Boomtown is back

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Leovinus

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Zunächst eine völlig unsatirische Bemerkung in eigener Sache: Der nachfolgende Text setzt eine vierzehntägige Glossen-Serie fort, die ich zwischen 2000 und 2002 u.a. für die LL veröffentlichte. Sie hieß damals schon "Boomtown" und heißt nun wieder so, warum, wird im folgenden erklärt. Alles Weitere am Ende des Textes.

Boomtown ’04: Ausgabe 1

Vom 5.Januar 2004

Huren und Mörderinnen

Ein begnadeter Denker erkannte einst, ein jedes Ding verfüge über ein Ende, abgesehen von einem bestimmten Lebensmittel, das deren zwei besäße.

Das vergangene Jahr ist in die ewigen Jagdgründe geschlittert, Jahresendflügeltiere wurden der Verdauung anheim gegeben und Tantchens billiger Sekt ausgebrochen. Die Begleitmusik lieferte wie immer jene grandiose Hure Europas, über die jeder Dirigent mal rüber darf, die berühmte Neunte von Ludwig, the only Van.

Bis zum nächsten Freier hat sie ein paar Wochen Urlaub. Lasst uns mithin Zeit vertrödeln und über Anfänge nachdenken.

Das ist einfach, denn es gibt keine Anfänge. Die Geburt ist das Ende der Schwangerschaft, der erste Computer terminierte die Sorglosigkeit, das erste Geld diskreditierte die Erfüllung unserer Wünsche, die erste feste Beziehung machte Schluss mit Spaß am Sex.

Und der Montag ist das Ende vom Wochenende. Zum Thema »Montag« kommt eine hübsche Geschichte des Wegs, die gleichzeitig erklärt, woher »Boomtown« seinen Namen hat.

»Boomtown« will, dass ihr eure Montage mehr mögt als Miss Spencer die ihren.

Vor fünfundzwanzig Jahren, am Montag, den 29.Januar 1979 lehnte die sechzehnjährige Brenda Ann Spencer gemütlich aus dem Fenster ihres Elternhauses in San Diego. Sie schoss mit dem Gewehr, welches der Vater ihr geschenkt hatte, auf ein paar Kinder, die auf der gegnüber liegenden Straßenseite vor der Cleveland Elementary School herumstanden. Es gelang ihr, neun Schüler zu verletzen. Ein Polizist eilte herbei und wurde getötet. Der Hausmeister eilte hinterher und starb ebenso. Zwei Beweise für den Fakt, dass Erwachsene dem Tode näher sind als Kinder. Ein besseres Ziel sowieso.

Als man Brenda Spencer später nach dem Grund für ihre außergewöhnliche Freizeitbetätigung fragte, sprach sie: »I don’t like Mondays«. Seitdem sitzt sie im Gefängnis und dreht weiter durch.

Die Dubliner Rockgruppe »Boomtown(!) Rats« katalysierte ihren Satz zu einem Hit. Dies war der größte Erfolg Bob Geldofs in den USA, bevor er in den Achtzigerjahren für hungernde Kinder einen Teig namens »Live Aid« knetete, zu dem er sicher Geld für das vertonte Mörderinnenzitat beimengte.

Alles ist zu irgend etwas gut. Wären wir zynisch, was wir natürlich nicht sind, fiele uns auf, dass in diesem Falle ein toter Hausmeister ein guter Hausmeister ist. Vom Polizisten mal abgesehen.

Ob es afrikanische Eltern gibt, die Brenda Spencer dankbar sind? Sie sollten Schulen gründen.

Und wenn ihr jemanden gern habt, nehmt euer Herz in beide Hände und macht was draus.

Eine schöne Zeit wünscht Leovinus.
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