Das Amulett

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rogathe

Mitglied
Ihre Lieblingsfarbe war Blau. Als ihre erste Brust begann, sie aufzufressen, ließ sie sich ein Amulett anfertigen, das sie fortan an einer Kette um den Hals trug. Es war ein Medaillon aus Gold, dessen Deckel einen Lapislazuli fasste, in den ihr Familienwappen eingraviert war. Es glich einer ovalen Pillendose.

"Es wird mich vor dem Schlimmsten bewahren!", versicherte sie stets voller Überzeugung.

Die erste Brust wurde amputiert. Daraufhin gönnte sie sich eine lange, luxuriöse Schiffskreuzfahrt und genoss das Blau des Himmels und des Meeres in seinen vielfältigen Nuancen.

Dann wurde die zweite Brust abgenommen. Sie reiste ins Gebirge und erfreute sich am Blau des Enzians.

Nach ihrer Rückkehr tätigte sie Einkäufe in der Stadt und überquerte gedankenverloren die Straße. Ein LKW bog um die Ecke und erfasste sie. Sie war auf der Stelle tot. Das Amulett blieb unbeschädigt.

Als man es öffnete, lag darin eine glasklare Kapsel, die mit einem weißen Pulver gefüllt war, daneben ein winziges zusammengefaltetes Begleitpapier mit schwarzem Giftsymbol und der Aufschrift "Cyankali".
 
G

Gelöschtes Mitglied 8146

Gast
Der Tod ist immer ein tiefer Einschnitt ins Leben. Manchmal hat der Tod einen Namen. Sein Name ist Krebs.

Für eine Frau muss es schmerzlich sein ihre Brüste zu verlieren. Auch eine Kreuzfahrt kann den Verlust der Weiblichkeit nicht weg machen.

Diese Frau hat ein Geheimnis mit sich herum getragen. Durch ihren plötzlichen Tod behält sie ihr Geheimnis für sich; aber das Amulett erzählt uns eine Geschichte.
 

rogathe

Mitglied
Selbsttötung statt Siechtum!
Halte ich grundsätzlich für legitim.
Eine Enddreißigerin mit zwei schulpflichtigen Kindern wird sich vermutlich nicht töten, sondern kämpfen bis zuletzt.
Eine Endfünfzigerin, deren erwachsene Kinder aus dem Haus sind,
könnte sich dazu entschließen.
In meiner Geschichte hat ihr der Unfall diese Entscheidung abgenommen.

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar!

:) rogathe
 

Madeira

Mitglied
Hallo rogathe,
ich auch.
Aber ich denke, die Geschichte ist nicht realistisch, denn 1. hätte die Zyankali-Kapsel keinen Krankenhausaufenthalt unbeschadet überlebt,
und 2. kommt ein bundesdeutscher Normalbürger auf legalem Weg gar nicht an sowas.
D.h., wäre sie nicht beim Unfall um´s Leben gekommen, hätte deine Prota eines Tages zum sog. stillen Suizid greifen müssen.
Keine Geschichte kann so brutal sein wie das Leben selbst.
LG
Madeira
 

rogathe

Mitglied
Das Amulett

Ihre Lieblingsfarbe war Blau. Als ihre erste Brust begann, sie aufzufressen, ließ sie sich ein Amulett anfertigen, das sie fortan an einer Kette um den Hals trug. Es war ein Medaillon aus Gold, dessen Deckel einen Lapislazuli fasste, in den ihr Familienwappen eingraviert war. Es glich einer ovalen Pillendose.

"Es wird mich vor dem Schlimmsten bewahren!", versicherte sie stets voller Überzeugung.

Die erste Brust wurde amputiert. Daraufhin gönnte sie sich eine lange, luxuriöse Schiffskreuzfahrt und genoss das Blau des Himmels und des Meeres in seinen vielfältigen Nuancen.

Dann wurde die zweite Brust abgenommen. Sie reiste ins Gebirge und erfreute sich am Blau des Enzians.

Nach ihrer Rückkehr tätigte sie Einkäufe in der Stadt und überquerte gedankenverloren die Straße. Ein LKW bog um die Ecke und erfasste sie. Sie war auf der Stelle tot. Das Amulett blieb unbeschädigt.

Als man es öffnete, lag darin eine glasklare Kapsel, die mit einem weißen Pulver gefüllt war, daneben ein winziges zusammengefaltetes Begleitpapier mit schwarzem Giftsymbol und der Aufschrift "Cyankali".
 

Clara

Mitglied
eine knappe schaurige Geschichte

da ist jemand in Gedanken bei sich - aber nicht mehr ganz in der Welt - durch die durchstandenen Vorkommnisse, das flüchten in schöne Ereignisse.

Ich gebe nicht mal dem LKW Fahrer eine Schuld - sondern ihr, der Leidenden, die ihn nicht hat sehen können - so in sich vertieft.
Wer blau denkt, liebt, sich verschafft, sucht die Weite, die Luft, ist Freiheitsliebend.
Den Stein betreffend müsste ich nachschlagen - nur getragen, glaub ich nur halb an die Heilung von Steinen

Kinder mit Depressionen sollen häufig bei Unfällen zu Schaden kommen.

Keine Brust, keine Gebärmutter zu haben ist schon eine Schmach an die Weiblichkeit - nicht nur Äusserlichkeiten
 

ThomasStefan

Mitglied
Hallo rogathe!
Knapp und treffend geschrieben.
Anfang war ich irritiert:
Ihre Lieblingsfarbe war Blau. Als ihre erste Brust begann, sie aufzufressen,...
Man meint, die Brust frisst das Blau auf (??), dann wird es klar. Könnte man ein klein wenig unformulieren, um den Bezugsirrtum zu vermeiden.
Nicht gerne, aber mit Interesse gelesen.
Thomas
 

rogathe

Mitglied
Das Amulett

Ihre Lieblingsfarbe war Blau. Als ihre erste Brust begann, den Körper aufzufressen, ließ sie sich ein Amulett anfertigen, das sie fortan an einer Kette um den Hals trug. Es war ein Medaillon aus Gold, dessen Deckel einen Lapislazuli fasste, in den ihr Familienwappen eingraviert war. Es glich einer ovalen Pillendose.

"Es wird mich vor dem Schlimmsten bewahren!", versicherte sie stets voller Überzeugung.

Die erste Brust wurde amputiert. Daraufhin gönnte sie sich eine lange, luxuriöse Schiffskreuzfahrt und genoss das Blau des Himmels und des Meeres in seinen vielfältigen Nuancen.

Dann wurde die zweite Brust abgenommen. Sie reiste ins Gebirge und erfreute sich am Blau des Enzians.

Nach ihrer Rückkehr tätigte sie Einkäufe in der Stadt und überquerte gedankenverloren die Straße. Ein LKW bog um die Ecke und erfasste sie. Sie war auf der Stelle tot. Das Amulett blieb unbeschädigt.

Als man es öffnete, lag darin eine glasklare Kapsel, die mit einem weißen Pulver gefüllt war, daneben ein winziges zusammengefaltetes Begleitpapier mit schwarzem Giftsymbol und der Aufschrift "Cyankali".
 
R

Rose

Gast
Hallo rogathe,

eine traurige Tatsache gut in Worte verpackt. Du schreibst, es ist eine fast wahre Geschichte. Da kann man mal sehen, dass das Leben (Schicksal) so manches mal seine eigenen Wege geht. Hier hat es traurigerweise in den Tod geführt.
Ansonsten kann ich nur sagen: Wohl dem, der als letzten Ausweg eine solche Kapsel hat ...

Zu den Heilsteinen kann ich nur sagen, dass ich gerade tagelang mit einem Lapislazuli herumgelaufen bin, da ich fürchterliche Schmerzen hatte. Natürlich nichts im Gegensatz zu deiner bewegenden Geschichte.
Hier ein Link zum Stein: http://www.heilsteine-verzeichnis.de/heilsteine/Lapislazuli.htm

Bewegte und nachdenkliche Grüße
Rose
 

rogathe

Mitglied
Herzlichen Dank für deinen Kommentar!
Menschen gehen halt sehr verschieden mit ihren Erkrankungen um.

:) rogathe
 



 
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