Das Dorf und die weite Welt

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ridding

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Es war einmal ein abgelegenes kleines Provinzdorf, das wollte auch die Verbindung zur großen weiten Welt haben, also gingen die Bewohner hin und bauten einen Bahnhof. Aber da es keine Eisenbahnstrecke gab, an die der Bahnhof angeschlossen war, blieben sie weiterhin von der Welt getrennt. Doch die braven Leute ließen sich nicht entmutigen und bauten eine Autobahnauffahrt. Aber weil es keine Autobahn gab, auf welche die Auffahrt führte, blieben sie weiterhin von der Welt abgeschottet. Da überlegten die Dorfbewohner lange, was sie nun anstellen sollten, um endlich die Verbindung zur großen weiten Welt zu bekommen. Und sie kamen darauf, einen Flugplatz zu bauen, denn, so dachten sie sich, die Flugzeuge kommen schließlich durch die Luft, da braucht es weder eines Schienenstranges noch einer Autobahn, die zu uns hinführt. Aber als der Flugplatz fertig war, wollte dort kein einziges Flugzeug landen, und so blieb das Dorf weiterhin von der Welt abgeschieden. Doch eines Tages entdeckten einige Militärs den Flugplatz und sie dachten: Ei, so einen großen Platz können wir doch gut gebrauchen, um das Bombenabwerfen zu üben. Erst hatten die Dorfbewohner Bedenken gegen den Plan, aber dann dachten sie sich, bevor dieser Platz zu gar nichts nütze ist, da sollen doch lieber die Flieger ihre Bomben drauf abwerfen, dann kommen vielleicht wenigstens ein paar Soldaten ins Dorf. Und so fingen die Flieger an, ihre Bomben auf den Platz abzuwerfen, aber das rumpelte und krachte und zischte und polterte, dass es den Dorfbewohnern doch bald zu viel wurde, und sie ließen die Soldaten keine Bomben mehr abwerfen. Aber als sie sich den Platz dann ansahen, konnten sie nur noch mit dem Kopf schütteln. Aus dem schönen Gelände war ein einziger großer zerfurchter Krater geworden. Als allerdings ein paar Jahre ins Land gegangen waren, war der Krater voll mit Wasser gelaufen und es war ein See daraus geworden, ja, es war der größte und schönste See weit und breit. Und weil nun die Leute von überall her kamen, um in dem See zu baden, wurden bald eine Eisenbahnlinie und eine Autobahn zu dem See gebaut und der Bahnhof und die Autobahnauffahrt waren doch nicht umsonst. Doch mit der Autobahn und der Eisenbahn kamen dann noch mehr Menschen, so dass viele Dorfbewohner schließlich meinten: „Ach, hatten wir es doch nur wieder so schön ruhig wie früher.“
 

Retep

Mitglied
Hallo ridding,

Schildbürgerstreiche?
Und die Moral von der Geschichte?

Verstehe nicht, was du mit deinem Text sagen willst.

Gruß

Retep

P.S.: Es liegt nicht immer am Autor, wenn ein Text nicht verstanden wird.
 

atoun

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hallo ridding,

"Schildbürger" genau an dieses feine Volk hat dein Text mich auch erinnert.

Eine mögliche Moral bzw. Prämisse könnte sein:
"Letztendlich hat man sich alles selbst zuzuschreiben"
oder:
"Der Fortschritt macht vor niemandem Halt"
oder auch:
"Pass gut auf, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen"
oder gar:
"Früher war alles besser"?

Oh, eigentlich würden mir noch mehr einfallen.

So sehr ich deine Texte auch mag, diesmal habe ich den zu weitläufig gefassten Inhalt deiner Geschichte zu bemängeln.
Es gibt zuviel, was dort reininterpretierbar wäre. Deshalb steht der Leser am Ende vor einem Rätsel und fragt sich, was der Autor damit nun wirklich sagen will/wollte.
Da der Mensch auch mit seinen Sinnen liest, bleibt hierbei ein Gefühl der Leere (durch Überflutung entstanden) zurück, welches sich dann auf den Text überträgt.

gruß von
atoun
 

ridding

Mitglied
Hallo retep, hallo atoun,
der Text ist zunächst einmal weniger metaphorisch als es zunächst aussieht, sondern inspiriert durch das höchst ambivalente Verhältnis, dass die Einwohner (und Politiker) in Gegenden mit hoher Dichte an militärischen Einrichtungen, was ja häufig strukturell schwache Gebiete sind, zum Militär haben - und was passiert, wenn es dann irgendwann nicht mehr da ist. Das ist natürlich bei mir ziemlich grob gerastert, ironisch überspitzt und ins Absurde gezogen, sodass sich wohl durchaus Übertragbarkeiten ergeben.
Gruß, ridding
 



 
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