Das Glück liegt auf einer Bank

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Schon oft war ich in dieser Stadt gewesen, sie wurde mir immer vertrauter. Es gab Menschen und Gründe genug, sie mittlerweile jedes Jahr zu besuchen - doch dieses Mal war alles anders, denn ich schlenderte ganz allein herum. Das Wetter war warm, aber nicht zu warm, und ich wollte endlich das tun, was ich seit sechs Jahren, als ich die Stadt zum ersten Mal besuchte, tun wollte.

Ich wollte auf einer Bank sitzen, die Umgebung um mich herum beobachten, die Leute, die vorbeigingen, das Flair genießen, den Augenblick und sonst nichts tun. Wie lange, würde ich selbst bestimmen. Das einzige Problem: Ich musste eine Bank mit Rückenlehne finden, denn ich wusste, dass es auch welche ohne gab. Das würde meinen Genuss aber schmälern.

Nach einem ausgiebigen Einkaufsbummel standen die Zeichen günstig. Es war Mittagszeit, ich brauchte eine Pause, die Sonne schien angenehm warm, ohne zu brennen. Das war gut, denn Schatten gäbe es auf dieser Bank nicht. Ich verstaute die Einkäufe in meiner Umhängetasche, erstand eine Flasche Wasser in einem Kiosk, wartete geduldig in einer Bäckerei, bis ich ein belegtes Brötchen kaufen konnte und strebte zum Ziel meiner Wünsche.

Sofort sah ich eine Bank mit Rückenlehne, besetzt von nur einer Person. Da passte ich locker daneben. Ich setzte mich, trank erstmal ein wenig Wasser, pellte die Tüte halb vom Brötchen, so dass ich es sauber essen konnte, und schaute.

Es war genauso, wie ich es mir gewünscht hatte.

Das Theater des Lebens zog an mir vorbei. Große, kleine, dicke, dünne Menschen, in allen Farben, mit allen Sprachen - und in aller möglichen und unmöglichen Kleidung. Plötzlich wurde ich durch lautes Sirenengeheul abgelenkt, ein Polizeiaufgebot erschien, rückwärts entstand hektische Aktivität. Passieren tat aber nichts richtig. Die Beamten warteten ab. Ich wandte mich wieder dem Studium meiner Verwandten zu.

Irgendwann hatte ich tatsächlich genug, das Brötchen war verzehrt, das Wasser ausgetrunken. Ich nahm meine Siebensachen und ging ein paar Meter weiter, dorthin, wo das genaue Gegenteil von dem herrschte, was ich gerade erlebt hatte: die totale Stille. In diesem Raum war ich allein, es war tatsächlich still, so still, dass ich nur meine Atemzüge hörte. Unfassbar, dass nur wenige Meter entfernt das Leben tobte.

Schließlich verließ ich den ruhigen Ort, der Pförtner nickte mir zu. Der Sonnenschein empfing mich, das Lachen der Menschen, das Reden, ihr Gewusel.

Manchmal liegt das Glück auf einer Bank. Am Brandenburger Tor.
 



 
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