Das Gewissen

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bassimax

Mitglied
Die Ursache für meinen Unmut bestand in einem fetten, kleinen Jungen. Er hatte kurze Stoppelhaare, ein rotes Gesicht und kleidete seinen unförmigen Leib mit überdimensionalen Markenklamotten. Er dürfte vielleicht zwölf Jahre alt gewesen sein.
Zusammen mit seinem Opa stand er vor einem Geschäft, „PC Spiele Welt“. Ich saß auf einer Bank, vielleicht zehn Meter weit entfernt. Sein Opa war ein Mittsechziger, bieder gekleidet mit einem karierten Hemd und einer grauen Stoffhose. Der Alte hatte ein gutmütiges Gesicht. Es drückte momentan nur eine gewisse Verständnislosigkeit für das Ansinnen seines Enkels aus, der ein Spiel für DM 100,-- haben wollte. Wenn Menschen einen verständnislosen Gesichtsausdruck haben, kann sie das manchmal sehr sympathisch machen. Es ist sympathisch, wenn ein Mensch gewisse Dinge nicht versteht, weil er zum Beispiel keinen Sinn darin sieht. Der Alte dachte sicherlich, daß man für dieses Geld auch zwei Hosen in der Kaufhalle kaufen könnte. Oder ein Ausflug in den Zoo - mit gutem Essen - wäre drin gewesen. Vielleicht hätte man das Geld auch für Weihnachten aufsparen sollen. Hundert Mark für ein Spiel? Man kann doch draußen spielen!
Jedenfalls zog der fette Junge am Ärmel des Alten.
"Wir können doch mal reingehen!" sagte er drängend. Sein Plan war klar. Erst mal drinnen, wollte er seinen Opa zwingen, das Spiel zu bezahlen. Indem er Terror machte, den Alten vor dem Verkäufer durch einen Mordsaufstand in Verlegenheit brachte. Auf die anderen Kids im Laden deutete, "die auch alles haben dürfen".
Der Opa aber wollte nicht. Er witterte die Gefahr. Er kannte die gängigen Taktiken des Monsters, das sein Sohn oder seine Tochter erschaffen hatten. Ich bekam einerseits Mitleid mit ihm, andrerseits war ich gespannt, wie die Sache weitergehen würde.

Der Fettsack drehte auf. Er zog noch stärker am Ärmel des Opis. Und er wurde lauter.
"Wir gehen jetzt da rein!"
Verzweiflung schwang in seinen Worten mit. Schweiß erschien auf seinem verquollenem Gesicht. Es sah wirklich so aus, als würde ihn die Tatsache, daß er seinen Willen nicht durchsetzen konnte, in eine psychische Ausnahmesituation bringen. Seine Stimme wurde schweinchenhaft schrill.
„Wir gehen jetzt da rein!“
Ihm war es sicher egal, was eventuelle Passanten von ihm denken könnten. Der Opa aber blickte sich nervös um, in der Hoffnung, daß niemand zusah. Der Junge wollte Geld. Das an der Geldbörse noch ein Mensch hing, interessierte ihn nicht.
Er wurde noch wütender, und zog so kräftig am Alten, daß dieser sich mit einer Hand an einem Verkehrsschild festhalten musste. Hass glühte in den Augen des Jungen.
"Aber Kind das ist doch viel zu teuer!"
"Nein, das ist billiiiig!" quietschte das Schweinchen zurück.
"Lass uns doch erst mal nachhause gehen, was die Mama sagt!" Mittlerweile vor Verzweiflung heulend schrie der Dicke:
"Neiiiiiiiiiiiin!" und das in einer Tonlage , die mich einen Tinnitus befürchten ließ. Man mochte meinen, der Junge würde um sein Leben kämpfen.
"Was ist denn nur los mit dir Florian? Ich dachte du wolltest mit mir spazieren gehen?“
Jetzt drehte er total durch. Der Junge trommelte auf den Alten ein. Der hielt schützend seinen Arm vor sich. Sein Gesicht hatte einen todtraurigen Gesichtsausdruck. Jetzt trat der Junge, heulend und bebend, gegen das Knie des Alten und der ging zu Boden. Er konnte sich gerade noch mit den Händen aufstützen. Die Brille rutschte von seinem faltigen Gesicht.
Sicherlich liebte dieser Mann seinen Enkel, zumindest bis jetzt. Sicherlich hatte er ihm ein Sparbuch angelegt und freute sich über jede gute Note, die er nachhause brachte. Aber nun war der Alte am Boden, auf allen Vieren. Hielt in einer Hand seine Brille, blickte nach oben. Und fing still an zu Weinen.
Der jugendliche Spieleenthusiast geriet ob des Dramas, das er angerichtet hatte, noch mehr außer sich. Er stampfte mit den Füssen auf.
"Du bist schuld! Du bist schuld! Du Arschloch!" brüllte er .
Mittlerweile stand der Ladenbesitzer wie erstarrt in der Tür. Er konnte nicht fassen, was er sah. Er half dem Opi hoch. Auf einem seiner Knie war ein roter Fleck. Vorsichtig führte er ihn in den Laden, schloss die Tür.

Der Junge blieb draußen. Er atmete schwer, wischte sich das Gesicht und biß in seine Unterlippe.
Ich hatte keine Lust gehabt, einzugreifen, den Alten zu retten. Ich wollte sehen, was passiert.
Plötzlich fühlte das Kind , daß ich ihn beobachtete. Er drehte sich abrupt um und sah mir direkt in die Augen. Sofort begriff er, daß ich alles gesehen hatte und erschrak. Wiederum stieg Wut in ihm auf. Eine andere Wut, die des Ertappten. Und diese richtete sich gegen mich, der ich Zeuge seiner Untat war. Scham und Wut sind eine üble Mischung , die nie zu etwas Gutem führt.
"Schau weg!" schrie er. „Das ist meine Sache!“
Nicht schlecht, dachte ich mir. Der hat immer noch Energie, der kann’s zu was bringen. Oder aber, er landet im Knast. Er ging einige Schritte auf mich zu und fuchtelte mit seinen Fäusten herum. Das sollte wohl eine Drohgebärde darstellen
"Hau ab Du Arschloch!"
Wieder befand er sich im Reich der Hysterie. Ich stand auf. Ging auf ihn zu. Er blickte ängstlich und verstummte. Ging rückwärts, bis er an der Hausmauer stand. Und ich vor ihm.
Jetzt war er aufgewacht. Er war still. Blitzschnell griff ich in seine Haare, hielt ihn fest, und schlug sein Gesicht mit voller Wucht gegen die Hausmauer.
Tot war er nicht, die Nase jedoch war sicher hin. Er stöhnte dumpf, ging in die Knie.
" Ich bin dein Gewissen. Und ich werde immer bei dir sein." sagte ich und machte mich aus dem Staub.
 
A

Arno1808

Gast
Lieber bassimax,

hmm...ich würde grundsätzlich schon gerne auf Einzelheiten deiner Geschichte eingehen, aber vorher könntest du sie vielleicht erst noch einmal selbst überprüfen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass du sie etwas übereilt eingestellt hast.

Hier nur ein paar abstrahierte Eindrücke:

- Die Interpunktion ist - sorry - schlimm.

- Der logische Ansatz wirft an manchen Stellen Fragen auf.
Nur ein Beispiel: Du bist zehn Meter entfernt und siehst, wie sich Schweiß auf seinem Gesicht bildet???

Was das Ende betrifft... das ist Geschmacksache.

Gruß

Arno
 
M

margot

Gast
ganz so ein aufmerksamer leser wie arno bin ich nicht.
ich kann noch kilometerweit die schweißperlen auf
der gestreßten stirn eines menschen sehen. die geschichte
gefällt mir. aber die gebrochene nase am schluß mißfiel mir.
wenn mir mein gewissen immer die nase brechen würde, hätte
ich mittlerweile nur noch brei im gesicht.
doch, das ist eine schöne geschichte. sie zeigt wunderbar die ohnmacht des greises vor der ungezügelten aber auch
dümmlichen lebenslust des 12-jährigen jungen. das gewissen
schlüpft aus der beobachterrolle und schlägt zu.
tolle 3-faltigkeit. wer gewinnt ist klar.
das gewissen nicht.

ralph
 

bassimax

Mitglied
Hallo!

Also, die Interpunktation habe ich jetzt verbessert. Denke
ich zumindest. Ich meine allerdings auch, daß man aus einer
Entfernung von zehn Metern erkennen kann, ob jemand schwitzt
oder nicht. Es ist mir klar, daß diese Geschichte polarisiert. Grausamkeit ist nicht jedermanns Sache.

Sebastian
 
M

margot

Gast
vorausgesetzt die schweißperlen benetzen nicht den
von grausamkeit schon getrübten blick.
 



 
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