Bye bye Junimond

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du wohnst nun ein paar Straßen weiter.
Sich lösen nennst du es.
Doch täglich klingelt das Telefon.
Gestern sagtest du, dass es regnet.
Ich sah aus dem Fenster - antwortete:
Ja, es regnet...
Früher war jedes Wort ein Gedicht,
jedes Schweigen eine Welt.
Heute verrät uns die Stille.
Ich schließe die Augen.
Sehe dich am Fenster stehen.
Du beobachtest den Junimond hinter den Wolken.
Sie sind vorbei ~ vorbei,
Die kleinen Erdbeben.
Vielleicht besuchst du mich einmal, flüsterst du.
Ja vielleicht.
Wir könnten essen gehen.
Wie damals.
Weißt du…
Ich blicke auf die Straße, versuche mich zu erinnern.
Der Schatten der Laterne gleicht einem Galgen.
Ein Mann steht dort – einsam rauchend.
Wie erhängt.
Mein Gesicht spiegelt sich im Fensterglas.
Unberührt.
Es regnet.

Bye-bye Junimond
 
M

mirami

Gast
hallo otto,

die geschichte eines abschieds lyrisch gut und völlig ohne kitsch verpackt. gefällt mir sehr gut – von anfang bis ende-und das ende ist ein echtes highlight obwohl es so traurig ist. auch der titel ist sehr gut gewählt. was mir besonders gut gefällt ist, dass du auch die trauer des partners und dessen schwierigkeit sich zu lösen mit einbeziehst. das liest man selten obwohl meist beide partner leiden beim auseinandergehen.

lg gruß
mirami
 

Montgelas

Mitglied
lieber otto,

hinter dem schleier des gesprächs,
leise trauer und erinnerung,
vor ihm ahnungen des fremdseins.

der einfühlsame text verwandelt
das private eines unbekannten paares
in ein privates erlebnis des lesers!


danke !

montgelas
 
D

Denschie

Gast
Hallo Otto,
sehr stimmungsvoll und melancholisch
dein Gedicht. Ich habe es gern gelesen, obwohl
mich die Liedzitate ziemlich stören.
Zuletzt wurde der Song ja von "Echt"
interpretiert und ich habe die ganze Zeit
deren Stimmen im Ohr - das verdirbt die romantische
Stimmung. Dieses gedudelte "vorbei-ei-ei".
Geschmacksache in diesem Fall, vermute ich.
Liebe Grüße,
Denschie
 

Mirko Kussin

Foren-Redakteur
Hallo Otto,
ein intimes Gedicht, das in den meisten Lesern eine Beklemmung hervorrufen wird. So, oder so ähnlich ist es wohl jedem schonmal gegangen.
Dazu eine schnörkellose Sprache, der manchmal die Worte fehlen. Passt und ist stimmig!
Das Rio Reiser Motiv finde ich gelungen (ich liebe diesen Song). Allerdings würde ich es durchaus noch stärker ausbauen (z.B. einzelne Zeilen in deinen Text integrieren) und am Ende aber das "Bye-bye Junimond" ersetzen. Durch einen Hinweis auf den Song, oder einen Satz wie "Ich drehe das Radio ab", "Ich spule das Tape zurück", oder so...
Ich hoffe du kannst erahnen worauf ich hinaus will...
Ansonsten wirklich ein guter Text.
Kompliment
Gruß Mirko
Nachtrag:
Der erhängte Mann will nicht so recht in den Text passen. Es könnte aber eine schöne Klammer geben, wenn du in der folgenden Zeile statt "Mein Gesicht spiegelt sich im Fensterglas" etwas in der Art von "Ein anderer Mann steht am Fenster"...
Das hätte auch noch die Ebene dass sich der Erzähler ja auch verändert durch solche Erfahrungen....
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Otto,

ein wunderbar klarer Text.

Ja, die Stille ist zur Verräterin geworden. Alles Erfüllsein hat sie in Leere verwandelt.

Das sich Abgewürgtfühlen von etwas ist für mich stimmig.
Ich würde den Schluss so lassen.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

San Martin

Mitglied
Gefällt mir gut; ich würde nur "Wie erhängt" streichen, weil der Leser das sowieso erwartet bei der vorigen Nennung des ggalgenhaften Schattens.
 



 
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