mal sein Glas abgestellt.[/blue] Eine knisternde Spannung liegt in der Luft. Eine Hitze, die nicht äußerlich ist. Ungeküsste Küsse. Gedachte Berührungen. Uneingelöste Versprechen. Virtuelle Phantasien.

Ich setze mich neben ihn auf das Bett. Ganz nah. Spüre ihn, atme seine Sinnlichkeit. Er streicht mir zärtlich das Haar aus dem Nacken, küsst sehr sanft meinen bloßen Hals. Wie so oft, wie noch nie. Sein Mund sucht den meinen. Ein Kuss, [strike]niemals[/strike][blue] nicht[/blue] zögerlich, [strike]sehr[/strike] fordernd, mehr fordernd, alles verlangend.

Er drückt mich auf das Bett, nimmt Besitz von mir. Ich erlebe ihn mit allen Sinnen. Ich gebe und nehme. Mein Zeitgefühl geht verloren. Meine Beherrschung auch. Er kennt und erfüllt meine Begierden so wie ich die seinen. Er ist berauschend wie der Champagner dessen Namen er im Chat trägt. Dom Perignon.


Es folgen mehrere heimliche Begegnungen. Doch die Leidenschaft flacht schnell ab. Die Euphorie der ersten Begegnung, das Hochgefühl der ersten Berührungen, flüchtige, vergängliche Genüsse, die keinen Bestand haben, die am Ende nur schal schmeckende Leere hinterlassen. Weil irgendetwas fehlt. Weil Liebe fehlt.

Viele Grüße
Soleil

PS: War Amalaswintha nicht eine Tochter Theoderichs des Großen?
 

Amalaswintha

Mitglied
Hallo Soleil...!!

Erst mal Danke für die gute Kritik...und auch, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, den Text ganz durchzuforsten und mich auf einige Fehler hinzuweisen...!! Muss in der Tat aufpassen nichts "pfälzisches" in meine Ausdrucksweise zu bringen (der Radio)*lach*...!!
Wegen dem umstrittenen letzten Absatz...mal sehen...was sich da machen läßt...vielleicht sollte ich den Abgang etwas sanfter formulieren...das wäre ein Kompromiss...!!
Amalaswintha war in der Tat die Tochter von Theoderich...der Roman "Kampf um Rom" war als Teenie mein Lieblingsbuch...und der Name gefiel mir schon immer sehr gut...!!

Liebe Grüße
Amalaswintha
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

aber natürlich sagt das Äussere nicht immer etwas aus.
Habe mich sicher etwas verkehrt ausgedrückt.Den Vorschlag von Ralph,was den Schluss angeht,finde ich sehr gut.
Wen Prosecco getrunken,dann war alles andere eben wie der"Dom P."

Ansonsten habe ich Dir ja geschrieben,das ich sie sehr gut und realistisch finde ;-)

Stoffel
 

Amalaswintha

Mitglied
Danke Stoffel...!!

Wie gesagt...muss mir das mit dem Schluss durch den Kopf gehen lassen...glaube fast...dass ich den letzten Absatz streichen werde...soll schließlich nicht allzu nachdenklich stimmen die Geschichte...!!
 

Amalaswintha

Mitglied
Blind Date mit Dom Perignon

Seit zwei Stunden sitzen wir uns in einem Hotelzimmer gegenüber. Ich auf dem einzigen, schmalen Sessel neben dem kleinen runden Tisch. Er auf dem Rand des breiten französischen Bettes. Einzig die Lampe auf dem Nachttisch verbreitet gedämpftes Licht. Das Radio säuselt leise unbeachtete Musik.

Nervös habe ich meine Beine übereinander geschlagen, wippe mit dem zierlichen schwarzen Pump der nur noch an meinem großen Zeh hängt und versuche die Konversation über Pasta und Pizza und Lucrezia Borghia aufrecht zu erhalten. Als wüssten wir nicht beide, warum wir uns, in heimlich gestohlener Zeit, hier getroffen haben. Aber ich bin noch nicht bereit, nippe ab und zu an meinem Prosecco und versuche im Zeitraffertempo Vertrauen zu ihm zu fassen. Er versteht und läßt mir die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt.

Mein Blick streift über seine gepflegte Hand, die das Weinglas hält. Ich frage mich, wie sich diese Hand wohl anfühlt, wenn sie über meine nackte Haut streichelt. Er sieht gut aus. Groß, sportliche Figur, dunkle Haare und graublaue Augen. Wirkt trotz seiner fast vierzig Jahre sehr jungenhaft, das mag an den vollen Haaren und dem verschmitzten Lächeln liegen.

Sein Lächeln, sein Mund, seine Lippen. Sinnliche Lippen. Ich möchte sie küssen. Mutwillig fällt mir der Schuh vom Fuß. Sein Blick folgt dem leisen, gedämpften Fall. Er beugt sich vor und stellt sein Weinglas auf das Tischchen neben meinem Sessel. Dabei kommt er mir sehr nahe, ich spüre seine Wärme, rieche den Duft seines After Shaves, fühle seine mühsam beherrschte Leidenschaft. Er will mich. Er ist ungeduldig. Ich habe es ihm nicht leicht gemacht.

Es hat ihn viele Wochen Zeit gekostet mich zu diesem Blind Date zu überreden. Nein, das ist nicht ganz die Wahrheit. Sagen wir es hat mich viele Wochen Zeit gekostet so zu tun als sträubte ich mich.

Wir trafen uns beim Chatten, zelebrierten dies stundenlang, täglich, über Wochen hinweg. Wir verstanden uns von Anfang an auf einer bestimmten Ebene erstaunlich gut. Haben in der perfekten Anonymität des Internets unbefangen unsere geheimsten sexuellen Wünsche und Phantasien ausgetauscht.

Wir sind beide seit Jahren verheiratet. Wir suchen keine Liebesbeziehung. Wir wollen den Kitzel, die Erregung, die Leidenschaft einer heimlichen, verbotenen, unmoralischen Affäre. Ich verbanne das Wort Betrug aus meinem Kopf. Diese Entscheidung ist längst gefallen.

Es sollte ein echtes Blind Date werden. Wir tauschten keine Bilder aus. Wir sahen uns zum ersten Mal, als er mir vor zwei Stunden die Tür zu seinem Hotelzimmer öffnete. Wir kannten uns so gut und doch waren wir uns fremd. Ein völlig neues Gefühl, zu sehen mit wem man es die ganze Zeit zu tun hatte. Die wohl oft unterschätzte Schwierigkeit, das Bild welches einem die Phantasie gemalt hat abzulegen und die Realität anzunehmen. Zum Glück keine enttäuschende Realität. Wir gefielen uns auch optisch.

Nun sitze ich hier. Unrealistische Realität. Sein Handrücken streift elektrisierend meinen Arm als er das Glas abstellt. Eine knisternde Spannung liegt in der Luft. Eine Hitze, die nicht äußerlich ist. Ungeküsste Küsse. Gedachte Berührungen. Uneingelöste Versprechen. Virtuelle Phantasien.

Ich setze mich neben ihn auf das Bett. Ganz nah. Spüre ihn, atme seine Sinnlichkeit. Er streicht mir zärtlich das Haar aus dem Nacken, küsst sehr sanft meinen bloßen Hals. Wie so oft, wie noch nie. Sein Mund sucht den meinen. Ein Kuss, niemals zögerlich, sehr fordernd, mehr fordernd, alles verlangend.

Er drückt mich auf das Bett, nimmt Besitz von mir. Ich erlebe ihn mit allen Sinnen. Ich gebe und nehme. Mein Zeitgefühl geht verloren. Meine Beherrschung auch. Er kennt und erfüllt meine Begierden so wie ich die seinen. Er ist berauschend wie der Champagner dessen Namen er im Chat trägt. Dom Perignon.
 



 
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