Blutiges Verlangen

Elessar

Mitglied
Von draußen klang das Brausen des Wassers herein. Die Sonne ging bereits unter. Wo Joey und Raoul sich befanden, wußte sie nicht. Die beiden hatten einen Rundgang machen wollen, da sie bis jetzt keine Gelegenheit hatten, sich das Schiff richtig anzusehen. Syd hatte keine Lust gehabt. Sie fühlte sich ein wenig schwach und hatte sich hinlegen wollen.
Nun wünschte sie sich plötzlich, doch mitgegangen zu sein, denn so allein kam sie sich unbehaglich vor und der Sonnenuntergang schien sie plötzlich zu bedrohen. Wieso zum Teufel macht mir der Sonnenuntergang nur solche angst? Das ist doch nicht normal! Unruhig sah sie aus dem kleinen Fenster, sah die Matrosen auf dem Pier stehen, rauchend und lachend. Einige von ihnen hatten junge Mädchen dabei, von denen sich Syd sicher war, daß es sich um Prostituierte handelte. Einige von ihnen begannen, die Matrosen mit sich zu ziehen. Mit diesen Männern war immer ein leichtes Geschäft zu machen. Aber Syd war sich sicher, daß in den Kajüten auch bei den Männern untereinander was lief. So oft hatte sie schon Reporte davon gehört, daß einsame Matrosen Sex mit ihren Mitarbei-tern hatten, ehe sie dann heim zu ihren Frauen konnten. Hinterher war dann die Sache immer gleich vergessen.

Die Sonne verschwand am Horizont, als Syd aus ihren Gedanken erwachte und hinaus-blickte. Ein letztes Glitzern auf dem Wasser schien der Abschied dieser leuchtenden Scheibe zu sein, dann verschwand sie völlig und die ersten Sterne glitzerten am Abend-himmel. Syd genoß diesen Anblick und wurde gleich etwas ruhiger. Nun schien der Son-nenuntergang nicht mehr so bedrohlich. Die Tür war abgeschlossen, niemand konnte herein.
In aller Ruhe begann sie, sich auszuziehen. Der BH kniff sie und sie wollte schlafen. In ein paar Stunden würden sie ablegen und sich auf den Weg nach LeHavre machen. Syd machte der Gedanke, morgen aufzuwachen und am Hafen von Frankreich anzulegen, gleich wieder fröhlich.
In Unterwäsche begann sie, nach einem T-Shirt zu suchen. Ihr Nachthemd war ihr doch zu sperrig und in einem Shirt schlief es sich wesentlich bequemer. Zwar war es etwas kalt für das Wetter im Februar, doch ihr Bett war warm genug.

Ein Klicken ließ Syd hochfahren. War das etwa eben ihr Türschloß gewesen? Sie wagte gar nicht, sich umzudrehen, aus Angst, recht zu haben.
Trotzdem wagte sie den Blick. Ihre Tür stand einen winzigen Spalt offen und es zog. Vorsichtig ging sie hin und verschloß sie. Ob das wohl Raoul oder Joey gewesen waren? Vampire konnten schließlich auch Schlösser öffnen. „Ich finde das nicht komisch, ihr Beiden!“ sagte sie halblaut. Was war, wenn sie sich täuschte und keiner der beiden das gewesen war? „Joey? Raoul?“

Ein heiseres Lachen ließ sie auffahren und umdrehen.
Auf ihrem Bett saß eine dunkel gekleidete Gestalt. Sie trug alte, fast staubige Sachen, eine schwarze Hose, Halbstiefel und einen langen schwarzen Mantel, darunter ein zer-schlissenes Hemd. Die langen, blonden verfilzten Haare hingen dem Fremden in das ha-gere, bleiche Gesicht mit den vielen Falten und den bleichen Lippen, auf denen bedrohli-che Fangzähne ruhten. Ein Vampir! Syd lehnte sich gegen ihre Tür, wagte aber nicht, ihre Hand auf die Klinke zu drücken, die Tür zu öffnen und fortzulaufen. Nicht so, wie sie aussah und außerdem würde diese Gestalt sie vorher bestimmt zu fassen kriegen.
„Wer...bist du denn?“ stammelte sie mit weit aufgerissenen Augen. Wieder das heisere Lachen. „Senior Fangzahn!“ grinste der bleiche Mann mit spanischem Akzent. „Ach...so?“ Nun legte sich ihre Hand doch um die Türklinke, sie drückte fest zu. „Na, na, kleine Senorita...mach keine Dummheiten. Ich wollte dir doch nur einen kleinen Höflich-keitsbesuch abstatten...mit herzlichen Grüßen vom Meister.“ „Meister?“ „Imhotep...der Name dürfte dir doch etwas sagen, nicht wahr, Kleines?“ Syd nickte. „Dann ist ja gut...ich hätte auch nicht gedacht, daß Emanuel dir das verschweigen würde.“ Nun kam die Gestalt bedrohlich auf sie zu. „Setz dich doch...dann können wir uns ein wenig unter-halten.“ „Ich...stehe lieber!“ Nun packte er sie, zog sie an sich. Sein Atem roch verwe-send, seine Kleidung modrig. Syd mußte beinahe würgen. „Na?“ Er zog sie noch fester an sich. „Tollen Busen hast du!“ Der Druck an ihrem Handgelenk wurde fester und Syd wimmerte. „Du tust mir weh, du Grobian!“ Ein Kuß, abscheulicher als alles, was Syd bisher erlebt hatte. Die Zunge schien an ihrer Wange zu kleben. „Laß mich los, du Bas-tard!“ Syd trat ihm gegen das Schienbein, erntete dafür aber nur eine Ohrfeige als Erfolg. „Kleine Nutte, du!“
Mit einem Hieb warf er Syd aufs Bett und riß dann mit einer Hand den BH kaputt. Syd versuchte, nach der Decke zu greifen, und sich diese über den Oberkörper zu ziehen, doch da hatte er schon ihre Handgelenke gepackt. „Laß mich zufrieden, du elender Blutsauger!“ Wieder versuchte sie, sich loszureißen. „Was willst du von mir?“ „Emanu-el beibringen, wie dumm es ist, gegen die Gesetze der Unterwelt zu verstoßen- ob Fürst der Finsternis oder nicht! Und gleichzeitig ein Zeichen setzen, sich nicht mit Imhotep anzulegen!“ Lange Fingernägel krallten sich in ihre Brust und sie begann zu weinen. „Laß mich, du Scheißkerl!“ Wieder eine Ohrfeige. „Sei endlich still, Nutte!“ Fingernägel zerrissen den Stoff ihres Slips, dann drückte er sich an sie. „Was hat er vor, Nutte? Was ist euer Ziel?“ „Das geht dich gar nichts an...und nun laß mich zufrieden! GEH RUNTER!“ Wieder ein heiseres Lachen. „Entweder, du redest jetzt, oder du kriegst gleich mal einen richtigen Mann zu spüren, Nutte!“ Syd liefen Tränen über die Wangen. „Laß mich...!“

Die Tür ging auf. Zuerst glaubte Syd, sie würde träumen, doch Joey stand tatsächlich an der Tür und warf einen erschrockenen Blick hinein. „Sanchoz!“ Joey war so schnell, daß sie ihn gar nicht sehen konnte, bis er plötzlich an ihrem Bett stand und sich den Fremden schnappte. „LASS DEINE FINGER VON IHR!“ fauchte Joey. Bedrohlich ragten nun die Fangzähne, blitzten. Joeys Fingernägel schienen ebenfalls gewachsen zu sein, denn sie bohrten sich tief in den Sanchoz‘ Hals. Dieser knurrte laut. „Was willst du hier?“ Joey drückte immer fester zu. „Elender kleiner Bastard...meinst du, so bekommst du raus, was wir vorhaben?“ Der Druck wurde fester, bis Blut durch das Zimmer spritze und sogar Syds Knöchel traf. Dann ein Aufschrei, eine Flamme und dann rieselte Staub durch Joeys Finger, Asche, die sofort hinausgeweht wurde.
Syd wurde allmählich ruhiger. Die Verletzung an ihrer Brust schmerzte und nur mühsam schaffte sie es, einen Zipfel ihrer Bettdecke zu erhaschen. Die Kraft, sie über sich zu zie-hen, fehlte ihr allerdings.
Da kam Joey ihr zu Hilfe, deckte sie zu. Dann beugte er sich über sie. „Alles okay, Syd?“ Ein sanftes Streichen durch ihr Haar, daß wundersamer Weise beruhigend wirkte. „Wie...hast du das gemacht?“ „Alter Trick...erzähl ich dir, wenn du dich erholt hast. Hat er dir wehgetan?“ Syd nickte, weinte wieder. Dann deutete sie auf ihre Brust und ließ Joey auch nachsehen. „Du lieber Himmel...das sollten wir besser verbinden, denkst du nicht?“ Joey versuchte, ruhig zu klingen, doch das Blut regte ihn auf, Syd merkte es. „Vielleicht...!“ murmelte sie. Mit den Fingerspitzen berührte sie das Blut, während Joey nach einem Medikamentenschrank suchte. Im kleinen Bad fand er eines, daß er sofort heranbrachte.
Syd hatte inzwischen die Finger mit ihrem Blut benetzt. „Laß das!“ mahnte Joey. „Sonst kriegst du auch noch eine Entzündung.“ „Joey?“ „Hmm?“ Joey kramte nach einer Mullbinde. „Hier!“ Sanft drückte sie ihm die blutigen Finger an die Lippen, erntete aber nur einen leeren Blick. „Was soll denn das, bist du jetzt paranoid oder was?“ „Du hast doch gesagt, du haßt kaltes Blut...ich dachte mir, ich könnte dir Gelegenheit geben, hei-ßes Blut zu trinken, ehe du es verbindest. Du...kannst es ja ablecken.“ Joey schnaubte. „Bist du noch bei Trost? Der Kerl hätte dich gerade beinahe vergewaltigt und danach als Abendessen verspeist und jetzt soll ICH dein Blut trinken?“ Syd entgegnete nichts, son-dern schob ihre Fingerspitzen zwischen Joeys Lippen, vorbei an den Fangzähnen, direkt in einen Mund, an seine Zunge. Joey griff nach ihrer Hand und zog sie weg. „Hör auf!“ Er keuchte, er sprach nicht, er keuchte. „Mach ruhig...es wäre schade drum, wenn wir es abwaschen müßten!“ War sie wirklich noch ganz da? Syd zweifelte selbst daran. „Syd-ney, ich...?“ Joey schien beinahe hilflos. Sie wußte, er wollte trinken, aber er konnte nicht. Also richtete sie sich auf und schlang ihre Arme um seinen Nacken, ehe sie ihn an ihre Brust drückte. „Mach!“
Sanft schmiegten sich Joeys Lippen an die blutigen Schnitte, dann legte er seine Arme fest um sie und begann, daß Blut vorsichtig abzulecken, dann saugte er leicht, saugte das gestaute Blut auf den Wunden heraus. Dabei zog er sie immer weiter auf seinen Schoß. Syd ließ die Decke los und schmiegte sich an ihn. Jetzt wußte sie, was Raoul mit dem berauschenden Gefühl gemeint hatte. Es erregte wirklich. Sie flüsterte seinen Namen.
Joey riß sich los, griff verzweifelt nach dem Verband, der um die Wunden gewickelt werden sollte. „Verdammt noch mal, wieso machst du sowas?“ Er leckte das Blut von seinen Lippen. Syd wurde müde, wartete, bis er ihr den Verband umgelegt hatte, dann schlief sie ein.

Joey stand noch eine ganze Weile an ihrem Bett und starrte sie ungläubig an. Das Blut floß nun durch seine Adern, warm und pulsierend. Es betäubte ihn beinahe. Wieso nur hatte er sich dazu hinreißen lassen? Wieso hatte er das zugelassen?
Es beruhigte ihn, festzustellen, daß er nicht allzu viel getrunken hatte. Syd war nicht sei-netwegen so müde geworden, es lag wohl eher an dem Schock. Trotzdem war das eben noch viel mehr gewesen. Er konnte es spüren, weil sein Herz schlug, es schlug bis zum Hals. Ihm wurde davon schwindlig und er lehnte sich an die Tür. Nur langsam konnte er sich so weit sammeln, daß er ein T-Shirt aus ihrem Koffer nahm und ihr dies überzog, ehe er ihr, zu seiner eigenen Überraschung, einen Kuß gab und zudeckte. Doch was er-schreckte ihn mehr? Sie oder sein plötzlich wieder schlagendes Herz?

Dann stand Raoul plötzlich hinter ihm. „Was war denn los? Du bist eben wie ein Irrer losgerannt. Syd ist doch okay...oder?“ Raoul warf einen prüfenden Blick auf die Schla-fende. „Wir hatten ungebetenen Besuch, wie ich es befürchtet hatte und der war kurz davor, mit Syd...ach, ist auch egal!“
Eilig wandte er sich um. „Ich gehe nun schlafen... gute Nacht!“
 



 
Oben Unten