Carmel (gelöscht)

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Drickes

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Hallo Otto,

oder lieber Big Sur.
Monterey habe ich so in Erinnerung:

MONTEREY

Wer je Gymnasiast gewesen,
ein Freund von guter Prosa ist,
hat Steinbecks Schelmenbuch gelesen
von Typen, die man kaum vergißt:

von Doc, dem Meeresbiologen,
den wilden Partys im Labor,
vom armen Sam, der umgezogen
war in ein altes Eisenrohr,

von Taugenichtsen, Sonderlingen,
der „Palace-Clique“ beim großen Suff,
Matrosen, die zu Dora gingen,
denn Landgang hieß Besuch im Puff.

Wo sind die Kneipen, Bierspelunken,
in denen Hughie, Hazel, Mack
mit Jones „Old Tennies Shoes“ getrunken?
Sie suchen hätte keinen Zweck.

Wer Spuren wegen Steinbecks „Straße
der Ölsardinen“ aufsucht, ist
in ungewöhnlich hohem Maße
nostalgisch oder Optimist;

denn heute geht man durch Boutiquen,
Parfümerien, geht zur Bank
in umgebauten Fischfabriken,
wo ´s einstens bestialisch stank.

Zwar stehn noch Pfahl- und Bretterschuppen,
die Stapelhäuser an der Bay
als Blickfang für Touristengruppen
auf Stippvisite Monterey;

da dümpeln auch noch alte Kutter
in Sehnsucht nach dem offnen Meer,
sind nichts als Fotografenfutter
indes die Netze bleiben leer.

Ein Hauch von Fischerdorfidylle.
Gedankenwanderung an Bord.
Der Drink zu süß, die Bar zu schrille,
enttäuschte Neugier treibt uns fort.

Mit Dank und Grüßen
Gerd
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich liebe Steinbecks 'Straße der Ölsardinen', konnte den Zerfall dort immer noch sehr gut nachfühlen, ganz außerhalb der üblichen Touristenwege. Und ja...Big Sur ist großartig.
 

Drickes

Mitglied
Dann kann ich ja hiermit noch weitere Erinnerungen wachrufen:

BIG SUR

Big Sur, die Küstenregion
von Carmel bis San Simeon,
wohin uns alter Wunschtraum führt,
lag menschenleer, lag unberührt,
bis - neunzig Jahre sind es her -
an schroffen Hängen vor dem Meer
aus Schotterstein und Stahlbeton
von einem Sträflingsbataillon
der Highway One * errichtet ward,
auf dem in kurvenreicher Fahrt
sich solch ein Panorama zeigt,
dass, wer es wahrnimmt, dazu neigt,
bis Dämmerlicht noch in der heilen
Naturidylle still zu weilen.

Big Sur, die Küstenregion
von Carmel bis San Simeon,
wo Meereswogen sich am Riff
zerstören, wo nicht Boot noch Schiff
im Brandungssturm vor Anker geht,
der Algen Duft herüberweht,
wo Windgebraus die weiße Gischt
als Wassertröpfchen, die von Licht
durchdrungen feinsten Perlen gleich,
hinüber in das Pflanzenreich
der nahen Berggefilde trägt
und Seidenglanz darüber legt,
wo Frische tief in unsre Lungen
und Freude ist ans Herz gedrungen.

Big Sur, die Küstenregion
von Carmel bis San Simeon,
ein Meeresstreifen, reich an Fisch.
Auf Klippenstreifen putzen sich
die Kormorane stundenlang
nach unbeschwertem Beutefang;
die Pelikane fanden hier
ein überreiches Fangrevier.
Das träge Robbenrudel ruht
auf nacktem Fels und harrt der Flut.
Doch weiter, weiter schweift der Blick
aufs Meer hinaus und nicht zurück,
bis wir die Wale dort erspähen
und auf- und niedertauchen sehen.

Big Sur, die Küstenregion
von Carmel bis San Simeon
ist immer noch fast unbewohnt.
Nur hier und da verborgen thront
ein Maler, Bonvivant, Poet.
Auf Felsenblock ein Leuchtturm steht,
an tiefer Bucht den Weg entlang
ein kultiviertes Restaurant,
das, da sich unser Magen rührt,
zu schönster Schlemmerei verführt,
derweil die Sonne niedersinkt
und tief im Ozean ertrinkt.
O welch ein Tag, uns hier beschieden,
da Leib und Sinne sind zufrieden!

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* an der Küste Kaliforniens identisch mit U.S. Highway 101
 
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