Bronxx Dresden

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Torquato

Mitglied
Dresden

schön, Bernd, dass ich dich hier ein zweites Mal finde, nach deinem tollen Hinweis auf Grimms DWB im Netz, - danke!
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Ich (in kurzen Hosen) kannte Dresden noch vor dem grossen Feuer, fuhr nach Radebeul und ließ mir im Karl-May-Haus die Feuerbüchse zeigen. Damals fuhr ich von Schellerhau per Ski nach Altenberg, um mir die Haare schneiden zu lassen. Im Jahre 2000 wunderte ich mich dann, in der Dresdner Neustadt Fisch bei "Nordsee" zu finden.
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Deine Poesie, 12 Jahre abgehangen, - alle Achtung! Ich freue mich, dich bald wieder hier zu treffen. Chemnitz und Leipzig sahen mich als Lit-Begeisterten. Als Schönstes nahm ich dies von Wolfgang Hilbig mit:

in den wohnungen in denen wir hausen / bleibt das licht eingeschaltet / die revolution ist vorüber die kalender / zeigen den vergangenen monat an / wir bauen ein chemiewerk / für die zehnte generation / der tag ist vorüber die schranktüren offen / auf den betten sind wir im unterzeug / rauchen noch eine / frau das ist dann alles

Gruss! Torquato, http://www.litfink.com
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Torquato,

danke für die freundlichen Bemerkungen zu dem Gedicht. In der Zeit seit 1990 hat sich einiges verändert. In der Neustadt gibt es eine Kneipe neben der nächsten. In Dresden ist viel neu entstanden oder verschwunden.
Ich war nicht sicher, ob das Gedicht für die Leselupe geeignet sei, habe es auch mehrfach leicht überarbeitet (hauptsächlich im äußeren Erscheinungsbild, dass die Zerrissenheit der Zeit mit darstellen soll, ebenso wie der Formbruch in der Mitte des Gedichtes.

Viele Grüße von Bernd,
zurück von der Urlaubsreise.
 

Torquato

Mitglied
Reisen

hallo Bernd, die längste Reise ist ja die zu uns selbst! Ich freue mich, daß du dich gemeldet hast. Ich habe den Eindruck, daß du und ich ganz ähnliche Inseln im Strom bewohnen.
Zum Glück geht je nichts "verloren". Wäre schön, wieder von dir zu hören! An eine Internetfreundin mailte ich vorhin dieses. Es gibt Versuche, das Wort "Glück" zu deuten, es aus Sprach-Wurzeln zu erklären. Englisch "happy" läßt ja an das griechische Haptische denken, wo es um das Ergreifen im Befühlen mit den Händen geht, mit geschlossenen Augen sozusagen.

Die Luke ist auf dem Schiff die Klappe, die fest schließen muß. "Ge-lukken" als Verb wäre = das ins Passende sich fest Einschmiegen.

Wenn etwas glückt, wenn etwas klappt, bleibt kein Wunsch offen. Das Ergebnis ist fugendicht.

Das Türschloß und der passende Schlüssel stehen in einer Beziehung zueinander. Im Türschloß warten die Riegel, die Metall-Leisten, Federn auf den adaequat zugesägten Schlüsselbart. Dann hebt sich der Bolzen und gibt die Tür frei.

Glück wäre also, wenn zwei Dinge aufeinander zufallen, sich ineinander klinken. Je besser Schloss und Schlüssel zueinander passen, um so leiser öffnet sich der Riegel.

Wenn wir unser Glück noch nicht gefunden haben, leben wir mit einer Lücke. Sie kann nur durch das Passende, durch das ihr Gemäße geschlossen werden.

Es ist wie mit der guten Frage und der guten Antwort. Beide tragen vom anderen etwas in sich.
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Kam mir grad in den Sinn, dies für dich herzusetzen, Bernd. Hoffe, die Leselupe macht es mit.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich denke, das ist alles verwoben und verflochten, auch mit dem Gedicht, das einen Mosaikstein darstellt aus den Reisen durch die Zeit.

Wenn eine Lücke geschlossen wird, öffnet sich dafür eine andere.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Bernd,
kann es sein, dass Du beim Verfassen dieses Gedichtes ganz hübsch stoned gewesen bist, (was mich Dir ganz schön sympathisch macht)?
Naja, ich bin momentan auch nicht ganz alleine, aber ein Joint müsste schon mal wieder her; - um der guten, alten Zeiten willen...

Rock and Roll four ever!
Yours Hagen
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich war nur sehr müde, nicht stoned. Wir waren mit unserem Literaturkreis, dem Literaturzentrum Dresden (später "Binokel") dort, dabei war auch Hartmut Kaspar (oder Kasper) von der Bundesanstalt für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, und wir zeigten ihm ungewöhnliche Orte in Dresden.
In der Bronxx saß ich auf einem Fass, in Dämmer-Funzellicht und schrieb. Der Text in der Leselupe ist ziemlich so, wie ich ihn schrieb, wenn man davon absieht, dass es handschriftlich war. Es war aber eine Art Fluss. Ich ließ die Gedanken fließen. Obwohl ich müde war, war es ein sehr seltsamer Zustand. Als Nichtraucher war es mir sehr unbehaglich in all dem Qualm. Andererseits merkte man die Änderung.
Die Gaststätte (Gaststätte ist euphorisch gesprochen) wurde dann nach der Wiedervereinigung von Neonazis niedergebrannt, die Polizei sah zu. (Es waren wohl zu wenige Polizisten.) Jeder konnte plötzlich eine Gaststätte eröffnen, ohne Formalismus - das ist ja wieder vorbei - und nur wenige gibt es noch. Es gab sogar einen "Piratensender", der später offiziell ein "offenes" radio wurde.

Es war eine gewaltige Änderung, denn ein Jahr vorher wäre so ein "Gastraum" nicht möglich gewesen.
Und nun kamen viele auf.
Heute ist das Gebiet weitgehend saniert und von den ursprünglichen Bewohnern sind nur noch wenige da.

Die früher preiswerten Wohnungen sind kaum noch bezahlbar. Einer meiner Freunde wohnte in der Gegend, nach der Sanierung häuften sich Mietschulden an, er musste dann umziehen. Ich war schon früher weg.
Die Mieten übersteigen zum Teil das Einkommen "normaler" Bürger.
Es gibt viele Studentenwohngemeinschaften heute dort, und es gibt viele relativ reiche Alternative. In den Randgebieten sind die Mieten erschwinglich geblieben und ein Freund von mir wohnt noch dort.

Stoned ohne stoned.
Oder waren es die Dämpfe?
 

Hagen

Mitglied
Hallo Bernd,

es müssen die Dämpfe gewesen sein!
Und wenn Du ohne stoned gewesen zu sein solch einen Text schreiben kannst, kann ich nur eins sagen: Chapeau!
Bannig schade, dass die 'Bronxx' abgebrannt ist, aber irgendwann, glaube mir, wird das Pendel, angestoßen von der Euphorie der Wiedervereinigung, auch wieder zurückschwingen.
Und das wird für manche bös enden!

Viele Grüße aus Bremen
yours Hagen
 



 
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