Cappuccino Vanille

mattes

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Cappuccino Vanille
Musik krachte gegen sein Gehirn.
Sie sprang ihn direkt aus dem LCD Monitor an, der ihm während dessen höhnisch ins Gesicht grinste.
Normalerweise schwebte er über die Oberfläche des Mondes, wenn er untätig auf den Monitor sah, jetzt glotzte ihn die neue Oberfläche von Writer`s Café an.
Die Oberfläche der Software, die er extra vor ein paar Tagen über das Internet bestellt hatte, um seine Bemühungen einen Roman zu schreiben zu unterstützen.
Er wollte DEN Roman schreiben, der Welt etwas geben.
Er fühlte, dass die Welt etwas von ihm forderte, dass er etwas zu sagen hatte, dass er eine Weisheit herausschreien musste, es musste raus, und zwar jetzt!!!!!!
All das wusste er, und all das spürte er, nur........was wollte heraus!!??
Das hatte er in all den Jahren nicht so richtig herausgefunden. Er hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, dass die Welt, und die Menschheit, an seiner Weisheit genesen könne, und dass er diese nur verbreiten muss, um die Welt in ein Paradies zu verwandeln.
Tja, nun.
Jetzt war also die neue Software da, rekelte sich verführerisch auf seinem Bildschirm, und erwartete, dass der zukünftige Schriftsteller und Messias sie entjungferte, sie zur Frau machte, und sie zu höchsten Ekstasen führte, in dem er Worte in sie eindringen ließ, die ihr neue Dimensionen des Begreifens dieser Fleisch- und Knochenklumpen bescherte, die sie geschaffen hatten.
Statt dessen wurde sie nur vom Blick zweier etwas ratlos blickender Augen gestreichelt, während Inga Rumpf mit Ihrer Kapelle Frumpy "How the Gipsy was born" durch die Lautsprecher dröhnte, und nicht, wie eingangs erwähnt aus dem Monitor hüpfte.
Absoluter Quatsch.
Das mit dem Monitor natürlich, die Mucke war echt geil, wenn man auf Krautrock steht, und er stand auf Krautrock.
Inga Rumpf hatte er noch live mit "Atlantis" gesehen. Außerdem, das erzählte er auch heute noch immer wieder gerne, obwohl es nur sehr wenige ausgesuchte Leute in seinem Bekanntenkreis wirklich interessierte, hatte er in den 70gern in der Stadthalle "Guru Guru" mit dem Trommler Manni Neumeier gesehen.
"Die haben den Elektrolurch dort gespielt, ihr wisst schon, <Volt, Watt, Ampere, Ohm, ohne mich gibt`s keinen Strom ...>, und dann dieser komische Satz auf der Plattenversion des Lurches, den keine Sau jemals verstanden hat, naja, ihr wisst schon, dieser Satz eben."
Ja, sie wussten schon, "dieser Satz" eben.
Aber das alles brachte ihn gerade mal keinen Schritt weiter. Es passierte eigentlich dass, was ihm immer wieder passierte, er saß vor dem Bildschirm, alles war soweit eingerichtet, dass er anfangen konnte zu schreiben, aber, tja, aber .....
Nun denn, zur Feier des Tages, und der neuen Software hatte er sich einen halben Liter Cappuccino Vanille zubereitet, und zwar den teureren von Nescafé (wobei er nie im Leben auf die Idee kommen würde, zu beichten, dass er auf der Cappuccino Dose nachsehen musste, wie man Cappuccino schreibt, und ..... wie man Nescafé schreibt, peinlich, peinlich, aber es erfährt ja kein Schwanz).
An normalen Tagen bekam der Inhalt der preisgünstigeren Familiendose eines Discounters die Chance den Gaumen und die Seele unseres Künstlers zu inspirieren, aber heute war ja ein ganz besonderer Tag.
Heute ging es los, er hatte die Software, er war in Stimmung, er hatte die ersten Seiten von "Einfach schreiben" gelesen, die Inspiration hockte auf den Startbolzen, schüttelte nochmals leicht die Beine um die Muskulatur zu lockern, und während sie den Hintern in Startposition hob, wedelte sie leicht mit ihm hin und her. Warum auch immer er es bemerkte, er bemerkte es, warum auch immer.
Die Damen und Herren von Frumpy befanden sich im furiosen Finale von "Duty" dem absoluten Hammerstück von "Frumpy 2" und das Universum wartete auf den Startschuss.
Und wartete auf den Startschuss.
Und wartete auf den Startschuss.
Und wartete auf den Startschuss!!!
Das Universum schaute sich irritiert um.
Hatte es den Startschuss überhört?
Kann eigentlich nicht sein, ein Universum kann nichts überhören.
Eventuell zu viel Frumpy?? Nein, eigentlich nicht, nein, ziemlich sicher nicht.
Na klar, die Inspiration hockte ja auch immer noch in den Startlöchern.
Wäre es eine Läuferin gewesen, hätte der erwartungsvoll erhobene, gespannt auf den Startschuss wartende Hintern der Inspiration tatsächlich eine leicht erotisierende Komponente in diesem Ensemble von Erwartungen bilden können.
Frumpy beendete Duty genau so, wie dieser Moment zu enden drohte. (Wer jetzt Genaueres wissen will, der muss sich das Stück wohl oder übel anhören, aber es lohnt sich, ehrlich!).
Die aufgestaute Spannung, die Erwartung eines furiosen Auftaktes, all das schien in sich zusammen zu sacken, wie einer dieser aufblasbaren Plastiksessel, die in den 70 gern (ziemlich oft 70 ger in diesem Text, sollte man darüber einmal nachdenken???) so beliebt waren.
Nein, das kann und darf nicht passieren, das kann doch nicht wirklich sein. Er hatte doch vor ein paar Tagen extra noch einmal auf der Internet Seite von Andreas Eschbach einige Tipps zum Schreiben gelesen, daraufhin "Storylines" noch mal herausgekramt und damit herumgespielt, um eine vernünftige Romanstruktur aufzustellen. Er hatte mit dem Gedanken gespielt sich "Papyrus" zu kaufen, weil Andreas Eschbach damit schreibt, und es gut findet, und wenn der damit gute Romane schreibt, dann ......
Naja, Papyrus kostet über 100 Euro, und in der neuen Writer´s Café Version kann man den OpenOfficeWriter direkt aufrufen (geht zwar auch mit "Papyrus, geht sogar mit jeder anderen Software, aber das Argument kann er im Moment beim besten Willen nicht gebrauchen).
Also, er hatte doch jetzt alles, was er brauchte, alles war da, was fehlte denn nun in drei Teufels Namen??
Ach so, "Frumpy" war vorbei.
Neue Musik, vielleicht etwas weniger Aufwühlendes, etwas Entspannendes, etwas was den Geist öffnet.
Floyd!!
Pink Floyd!!
Irgendwie war das klar.
Nein, natürlich nicht "Dark Side ...." nein, auch nicht "Wish you where here" oder " schon gar nicht "The Wall".
Nein, etwas richtig Gutes aber nicht so der Gassenhauer von Floyd, den jeder hört, er war sich ja etwas Wert, und da er etwas wirklich Besonderes in sich spürte, was heraus muss, da musste auch die dazu passende Musik die lange Wanderung in sein, immer noch, gespannt inspiriertes ICH finden.
Da gab es eigentlich nur eines.
Durch die Atmosphäre des Zimmers schwebten echolotähnliche Klänge. Sie entsprangen einem absolut leeren Raum und verdichteten sich zu leicht schwebenden Tönen, die sich dann mit weiteren Schwingungen zu "Echoes" vereinigten.
"Das war es!"
Das war das "Missing Link" in der Entstehungsgeschichte des größten Romans aller Zeiten.
Noch schnell einen Schluck Vanille Cappuccino.
Den Blick über den Tassenrand fest auf den Monitor geheftet, fast angetackert, damit die Verbindung zum Medium nicht abreißt, und dann steht nichts mehr im Wege herum.
Die Inspiration steht langsam von der Bank auf, wirft das Handtuch zu Boden, geht gemessenen Schrittes zu den Startblöcken, kniet sich in Startposition, hebt leicht den Hintern, signalisierend, dass sie bereit ist, das Rennen ihres Lebens zu laufen, DAS RENNEN IHRES LEBENS!!!
Also los hau in die Tasten!
DER STARTSCHUSS!!!!!!
Das Universum spürt die Heiligkeit des Momentes.
Seit dem Urknall war es nicht mehr so erregt. Es stand ein Orgasmus der Superlative bevor.
Das Universum atmete schwer, und ein leises Keuchen schwebte begeistert durch die Unendlichkeit, jaaaaa, ooohhh Mattes, jaaaaa, mach weiter, bitteeee.
Er konnte es fühlen, das Kribbeln bis in die Haarspitzen, jaaaaa, das war es, es ging los.
Der Startschuss!!!!
Der Startschuss!!!!
Oh, 18:00 Uhr, Sportschau.
Naja, Alemannia hat gestern nur 1:1 gespielt, mal sehen, was der BVB heute so gemacht hat.
 



 
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