Computer-Bär - ein Freund

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Computer-Bär - ein Freund


Man fand ihn im Keller
in Blut
zwischen den Regalen.

Von Kugeln durchsiebt.

Eine Meldung in der Zeitung:
"Mann mit mehreren Schüssen getötet"

Ist es das, was bleibt?

"Noch immer keine heiße Spur"

Wer hat ihm das getan?
Ihm, der freundlich war, der half?
Einem Liebhaber der Poesie?
Einem Familienvater?

Das letzte Bild in mir, bevor er aus meinem Leben verschwand:
"Ich werde umziehen."

Sein vorheriger Laden war klein.
Und einladend.

Später war drin ein Käseladen,
dann wieder ein Computergeschäft.

Bald steht er wieder leer.

Wer tötet und warum?

Viel Hass muss da geherrscht haben.

Oder hat er einen Einbrecher überrascht?

Die Polizei rätselt.

Eines Abends kam er nicht nach Hause.
Am nächsten Tag öffnete der Hausmeister die Tür
zu seinem Laden.

Man fand ihn im Keller
in Blut
zwischen den Regalen.
 
B

Beba

Gast
Hallo Bernd,

emotional hat mich der Text schon gepackt. Ich weiß nicht, ob er authentisch oder erfunden ist. Egal, solche Schicksale sind keine Einzelfälle.

Aber ist das, was du hier einstellst, Lyrik? Zugegeben, ich habe häufig Probleme mit sogenannter Prosalyrik. Hättest du den Text allerdings prosaisch eingestellt, niemand hätte es gestört.
Mir fehlt das Lyrische an diesem Text. Ist aber mein ganz persönliches Empfinden.

Und dann dachte ich mir: begründe wenigstens deine Wertung! Offenheit und Fairness sollte schon sein! Ist aber leider nicht immer so! :-(

Ciao,
Bernd
 
H

Heidrun D.

Gast
Dem möchte ich mich anschließen, Bernd.

Ich habe große Schwierigkeiten mit der Formatierung, mit der Länge und dem völligen Mangel an lyrischer Sprache.

Natürlich sind all diese Dinge "erlaubt", doch wenn sich der Sinn des Vorhabens nicht erschließt, bleibt ein Gefühl von ungelenker Dichterei beim Leser zurück. Und als Nachruf ist der Text in meinen Augen nicht geeignet.

Gut finde ich die Wiederholung am Ende, das Wiederaufgreifen des Themas.

Freundliche Grüße
Heidrun
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe versucht, eine angemessene Sprache für das undenkbare zu finden, was geschehen ist.

Da wird jemand einfach erschossen - weil er den Dieb erwischt hat.

Ich habe abgehackte und unregelmäßige Verse in freiem - aber genauem - Rhythmus verwendet.

Aufgeklärt ist es in der Zwischenzeit.
Der Mörder hat aber wohl nicht allzuviel bekommen.
 

Walther

Mitglied
Lb. Beba, lb. Heidrun, lb. Bernd,

ich durchbreche aus diesem Anlaß einmal mein selbstauferlegtes Schweigegelübde, um danach wieder ins öffentliche Kommentar Off zurückzukehren. Wie die meisten wissen, kommentiere ich immer noch, aber eben über Bewertung, Mail und PN, da ich nicht mehr des Vorwurfs der öffentlichen Attacke um ihrer selbst Willen geziehen werden möchte.

Vers libre gehört zum Schwierigsten, das man schreiben kann. Die Frage, wie man diesen Text einordnen soll, ergibt sich u.a. aus der Situation, daß wir hier kein Lyrikforum mit dem Titel "Trauer und Düsteres" haben.

Ein Grabspruch, ein Nachruf, kann so gesetzt werden. Auch wenn er eher lyrische Prosa als Lyrik ist. Themen dieser Art lassen sich sowieso wegen des Inhalts nur schwer wirklich fair beurteilen, weil sich Blickwinkel nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Lyrik aus Betroffenheit gelingt selten richtig gut, speziell, wenn man noch eine große Nähe zum Gegenstand der Dichtung und besonders der Person, dem Protagonisten, hat.

Ansonsten transportiert der Text die Trauer und den Grund dafür in guter Weise. So sollten wir als Leser, meine ich, den Test in erster Linie sehen. Viele Betroffenheitstexte schaffen ja schließlich nicht einmal das.

LG W.
 
B

Beba

Gast
Hallo Walther,

es ist ein Betroffenheitstext, da hast du Recht. Und auch deine weiteren Ausführungen sind absolut plausibel.
Nun, ich habe den Text beurteilt, weil er in "Lyrik/Ungereimtes" als zu diskutierender Text steht. Nach wie vor habe ich Probleme damit, den Text als lyrisch zu bezeichnen, und das wird sich auch nicht ändern.

Ich habe nur ein Problem damit, dass ich nicht weiß, ob der Autor das Opfer tatsächlich gekannt hat oder nur eine Nachricht zum Anlass genommen hat, diesen Text zu schreiben. Sollte er das Opfer kennen und ist er damit sozusagen selbst involviert, so hätte ich lieber keine Wertung abgegeben! In dem Falle möchte ich gern dazu stehen, einen Fehler gemacht zu haben.



Ciao,
Bernd
 

JackoF

Mitglied
Hallo Bernd,

für mich ist dieser Text in seiner eigenen Lyrik ein sprachlicher Spiegel des Inhalts – und der ist nun mal so, wie er ist.
Inhalt <=> Sprache

Und desweiteren passt zu diesem „so“ letztlich unfassbar nachvollziehbaren Inhalt,
in seiner Konsequenz und Motivation,
eben nur ein adäquater Sprachstil, der faktisiert,
der nackt macht !!
Und hierüber hinaus auch Fragen zum Wert des passierenden Lebens generell stellen kann.
Wie z.B. :
Ist es das, was bleibt?

"Noch immer keine heiße Spur"
"Ich werde umziehen."
Sein vorheriger Laden war klein.
Und einladend.
Später war drin ein Käseladen,
dann wieder ein Computergeschäft.

Bald steht er wieder leer.
Und dieser ebenso gelungene Spannungsbogen von gleicher Eingangs-und Endstrophe
Man fand ihn im Keller
in Blut
zwischen den Regalen.
Ist es das tatsächlich, was bleibt ????
Und mit Deinem Aufbau eröffnet sich z.B. mir die gedankliche Weite zu diesem Li, Spuren zu finden/mir vorzustellen, wie dieses LI etwas Persönliches im allgemeinen Konstrukt Leben hatte,
und,
wie alles „einfach so“ plötzlich aus einer quasie Normalität herausgerissen werden kann.
Alles ist dann anders geworden !!


Bernd,
falls Du Interesse daran hast, mal zu zwei Stellen eine knappere/zugespitztere Variante zu lesen, wie sie mir so spontan in den Sinn kam,
dann lass es mich wisssen – und ich stellte sie mal hier rein :))

Habe gerne hier mitgelesen, :)
und wieder ein Tschüss, Jacko

--
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich kannte das Opfer gut. Es war ein guter Freund und ein Fachmann auf seinem Gebiet.
Das hat aber nichts mit der Bewertung zu tun. Bewertungen sind immer individuell.
Für mich war es unmöglich, hier ein lustiges Gedicht zu schreiben. Damit musste ich aus gewohnten Formen ausbrechen.
Man sieht auch an einigen Reaktionen, dass ich aus gewohnten Formen ausgebrochen bin.

Ich hatte damals, als ich es in die Leselupe gebracht hatte, noch keine Reaktionen erhalten.

Verbesserungen sind aber immer möglich, da es schließlich ein Gedicht ist.

Ich habe deshalb auch keinen Einwand gegen Vorschläge, aber ich nehme sie nicht unbedingt auf, das hängt davon ab, wie ich sie fühle.

Gerade bei solchen Werken gibt es ein spezielles Problem: Sie sind von der konkreten Sprache abhängig, von der Mundart. Wenn sie in einer anderen Gegend anders gesprochen werden, können sie sehr verlieren.

Leider kann man die Sprechweise nicht markieren.
Viele lesen Gedichte wie Prosatexte, sie ignorieren Verseinteilungen. Hier sind die Verseinteilungen, das Abgehackte, wichtig, ebenso wie langsames betontes Lesen.
Das unterscheidet es vom Prosatext.

Viele Grüße und Danke für die bisherigen Antworten.
 



 
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