Children's Revenge

Robert McKay

Mitglied
Kapitel 1​

"Scheiß-Karte!", fluchte Jack Roberts und schlug mit der flachen Hand auf das zerknitterte Papier auf seinen Knien.
Er saß in seinem Auto und befand sich an einem Ort, der hinter dem Ende der Welt zu liegen schien. Eigentlich hätte er schon längst in Danville sein müssen, aber irgendwie musste er die Ausfahrt verpasst und stattdessen eine oder zwei später genommen haben. Seine übermüdeten Nerven hatten es nicht zugelassen, dass er sich richtig hatte konzentrieren können.
Das Auto stand auf einer Erhöhung, einer Art Hügel und der Motor war abgestellt. Es war absolut finster, so dass es kaum möglich war, etwas zu erkennen. Die Scheinwerfer schafften es nicht, die Dunkelheit zu durchdringen. Die Scheibenwischer fuhren immer noch wie wild über die Scheibe und der Regen trommelte leise auf das Dach. Jack fuhr abermals mit seinem Daumen über die Karte und versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, wo er hätte abbiegen müssen, aber es gelang ihm nicht. Er wusste partout nicht, wo er sich im Moment befand.
Er schleuderte die Karte wütend auf den Rücksitz, als wäre sie an seiner Situation schuld, und klopfte mit den Fingern ungeduldig auf dem Lenkrad umher. Vor ihm konnte er den Schatten eines kleinen Hauses ausmachen, vermutlich handelte es sich um eine kleine Hütte, in der irgend ein menschenscheuer Auswanderer lebte. Jack sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor halb elf. Es würde wohl das Beste sein, wenn er fragen würde, ob er hier irgendwo ein Nachtlager bekommen könnte, anstatt noch heute den Weg nach Hause zu suchen, den er wahrscheinlich sowieso nicht finden würde.
Er stieg aus seinem Auto, knallte die Tür zu und lief auf die Hütte zu. Er hatte sich nicht vorgestellt, dass der Regen so stark war. Obwohl der Weg von seinem Auto zu dem kleinen Haus höchstens fünfzig Meter betrug, war er ziemlich durchnässt, als er an die Tür klopfte.
"Hallo", rief er, "Ist jemand da?"
Nur ein paar Sekunden später wurde die Tür geöffnet und ein warmer Lichtschein fiel auf Jack. In der Tür stand ein Mann von etwa sechzig Jahren, sehr penibel gekleidet und ein freundliches Lächeln im Gesicht. Jack ordnete ihn in die Kategorie "liebenswürdiger Großvater" ein.
"Entschuldigen Sie, bitte", sagte er und bemerkte erst jetzt, dass er zitterte, "ich wollte Sie nur fragen, ob sie mir vielleicht eine Unterkunft bieten könnten."
Der Mann musterte Jack von oben bis unten und bedeutete ihm dann mit einer knappen Geste, hereinzukommen.
Jack trat ein und die Tür fiel mit einem dumpfen Knall ins Schloss. Drinnen war es mollig warm. Die Hütte war größer, als sie Jack zuerst vorgekommen war, sie musste sich ein ordentliches Stück nach hinten erstrecken. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes befand sich ein Kamin, in dem ein gemütliches Feuer knisterte. An den Wänden hingen Tierköpfe von Hirschen und Wildschweinen und auf dem Boden lagen Felle verschiedener Tierarten. Insgesamt erweckte das Haus den Eindruck, als stamme es aus einer vergangen Zeit.
"Wow!", murmelte Jack bewundernd und sah sich um. In der Mitte des Raumes entdeckte er einen Tisch, auf dem viele Fotos lagen. Sie waren ordentlich übereinander gestapelt und so konnte Jack nur das Oberste erkennen: Es war in Schwarz-Weiß, sah schon recht alt und vergilbt aus und zeigte ein kleines Mädchen, vielleicht fünf Jahre alt, das mit einem Puppenwagen spielte. Vielleicht war es ein Enkel des Bewohners.
Just in dem Moment, in dem Jack darüber nachdachte, trat der Mann, der ihn eingelassen hatte, an den Tisch, nahm den Stapel Fotos und verstaute ihn in einem Pappkarton, der auf dem Boden stand. Er stülpte einen Deckel über und richtete sich wieder auf.
"Was kann ich für Sie tun?", fragte er und lächelte.
"Nun", erwiderte Jack, "eigentlich möchte ich Sie nur um eine Unterkunft für diese Nacht bitten."
Das Lächeln auf den Lippen des Mannes erlosch und sein Gesicht nahm eine unnatürliche Farbe an. Jack erschrak. Hatte seine Forderung etwa unverschämt geklungen?
"Eine Unterkunft...", murmelte der Mann leise. Er blickte Jack in die Augen und fragte dann: "Wissen Sie denn nicht, was heute für ein Datum ist?"
Jack verstand die Frage nicht. Er kniff die Augen erstaunt zusammen und antwortete: "Doch... selbstverständlich. Heute ist der vierzehnte November. Und?"
"Ich halte es für keine gute Idee, an diesem Tag hier eine Unterkunft zu verlangen!"
"Wieso nicht?" Jack verstand einfach nicht, was dieser Typ von ihm wollte.
"Na, wegen der Kinder!", sagte der Mann. Es klang, als wäre es das Natürlichste auf der ganzen Welt.
"Hören Sie", sagte Jack. Er wollte sich jetzt absolut nicht den Kopf über irgendwelche zusammenhanglosen äußerungen zerbrechen. "Ich habe eine vierstündige Autofahrt hinter mir, einen Stau und einen Polizisten, der mir wegen zu schnellem Verfahren einen Strafzettel verpasst hat. Eigentlich müsste ich schon längst zu Hause sein, aber ich habe wohl meine Ausfahrt übersehen und alles, was ich jetzt noch will, ist eine Möglichkeit, zu übernachten. Wenn Sie mir nicht helfen könne, dann muss ich sie mir woanders suchen, aber ich glaube, ich baue einen Unfall, wenn ich auch nur noch einen Meter weit fahre. Können Sie mir sagen, ob ich hier irgendwo ein Hotel finde?"
Der Mann hob die Hände, abwehrend aber auch beschwörend und sagte: "Bitte, mein Herr, ich muss Ihnen wirklich dringend davon abraten. Die Kinder..."
Jack hatte die Nase voll. Wahrscheinlich hätte er den Mann angeschrien, wenn er nicht so furchtbar müde gewesen wäre. So sagte er nur in einem zischenden Ton: "Bitte!!"
Der Mann seufzte und schüttelte den Kopf. Dann ging er zu einem Fenster und schob die Gardine beiseite.
Jack konnte einen leisen, verblüfften Aufschrei nicht verbergen. Draußen befand sich auf einmal eine ansehnliche Ansammlung von Häusern, hier und da waren Fenster hell erleuchtet und auch der Regen hatte auf einmal aufgehört. Man hatte eine weite Sicht und konnte auch noch in großer Entfernung deutlich kleine, gelb-strahlende Vierecke ausmachen.
"Das dort", sagte der Mann und zeigte auf ein größeres Haus in kurzer Entfernung, "ist das Jefferson-Hotel. Es ist das Beste in ganz Cild, da finden Sie mit Sicherheit noch ein Zimmer."
Jack betrachtete das Hotel. Es sah ordentlich und noch recht neu aus. Er nickte dem Mann dankbar zu und sagte: "Okay. Vielen Dank, Mr. ..."
"Brown", erwiderte der Mann, "Jacob Brown."


Kapitel 2​

Jack parkte den Wagen vor dem Hotel, stieg aus und ging auf das Gebäude zu. Ein großes Schild prangte über dem Eingang: "Jefferson".
Er betrat die riesige Eingangshalle und wurde schon wieder überrascht. Dieses Hotel schien technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Moderne Fahrstühle befanden sich an beiden Seiten und der Mamorboden glänzte, als wäre er gerade eben erst frisch poliert worden. Das Einzige, was Jack ein wenig verwunderte war, dass er hier der Einzige war. Keine andere Menschenseele war zu sehen.
Er ging zur Rezeption und schlug mit der Hand auf die kleine goldenen Klingel. Der helle Klang hallte durch den Raum und schien immer weiter anzuschwellen.
Ein alter Mann kam mit schlurfenden Schritten aus einem kleinen Raum hinter der Rezeption hervor und sah Jack missmutig an.
"Sie wünschen?"
"Ich hätte gerne ein Zimmer für diese Nacht", sagte Jack. Der Mann nahm ohne lange zu überlegen einen Schlüssel von dem Brett hinter sich und warf ihn auf den Tresen.
"Bitteschön!"
Jack nahm ihn langsam in die Hand. "Wollen Sie sich denn gar nicht meinen Namen aufschreiben?"
"Nicht nötig."
"Aber ich muss doch bezahlen!"
"Glaub ich kaum!"
Jack stand noch eine Weile da und betrachtete abwechselnd den Schlüssel und den Mann an der Rezeption. Dann entschied er sich, dass er zu müde war, um sich über so etwas zu streiten und dass Geldfragen auch morgen früh noch geklärt werden konnten. Er machte auf dem Absatz kehrt und schickte sich an, die Treppe hinaufzugehen.
"Sie wissen, dass heute der vierzehnte November ist, ja?", klang auf einmal die Stimme des Mannes hinter seinem Rücken.
Jack verdrehte genervt die Augen. Jetzt fing dieser Typ auch noch damit an. Er schnappte hörbar nach Luft, fuhr herum und fragte: "Und? Und? Was ist schon so Besonderes daran? Was ist so Besonderes an diesem verdammten vierzehnten November?"
Der Mann wich einen Schritt zurück. Zweifellos war er über Jack's plötzliche Bewegung verwundert.
"Am vierzehnten November 1896 hat der verrückte Brown alle seine Kinder umgebracht. Fünf kleine Kinder. Drei Jungen und zwei Mädchen."
"Das ist mir völlig egal!", zischte Jack, "es ist mir scheißegal, wer hier in eurem Kaff wen umbringt. Was mir nicht egal ist, ist die Tatsache, dass ich hundemüde bin und endlich schlafen will!"
Der Mann zuckte die Schultern. Er hatte seine Fassung von vorhin wieder gewonnen. "Gute Nacht, Mister", sagte er. Dann verschwand er wieder mit denselben schlurfenden Schritten.
Das Zimmer stellte sich als sehr geräumig und durchaus nobel eingerichtet heraus, als Jack es betrat. Der Anblick beruhigte ihn wieder ein wenig und ließ seine angestrengten Nerven sich automatisch etwas entspannen, die eben so strapaziert worden waren. Hier würde er eine ruhige und erholsame Nacht verbringen. Morgen früh dann würde er sich um den Rest kümmern und überhaupt erst einmal herausfinden, wo dieses Cild, in dem er sich jetzt befand und von dem er noch nie etwas gehört hatte (ganz zu schweigen davon, dass er sich in keiner Weise daran erinnern konnte, es im Auto auf der Karte entdeckt zu haben) überhaupt lag.
Er warf seinen Koffer auf das Bett und setzte sich. Für einen Moment schloss er die Augen und genoss die Stille; nur unterbrochen von dem gleichmäßigen Ticken der antiken Uhr, die an der Wand hing.
... Der verrückte Brown hat seine Kinder umgebracht. Alle fünf...
Die Worte kamen ihm wieder in den Sinn, und plötzlich fiel ihm auch die Namensgleichheit mit dem alten Mann in der kleinen Hütte auf. Für kurz keimte in Jack ein Gedanke auf, aber er verwarf ihn genauso schnell wieder, wie er gekommen war. Der Mann konnte unmöglich derselbe sein, der seine Kinder umgebracht hatte, sonst wäre er jetzt wohl schon mindestens hundert Jahre alt.
... Aber er hatte Fotos von kleinen Kindern...
Ja und? Bleib auf dem Teppich, Jack, bleib auf dem Teppich. Geh jetzt schlafen, dann kannst du auch schnell wieder hier weg.
Jack fand dies eine gute Idee. Er stand auf, ging hinüber zum Bett und ließ sich wieder fallen. Er beschloss, dass er keine Lust mehr hatte, sich noch umzuziehen und döste vor sich hin.
Nur kurze Zeit später - es konnten allerhöchstens fünf Minuten gewesen sein - vernahm er ein seltsames Geräusch. Es schreckte ihn aus seinem Halbschlaf hoch und er blickte angestrengt im Zimmer umher.
Nichts hatte sich verändert. Wieso sollte es auch so sein? Er war doch alleine hier. Als er zum Fenster blickte, erkannte er Regentropfen an der Scheibe und nun konnte er auch das Geräusch einordnen: Es war das leise Trommeln der Tropfen auf dem Glas.
Beruhigt schloss er wieder die Augen.
... aber das Gefühl ließ ihn nicht los, dass da noch etwas anderes war, irgend etwas anderes, außer dem Geräusch des Regens. Es klang sehr ähnlich, aber es war dennoch eine Spur zu laut, als dass es auf Glas tropfendes Wasser hätte sein können.
Dann erkannte er es. Jemand klopfte an die Tür.
"Ja, bitte", rief Jack und richtete sich auf. Das Klopfen verstummte. Vielleicht war es der Zimmerservice. In einem solch nobel ausgestatteten Hotel war es immerhin gut denkbar, dass ein paar eifrige Pagen den Gästen mit endlosen Fragen nach ihren Wünschen auf den Geist gingen.
Dann ertönte es wieder. Jack stand auf und ging langsam zur Tür. Er würde den Angestellten abwimmeln und ihm klar und deutlich erklären, dass er müde war und schlafen wollte. Die Tür hatte er abgeschlossen. Er drehte den Schlüssel im Schloss und zog die Tür mit einem entschiedenen Ruck auf.
Es war nicht der Zimmerservice, der vor der Tür stand. Das, was Jack dort erblickte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken und ließ ihn entsetzt aufschreien.
Vor sich sah er eine kleine Gestalt, etwa einen Meter groß. Es war ein Mädchen, mit langen Haaren und einem Sommerkleid. Zumindest musste es das früher einmal gewesen sein. Jetzt war es nicht besser erkennbar, als die gesamte, restliche Gestalt. Die Haare waren schmutzig und hingen in langen verklebten Strähnen herab. Der Schädel war an der linken Seite eingedrückt, ganz so, als hätte jemand mit einem harten Gegenstand mehrere Male darauf eingeschlagen; an einer kleinen Stelle schien der Kopf sogar vollständig aufgespalten zu sein. Eine lange, blutige Narbe verlief über ihre Wange. Die andere Gesichtshälfte bestand nur noch aus einer weichen Masse, aus der unentwegt Blutfäden über den Hals des Mädchens rannen und sich in seinem Kleid festsetzten. Ein Auge bestand nur noch zur Häktfe, die andere war nicht mehr erkennbar. Ein Gestank von Verwesung und Tod schlug Jack entgegen und raubte ihm beinahe das Bewusstsein.
Er schrie einmal kurz aber laut genug, dass man es bis an das Ende der Straße gehört haben musste; dann schlug er die Tür knallend zu und hastete zu seinem Bett. Er hockte sich auf die Decke und beobachtete die Tür.
Erst jetzt fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, abzuschließen. Kurz spielte er mit dem Gedanken, noch einmal zurückzurennen und die Tür zu verriegeln, aber sofort fiel ihm ein, dass dies reiner Selbstmord sein würde. Zitternd wartete er, was weiter geschehen würde.
Ganz sicher träumte er, hatten ihm seine Nerven einen Streich gespielt. Das, was er eben gesehen hatte, existierte doch überhaupt nicht. Er war verrückt, hatte zuviel gearbeitet oder sonst etwas, aber ganz sicherlich stand nicht genau in diesem Moment ein kleines Mädchen vor seiner Zimmertür, das mehr tot als lebendig war und zudem auch noch genügend Stoff für einen primitiven Horrorstreifen bot.
Diese Gedanken, mit denen er sich halbwegs zu trösten versuchte, wurden allerdings sofort widerlegt, als die Klinke auf einmal langsam heruntergedrückt wurde und die Tür aufschwang.
Und da stand sie wieder, und diesmal schrie er nicht nur einmal kurz auf, sondern begann derart vor Angst und Entsetzen zu brüllen, dass seine Kehle schmerzte und er dachte, seine Stimmbänder würden jeden Moment zerreißen. Er ließ das Mädchen dabei nicht aus den Augen und als sie sich langsam auf ihn zubewegte und er nicht weiter zurückweichen konnte, weil er die Wand bereits im Rücken spürte, vermischte sich sein Geschrei mit Weinen. Er sprang auf, warf dabei den Nachttisch um und verschwand im Badezimmer. Dieses Mal schloss er die Tür ab.
Eine Waffe!, schrie es in seinem Gehirn, verfluchte Scheiße, ich brauche eine gottverdammte Waffe und zwar SOFORT!!!
Er riss den kleinen Spiegelschrank an der Wand auf und durchsuchte hastig seinen Inhalt. Zahnbürsten, Plastikbecher, Rasierklingen. Rasierklingen. Er wog die Chance ab, die er haben würde, mit diesen simplen Messerchen diesen Zombie im Wohnzimmer zu verletzen und schleuderte sie dann in die Ecke, als er einsah, dass es absolut nichts bringen würde.
Es splitterte. Jack warf einen kurzen Blick zur Tür und erkannte die schlechte Qualität des Holzes. Eine kleine blutige Hand, die zudem aschfahl war, hatte sich bereits hindurchgebohrt.
Er schrie noch einmal und sah sich hektisch nach rechts und links um. Es würde doch irgendetwas geben, mit dem er sich zur Wehr würde setzen können.
Splittern. Eine zweite Hand.
"Scheiße!", schrie Jack, "Scheiße, scheiße, SCHEISSE!" Er entdeckte die Handbrause aus der Dusche und griff sie sich. Sie bestand aus Metall.
Die Tür bog sich regelrecht, kurz bevor sie splitternd zerbarst. Das kleine Mädchen kam herein, aber keineswegs hastig. Sie schien alle Zeit der Welt zu haben.
"Komm her! Komm doch, du Miststück!", fluchte Jack und hob die Brause hoch. Ein röchelndes Zischen kam aus dem Mund des Kindes. Es hob seine grauen Hände, als wolle es eine unsichtbare Barriere durchbrechen, die es noch von Jack trennte. Es machte einen Schritt nach vorn - langsam - und dann noch einen... und noch einen...
Als die Kleine nur noch einen halben Meter von Jack entfernt war, ließ er die Handbrause mit einem angsterfüllten Gebrüll auf sie heruntersausen.
Das Metall grub sich in den Schädel und blieb dort stecken. Das Mädchen ließ einen fürchterlichen Schrei los und fasste nach der Brause, um sie aus ihrem Kopf heraus zu ziehen. Jack sah nicht hin, sonst hätte er sich übergeben.
Ein metallener Klang zeigte ihm, dass sie es geschafft hatte. Jack erkannte, dass sein Verteidigungsmanöver nichts, absolut nichts genutzt hatte. Das Mädchen ging weiter auf ihn zu, als wäre überhaupt nichts geschehen. Jack konnte nicht mehr zurückweichen. Er nahm all seinen Mut zusammen, trat mit seinem rechten Fuß zu und schleuderte das Mädchen damit in die Badezimmerecke. Dann stürmte er an ihr vorbei und rannte aus seinem Zimmer auf den Flur.
Er lehnte sich keuchend an die Wand und schnappte nach Luft. Er musste dieses Hotel verlassen und zwar auf der Stelle. Aus dem hinteren Teil seines Zimmers drangen die unverkennbaren Beräusche, mit dem sich das Mädchen seinen Weg durch die demolierte Einrichtung bahnte.
Und plötzlich hörte er noch ein anderes Geräusch. Er drehte seinen Kopf nach rechts und erkannte zu seinem Entsetzen zwei weitere Kinder. Es waren Jungen, aber sie sahen mindestens genauso grausam zugerichtet aus, wie das Mädchen, wenn nicht sogar noch viel schlimmer. Sie trugen Teddybären in ihren Armen und hatten Pyjamas an. Ihre Schädel waren eingedrückt und aus ihren Augen rannen Blutfäden.
"Nein...", keuchte Jack, "Nein, lasst mich in Ruhe! Lasst - mich - in - Ruhe!!"
Er drehte sich um und rannte davon in Richtung der Treppe, auf der er herauf gekommen war.
"Lasst - mich - in - Ruhe..."
Die Jungen waren schneller als das Mädchen. Sie rannten hinter Jack her und als dieser erkannte, dass am Fuße der Treppe bereits ein drittes Kind auf ihn wartete, blieb die einzige Fluchtmöglichkeit eine Etage höher.
Er hörte das Getrappel der kleinen Füße, als er die Stufen hinaufhetzte. ... Der verrückte Brown hat seine Kinder umgebracht. Alle fünf... Verdammt, was war hier nur los? Was hatte das mit dem vierzehnten November zu tun? Es gab doch keine Zombies oder Gespenster oder irgend solch einen Kram! Oder?
Er fand sich auf einem langen Flur wieder, als er das Ende der Treppe erreicht hatte. Eine lange Reihe von Türen befand sich auf beiden Seiten. Jack probierte eine.
Verschlossen.
Er rannte ein Stück weiter und drückte noch eine Klinke herunter.
Auch verschlossen.
Verschlossen.
Verschlossen.
Es war zwecklos. Kein Mensch außer ihm war heute nacht in diesem Hotel. Hinter ihm hörte er die Kinder laufen und als er sich umblickte, erkannte er, dass ihre Anzahl inzwischen auf fünf angestiegen war.
... Drei Jungen. Zwei Mädchen...
... Alle umgebracht...
"Verschwindet!", kreischte er, "Verpisst euch, na los, ich habe euch nichts getan!"
Dann stand er mit dem Rücken zum Fenster. Er konnte nicht weiter ausweichen, dafür kamen ihm die Kinder immer näher. Einer der Jungen zog aus seiner Tasche einen kleinen Ball und warf ihn nach Jack. Er traf ihn am Kopf und Jack schrie vor Schmerz laut auf. Der Ball hatte ihm die Haut aufgerissen, Blut lief ihm über das Gesicht und verschleierte das Geschehen dunkelrot. Er sank zu Boden, hielt sich seine Stirn und versuchte, diesen wahnsinnigen Schmerz zu verdrängen.
Plötzlich wurde seine linke Wade von einer kleinen Hand ergriffen und brannte sich regelrecht in seine Haut. Ein furchtbares Brüllen ließ die Wände erzittern, als die Kinder begannen, Jack mit sich zu ziehen. Er trat nach ihnen, strampelte wie wild, sah aber ein, dass es nichts brachte. Er traf einen der Jungen an seinem Kopf und sofort spritzte eine Blutfontäne über sein Hosenbein. Die Hand lockerte sich einen Sekundenbruchteil, aber das genügte Jack. Er riss sich los, drehte sich um und rannte auf das Fenster zu.
Ein enttäuschtes Gebrüll erklang von den Kindern und er hörte noch, wie sie ihm hinterhereilten, aber er sprang bereits durch das Glas. Tausende von kleinen Wunden holte er sich ein, als die Scheibe klirrend implodierte und er anschließend wie ein Stein mindestens zwanzig Meter in die Tiefe stürzte...


Kapitel 3​

Aus der New York Times:

"Ein grausames Verbechen wurde der Polizei gestern früh gemeldet. Ein Jogger fand auf seinem allmorgendlichen Lauf eine grausam zugerichtete Leiche mitten auf einem freiem Feld in der Nähe von Danville. Der Tote hatte unzählige Schnittwunden, als wäre er furchtbar malträtiert wurden, bevor er ermordet wurde. An seinem linken Bein fand man eine große Brandwunde. Die Identität war bisher nicht festzustellen. Die Polizei ermittelt."
 



 
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