Christi Himmelfahrt

Sno

Mitglied
Christi Himmelfahrt

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Jetzt war er also endlich in greifbare Nähe gerückt. Der Tag, dem unsere Männer mit kindlicher Freude schon seit Monaten entgegenfieberten. Sicherlich nicht, um den guten Jesus zu seinem Vater in den Himmel zu begleiten. Die Herren stellten sich eher einen Ausflug im Sinne der heidnischen Flurbegegnung vor, in der bekannter Weise mit dem Fahrrad oder sonstigen Gefährten, die bei Führung in alkoholisiertem Zustand den Besitz des Führerscheins nicht beeinträchtigen, hinaus ins Grüne gefahren wird, um mehr oder weniger alkoholisiert wieder zurückzukehren.

Kein weibliches Wesen durfte an den streng geheimen Sitzungen zur Vorbereitung dieses mehrtägigen Ereignisses teilhaben, was den weiblichen Wesen allerdings nicht so tragisch vorkam. Zwei dieser benannten Wesen schmiedeten sogar eigene Pläne – Frauke und ich wollten diesen christlichen Feiertag, der von den meisten Männern genau genommen entwürdigt wird, nutzen, um unsererseits mal ganz unter uns Frauen zu sein.
Der Entschluss war schnell gefasst. Es sollte in die schöne Rhön gehen und zwar in vierhufiger Begleitung – ein Reiterurlaub!

Nun ist es so, dass man leider oft schnelle Entschlüsse in der Euphorie der Planung trifft, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. So standen wir also am Tag der Abreise seid nunmehr 27 Minuten wie angewurzelt im Hof unserer Reitanlage, wobei mit „wir“ mein Pferd und meine treue Freundin Frauke gemeint sind. Ich hingegen tanzte mit aufmunternden Gesten und einer dicken roten Möhre in der Hand herum, um mein Pferd in den eigens für diesen Ausflug angeschafften Pferdehänger zu bewegen. Unser Bauer lief einige Male kopfschüttelnd an uns vorbei und konnte so gar nicht verstehen, warum wir seine angebotene Hilfe nicht in Anspruch nehmen wollten.
Zu diesem Zeitpunkt waren meine Freundin und ich allerdings noch überzeugte Pferdeversteher, die mit rabiaten Methoden der Pferdezähmung nichts zu tun haben wollten (wollen wir übrigens auch heute nicht). Blöd war halt, dass unsere Pferde, respektive meines, uns nicht verstanden. Was um Himmels willen sollte es in dieser viel zu engen Pappkiste auf Rädern?
In dem Moment, als ich mit einem Auge schon nach dem Bauern suchte, um seine Hilfe unter Umständen doch anzunehmen, stellte mein Theo ein Bein auf die Laderampe und einen Moment geistiger hippologischer Umnachtung folgten weitere Schritte in das Innere des Hängers. Der letzte Huf hatte die Rampe noch nicht ganz verlassen, da klappte, die von meiner überaus geistig anwesenden Freundin Frauke getriebene Rampe hinter ihm zu.
Mein Pferd schaute mich mit großen Augen etwa so intelligent an wie Boris Becker (die Fans mögen mir verzeihen): „Bin ich schon drin oder was?“
Nun wollten wir ja nicht zu zweit auf einem Pferderücken durch die Täler der Rhön reiten, auch wenn Theos Rücken sicher lang genug gewesen wäre, sondern Fraukes Stute sollte auch noch mit – was von Theo übrigens lautstark bekräftigt wurde.
Die völlig abgeklärte Andra, die so gar nichts von der überschäumenden Nervosität ihrer auf der Rennbahn beheimateten Großmutter hatte, starkste in einer Seelenruhe in die enge verbliebene Lücke im Pferdehänger. Sichtlich erleichtert, die Reise nicht alleine antreten zu müssen, begrüßte Theo seine Beifahrerin mit einem wohligen Schnauben.

Unglaublich, wir konnten also tatsächlich losfahren, daran hatte ich schon fast nicht mehr geglaubt. Und kaum hatten wir die erste Autokolonne hinter uns erzeugt, da riss auch schon der Himmel auf und die Sonne blinzelte uns zu. So konnten wir die wütend hupenden Autofahrer mit einem Lächeln in unserem Gesicht ertragen, denn:“ Stau is nur hinne blöd!“
Das Lachen sollte uns jedoch schneller vergehen, als uns lieb war. Unglücklicher Weise bestand die Strecke zu unserem Traumziel in der versunkenen stillen Rhön nicht nur aus Autobahnen. Es kam der Zeitpunkt, an dem die Autobahn zur Landstraße wurde, was uns noch nicht wirklich aus der Ruhe brachte aber dann befanden wir uns plötzlich mitten in Fulda. „Wo ist nun hier das Problem?“, wird sich der geneigte Leser fragen, der mit Pferden und insbesondere dem Transport derselben nicht vertraut ist. Nun stellen Sie sich einfach folgende Situation vor: Frauen in einer fremden Stadt sind mit oder ohne Navigationssystem leider, völlig dem Klischee entsprechend, an sich schon überfordert. Erschwerend kam in unserem Fall hinzu, dass wir vor lauter Schwätzerei, welcher Frauen bekannter Maßen allen sonstigen Aktivitäten parallel frönen, völlig verpasst hatten den Stadtplan rechtzeitig vor der nächsten Straßenbiegung in die Richtung des Straßenverlaufs zu drehen. Also hatten wir nur noch eine vage Ahnung wo wir uns befanden und gar keine Ahnung in welche Richtung wir nun weiterfahren mussten. Nun ist Frau jedoch auch nicht ganz so unbeholfen, normalerweise hätten wir uns einfach einen netten Parkplatz gesucht und hätten in analytischer Weise unseren Standort neu ermittelt und wären dann zielstrebig der neu ausgetüftelten Route folgend an unser Ziel gelangt. Nun ist es aber so, dass man ja kaum mit einem Kleinwagen in den heutigen Städten einen Parkplatz auf die Schnelle findet. Selbst nach langem Suchen und damit verbundenen ständigen kreisen durch alle möglichen Nebenstraßen ist die Suche nicht immer von Erfolg gekrönt. Jetzt waren wir aber nicht mit einem Kleinwagen unterwegs, sondern mit einem Minivan nebst Pferdeanhänger, in dem unsere Zossen gar keine Lust hatten Ruhe zu halten. Langsam bildeten sich hektische Flecken in meinem Gesicht. Ich hatte schon lange aufgehört rote Ampeln zu beachten oder gar vorgeschriebene Fahrtrichtungen, denn wenn man eines nicht machen darf, wenn man möchte, dass die Vierbeiner nochmals in den Hänger steigen, dann ist das scharfes Bremsen und ruckhafte Lenkbewegungen. Ich gab mir allergrößte Mühe nicht falsch herum in eine Einbahnstraße zu fahren, während Frauke, in ihrer Gesichtfarbe der meinen in nichts nachstehend, versuchte uns in die richtige Richtung zu lotsen. Es war zum verzweifeln! Und dann kam die Rettung – ein Kreisverkehr! In Kreiseln darf man bekanntlich nicht parken, jedoch steht es nirgendwo geschrieben wie oft man einen Kreisel durchfahren darf und eine Mindestgeschwindigkeit konnte ich auch nicht entdecken. Ich versuchte die seltsam erregten Verkehrsteilnehmer in unserer unmittelbaren Nähe zu ignorieren und zog meine Kreise. Nach einigen Runden hatten wir nicht nur eine Ahnung wo wir uns befanden, sondern hatten uns auch für eine Richtung der Weiterfahrt entschieden. Mit verlassen des Kreisverkehres normalisierte sich nicht nur unsere Hautfarbe, sondern auch die der restlichen Verkehrsteilnehmer.

Jetzt glauben Sie ja nicht, wir hätten das Schlimmste überstanden und wären unserem Ziel in greifbare Nähe gerückt. Keinesfalls! Wie gesagt lag das von uns ausgesuchte Domizil inmitten unberührter Natur, mit reinen rauschenden Bächen und klaren sanften Vogelstimmen, die unsere Pferde auf ihrem täglichen Weidegang begleiten sollten. Wo findet man ein solches Idyll? Am A… der Welt. In solchen Regionen werden etwaige Besucher leider äußerst sparsam mit Richtungshinweisen zu besagten Orten in ihrem Findungsprozess unterstützt. So kam es, dass wir uns auf einer Landstraße befanden, die als solche kaum noch zu erkennen war, da die Wiesen rechts und links der Straße dem Asphalt schon beträchtlich nahe gerückt waren und sich langsam aber sicher zur Mitte vorarbeiteten. Hinzu kam, dass diese Strecke von Schlaglöchern zerfressen war und nicht nur uns, sondern auch unseren Pferden bei dem Seegang langsam schlecht wurde. Wir waren eindeutig falsch abgebogen und mussten irgendwie drehen. Ich machte mir schon eine ganze Weile über das „irgendwie“ Gedanken, als ich nicht weit der Straße einen Bauernhof entdeckte. Bauernhöfe haben immer einen großen Innenhof, wo man selbst mit Gespann wunderbar drehen kann! Voll des Mutes bog ich in den Feldweg ein, der zu besagtem Hof führte. Und ich hatte Recht, es war ein wunderschöner Hof mit ringförmig angeordneten Stallungen, Scheunen und Behausungen, zwischen denen ein großer Innenhof lag. Blöd war nur, dass das Tor geschlossen war. Ich überdachte kurz unsere Situation: Wir standen direkt vor einem verschlossen Tor, von dem Hof führte keine Straße geradeaus weiter, der Weg auf dem sich unser Gespann befand, war von Gräben nicht geringer Tiefe umsäumt und machte einen leichten Bogen. Ganz toll! Wir hatten nun zwei Möglichkeiten: 1. Wir luden unsere Pferde aus und banden sie an einen Baum, kuppelten den Hänger ab, drehten das Auto, kuppelten den Hänger wieder an und luden die Pferde wieder ein. Ich erinnerte mich an die bereitwillige Unterstützung meines treuen Pferdes beim Verladen und betrachtete Möglichkeit Nr. 2: Ich versuchte in einem waghalsigem Wendemanöver den Hänger rückwärts zunächst an dem Hinweisschild für landwirtschaftliche Fahrzeuge vorbeizuzirkeln, dann durch eine S-Kurve rückwärts über einen etwa 2,5m breiten Übergang zwischen den Gräben auf die Wiese zu stoßen und dann mit viel Schwung dem Morast der Wiese geradeaus wieder auf den Feldweg zu entkommen. Fraukes Blick entbehrte nicht einer gewissen Skepsis, als ich meine Entscheidung mitteilte, sie erklärte sich aber sofort bereit mich zu dirigieren. In unglaublichem Schneckentempo, vielen „mehr rechts“, „jetzt links“, einigen hysterischen „STOPS“ und wenigen „gut so“ schafften wir mit vereinten Kräften das schier Unmögliche! Wir waren Heldinnen!
Und wie es sich für wahre Heldinnen nach glorreichem Kampf gehört, begossen wir am Abend in unserem Urlaubsidyll unsere Heldentaten mit einem ordentlichen Schluck Rotwein und schmiedeten sogleich Pläne für den nächsten Tag.

(Fortsetzung folgt...)
 
H

HFleiss

Gast
Liebe/r Sno,

ich will doch nicht hoffen, dass du ein verkapptes männliches Wesen bist und diesen Text geschrieben hast, um uns bedauernswerten Weibern eins auszuwischen. Also nehme ich mal an, Sno ist Kopf und Bauch von Snob, und snobby kann schließlich jeder sein, egal, ob Mann, ob Frau. Das ist nicht die christliche Himmel- oder Seefahrt, die du hier beschreibst, sondern das ist die äußerst beschwerliche und unchristliche Pferdefahrt an einer ausgefallenen Christi Himmelfahrt. Aber ich vermute mal, du hast heimlich Christi Himmelfahrt nachgeholt und dabei eine neue, bisher unbekannte, die ganze Persönlichkeit ruinierende Krankheit entdeckt: die hippologische Umnachtung. Gut so, ich habe nichts gegen neue Krankheiten, ich freu mich immer, wenn ich welche finde und reihe sie in meine Sammlung ein. Man kann nie wissen, ob man sie nicht mal für die Erwerbsunfähigkeitsrente gebrauchen kann. Genauso freue ich mich immer, wenn ich bislang unbekannte Wörter finde, z. B. "starkste", "wage Ahnung" und "mit Nichten" (und Neffen, füge ich hinzu). Die Dudenredaktion wird dir dankbar sein.
Das war, wenn du mich fragst, keine Himmel-, sondern eine wahre Höllenfahrt, so viel Ungemach war nie. Und das war unbedingt des Aufschreibens wert, und ich habe mich köstlich (!!!) amüsiert. Danke, liebe Sno. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Herzliche Grüße
Hanna
 

Sno

Mitglied
Hallo Hanna,

keine Angst, ich bin mit Leib und Seele eine Frau, und ich liebe es mich in Klischees zu wälzen. Sno ist übrigens die Verunglimpfung (ich weiß garnicht, ob dieses Wort im Duden steht) meines Vornamens: Freunde machten aus "Sonja" "Snoja" und meinem Bruder reichte ein einfaches Sno. Seid dem ist dies mein Synonym.
Eines interessiert mich aber doch noch: Bist Du der Meinung ich sollte Worte wie "starksen", die in unserem regionalen Sprachgebrauch durchaus bekannt sind besser nicht in meinem Text gebrauchen? Dann würde ich nach anderen Worten suchen. Ich fand das Wort nur so passend, weil ein Pferd, welches auf den Hänger "läuft" tatsächlich nicht läuft, sondern die Beine ganz seltsam fast bis unter den Bach zieht und beim betreten der Rampe die Hufe möglichst garnicht aufsetzen will. Daher fand ich das Wort "starksen" so herrlich treffend.
Die Rechtschreibung ist ein schwieriges Thema und wird ja bekannter Weise heiß diskutiert. Ich verfolge diese Diskussionen mit größter Aufmerksamkeit und habe auch das neueste Dudenexemplar zur Hand. Ich bitte allerdings nicht nur um Nachsicht in meiner Rechtschreibung, weil ich Legasthenikerin bin und auf mein Rechtschreibprogramm angewiesen bin, sondern weil es meinen Schreibfluss behindert, wenn ich ständig im Duden nachschlagen muss. Ich bin natürlich immer dankbar für Berichtigungen, hoffe jedoch, dass der Inhalt meiner Geschichte vordergründig ist.
Daher eine abschließende Frage: wie hat Dir die Geschichte gefallen? Hast Du mit uns gelitten und gebangt?
Die Fortsetzung hat noch einiges haarstreubendes zu bieten ...
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Sno,

du fragst, wie mir die Geschichte gefallen hat. Sie ist lustig, es ist ein komisches Erlebnis, das du beschreibst.
Da kommt ein Hindernis aufs andere, und soweit ist das auch alles völlig in Ordnung. Ein bisschen bin ich durcheinandergekommen an der Stelle, wo du beschreibst, wie die Ich-Erzählerin vor dem Bauernhof zurücksetzen muss, das finde ich zwar völlig richtig, aber auch ein bisschen zu ausführlich erzählt. Man kann solche umständlichen Beschreibungen abkürzen, damit der Leser an dieser Stelle nicht aufgibt. Dass du Legasthenikerin bist, wie konnte ich das ahnen? Und dass du nur auf das Rechtschreibprogramm angewiesen bist, ist erst recht bedauerlich, denn solche Programme sind, das ist mein Eindruck, von irgendwelchen Analphabeten gemacht worden, vielleicht sogar anderen Muttersprachlern, und deshalb, entschuldige mich bitte vielmals, habe ich mich ein bisschen lustig gemacht über die Rechtschreibung, denn dein Programm stimmt eben einfach nicht. Das Wort, das du meinst - "starksen" - heißt deutsch richtig "staksen". Vielleicht kannst du deinem Text jemandem geben, der ihn trotz des Rechtschreibprogramms auf Fehler durchsieht? Ansonsten freue ich mich darauf, wie deine Geschichte weitergeht.

Lieben Gruß
Hanna
 

Nieselregen

Mitglied
Was ich darüber denke:

Hallo liebe Sno,

ich habe mich über Deine Geschichte köstlich amüsiert. Sie ist haarsträubend und geichzeitig urkomisch und ich würde den Verlauf der Story genau so lassen. Die Szene mit dem Wendemanöver finde ich nicht langweilig, sie gehört einfach mit hinein.
Woran ich noch etwas arbeiten würde ist die Länge der Sätze. Teilweise versuchst du einfach zu viel Information auf einmal hinein zu packen. Das strengt den Leser unnötig an. Es geht zu Lasten der Klarheit deines Textes. Andererseits bekommt der Text dadurch, dass die Informationen recht gebündelt herüber kommen, Tempo, was ja wieder ein Vorteil ist. Na ja, ich hoffe du verstehst was ich meine. Vieleicht findest du einen Mittelweg.

Ich bin strikt dagegen in einem Forum, in dem es letztlich um Kreativität geht, die Rechtschreibung über die Gebühr zum Thema zu machen. Jeder sollte sich zwar bemühen möglichst keine Fehler zu machen, sollten dem Einen oder Anderen aber doch welche passieren, genügt ein "kleiner" freundlicher Hinweis.
Die Verwendung von Wörtern die dialektisch sind, evtl. nur in bestimmten Gegenden verwendet werden oder sogar völlig neue Wortkreationen sind, sind im Rahmen der künstlerischen Freiheit selbstverständlich erlaubt. Lass dich da bloß nicht ins Boxhorn jagen.
Sich spöttisch und/oder lästerlich über das Synonym eines Anderen zu äußern führt m.E. entschieden zu weit.


Alles Liebe
Nieselregen
 



 
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