Das Grab des Trommlers

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Duisburger

Mitglied
Hier ist eine älter Geschichte von mir, die hier schon einmal kurz veröffentlicht war. Die grundsätzlich unterschiedlichen Reaktionen haben mich dann veranlasst, die Geschichte noch mal aus dem Forum zu nehmen, um sie zu überarbeiten. Nun liegt sie schon zwei Jahre in dieser Version auf der Festplatte und ich weiss immer noch nicht, wo ich etwas ändern sollte.
Vielleicht kann mir der ein oder andere User weiterhelfen.

Das Grab des Trommlers

Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen.

An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und immer noch liegt ein Nebelschleier über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. Es ist ungewöhnlich still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten mißtrauisch die langen Reihen der Soldaten.
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben gleichgültigen Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen, doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das Erste mal dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben glücklich den einen oder anderen Kampf überlebt und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen nun wieder bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm nicht viel gelassen. Ein alter Korporal findet ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde. Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nimmt ihn mit und sorgt dafür, daß er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wird.
Johann lebt sich ein und wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um Johann zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überläßt die Bestrafung den Männern der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen anzufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaute über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Angst nagen. Sein Blick verliert sich für einen Moment und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen würde. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt und der Klang von Trommelwirbeln klingt leise herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. Doch er ist hier.

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Die Offiziere brüllten Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Soldaten der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.
Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht und immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen Soldaten erahnen.
Er weint nun hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg, fort von diesem Grauen, das ist nicht sein Kampf.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlte die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen. Seine Knie versagen, die Trommelstöcke fallen aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen. Er hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann wird es dunkel.

Das Schießen hat aufgehört, nur das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft harte Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal läßt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt zwischen den beiden Bäumen an zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben die Männer ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zuzudecken. So wird er nicht direkt von der Erde bedeckt.
Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.


ld
Duisburger
 
S

Spaetschreiber

Gast
Lieber Duisburger,

ich habe mir die ganze Geschichte einfach mal erzählen lassen. Hab sie einfach in die Vergangenheitsform getaucht und mir vorgestellt, der Ohrenschützer würde sie mir erzählen.

Also mir machte die Geschichte Gänsehaut. Vielleicht versuchst du es auch mal, es wäre doch möglich, dass dich diese andere Form plötzlich auf einen neuen Weg schubst.

Bei der Einleitung:
_______________

"Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen."

__________________

wünschte ich mir, ein wenig mehr Spannung, irgendetwas, was mich neugierig macht.

Vielleicht sowas:

"Nur einmal im Jahr, wenn der Stand der Sonne diesen besonderen Lichteinfall hat, blitzt ein alter Uniformknopf zwischen den inzwischen tiefen Furchen der Baumrinde hervor.
Als wollte ihn der Baum loswerden stöhnt es knarrend aus dem Stamm - wenn Westwind weht..."


sowas irgendwie.

Ich lese mal noch ein wenig.

LG
Tom
 

Ellen

Mitglied
[blue]Die Offiziere brüllten Befehle[/blue]
Da du in diesem Abschnitt in der Gegenwartsform schreibst
muss es hier auch
Die Offiziere [blue]brüllen[/blue] heissen.

[blue]Johann will nur noch weg, fort von diesem Grauen, das ist nicht sein Kampf.[/blue]

Hier würde ich nach[blue] diesem Grauen [/blue]einen Punkt setzen und
Das [blue] hier [/blue]ist nicht sein Kampf.[blue]Dessen wurde er sich in diesem kurzen Augenblick voll bewusst. [/blue]einfügen


[blue]Dann wird es dunkel. [/blue]

Dann umfängt ihn tiefe Dunkelheit,Stille oder Dann wird es Nacht vor seinen Augen.


[blue]Die Sonne steht schon tief und wirft harte Schatten. [/blue]

Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten, die
die empfundene Trostlosigkeit und Verzweiflung noch verstärken.



Ansonsten spannend erzählt :)
 

MarenS

Mitglied
Um Himmels Willen!
Lass es, wie es ist. Nichts reißerisches, nichts geheimnisheischendes hineinpacken. Lass die leisen Töne, lass deinen Text für sich sprechen.
Danke

Maren

P.S.: Einer der wenigen Texte, die wirklich ohne sensatzionshascherei unter die Haut gehen. Verdammt!
 

MarenS

Mitglied
Als junges Mädchen sah ich die Gräber in den Ardennen. Weiße schlichte Holzkreuze, den Hügel hinan, weiß auf grün, tausende.
Ich ging um einige Namen zu lesen und sah, wie jung sie starben. Seitdem verabscheue ich Kriege bis ins Mark.

Maren
 

Duisburger

Mitglied
Hallo an alle,

ich danke euch für die freundlichen Kommentare.
Das hier sollte eine leise Geschichte sein sein, die ohne reisserische Elemente und ohne laute Bildern auskommt. Hier wollte ich nur die ausweg- und trostlose Situation des kleinen Trommlers an den Leser bringen. Eine Antikrieggeschichte, die mir gerade vor dem leider noch aktuellen Hintergrund von Kindersöldnern in manchen Drittländern wichtig ist.
Deshalb kann ich, lieber Spätschreiber, deine Vorschläge leider nicht umsetzen, da sie nicht dem "Klang" entsprechen, den ich mit der leisen Erzählweise erzielen wollte.
Dir Ellen, danke ich für deine Aufmerksamkeit. Deine Vorschläge übernehme ich gerne, da sie sinnvolle Kosmetik sind, welche Stil und Inhalt nicht verändern.
Maren, ich freue mich, dass dich die Geschichte emotional erreicht hat. Sie sollte nach Möglichkeit unter die Haut gehen, das scheint mir bei dir gelungen zu sein.
Ich werde noch eine kurze Zeit warten und dann die Geschichte nach "Erzählungen" verschieben lassen. Vielleicht kommt ja noch ein sinnvoller Vorschlag zur Verbesserung der Geschichte.

lg
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Hier ist eine älter Geschichte von mir, die hier schon einmal kurz veröffentlicht war. Die grundsätzlich unterschiedlichen Reaktionen haben mich dann veranlasst, die Geschichte noch mal aus dem Forum zu nehmen, um sie zu überarbeiten. Nun liegt sie schon zwei Jahre in dieser Version auf der Festplatte und ich weiss immer noch nicht, wo ich etwas ändern sollte.
Vielleicht kann mir der ein oder andere User weiterhelfen.

Das Grab des Trommlers

Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen.

An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und immer noch liegt ein Nebelschleier über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. Es ist ungewöhnlich still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten mißtrauisch die langen Reihen der Soldaten.
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben gleichgültigen Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen, doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das Erste mal dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben glücklich den einen oder anderen Kampf überlebt und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen nun wieder bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm nicht viel gelassen. Ein alter Korporal findet ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde. Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nimmt ihn mit und sorgt dafür, daß er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wird.
Johann lebt sich ein und wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um Johann zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überläßt die Bestrafung den Männern der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen anzufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaute über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Angst nagen. Sein Blick verliert sich für einen Moment und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen würde. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt und der Klang von Trommelwirbeln klingt leise herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. Doch er ist hier.

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Die Offiziere brüllen Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Soldaten der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.
Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht und immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen Soldaten erahnen.
Er weint nun hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg. Fort von diesem Grauen, daß hier ist nicht sein Kampf. Dessen wird er sich in diesem kurzen Augenblick voll bewusst.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlte die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen. Seine Knie versagen, die Trommelstöcke fallen aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen. Er hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann umfängt ihn Dunkelheit.

Das Schießen hat aufgehört, nur das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal läßt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt zwischen den beiden Bäumen an zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben die Männer ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zuzudecken. So wird er nicht direkt von der Erde bedeckt.
Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.


ld
Duisburger
 

maerchenhexe

Mitglied
hallo Duisburger,

Es ist eine wunderbar leise erzählte Geschichte, die unbedingt in die Erzählabteilung sollte. Die ein oder andere Werkelstellehat mein Besen allerdings gefunden. Schau mal, ob du was gebrauchen kannst.

lieber Gruß
maerchenhexe


Das Grab des Trommlers

Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen[blue].(eine gute Einleitung, hier würde ich nicht ein Wort ändern)[/blue]

An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und immer noch liegt ein Nebelschleier über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher.([blue] Vorschlag: An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und ein Nebelschleier liegt über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. 'Immer noch' ist so ein Füllsel, das ich nicht brauche.) [/blue]
Es ist [blue]ungewöhnlich (würde ich auch weglassen, lass den Leser ganz unvorbereitet.)[/blue]still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten mißtrauisch die langen Reihen der [blue]Soldaten (vielleicht 'Uniformierte',sonst zweimal Soldaten hintereinander.)[/blue].
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben gleichgültigen [blue](nur gleichgültig oder vielleicht maskenhaft?)[/blue] Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen[blue],(Hier würde ich einen Punkt setzen. Dann: Einzig die Augen spiegeln deutlich ihre Angst.) (Damit hättest du auch zweimal 'können' hintereinander entsorgt.) [/blue]doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das Erste mal[blue](erste Mal)[/blue] dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben [blue]glücklich ( ich glaube nicht 'glücklich', sondern 'mit Glück'[/blue] den einen oder anderen Kampf überlebt[blue](hier würde ich einen Punkt setzen und das 'und' weglassen.)[/blue] und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen [blue]nun wieder(würde ich weglassen, Füllsel) [/blue]bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm [blue]nicht viel (nichts?)[/blue]gelassen. Ein alter Korporal findet([blue]fand, denn hier erzählst du aus seiner Vegangenheit.) [/blue]ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde.([blue]Wenn du komplett im Präsens bleiben willst, müsstest du hier ändern...völlig zertört worden ist.) [/blue]Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nimmt ihn mit und sorgt dafür, daß er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wird.
Johann [blue]lebt sich ein und (würde ich weglassen, Zusatzinformation, die ich als Leser nicht brauche)[/blue]wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um [blue]Johann (ihrem Trommler?)[/blue]zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten (ich würde in der Zeit bleiben und 'versuchen' schreiben.) zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überläßt die Bestrafung [blue]den Männern (würde hier nur Kompanie schreiben, sonst Wdh. 'Männer'.) [/blue]der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen anzufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaut[blue]e(weg)[/blue] über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. [blue]Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Angst nagen.(Hier würdeich einkürzen, nur schreiben... Johann fragt sich, ob sie auch Angst haben.)[/blue] Sein Blick verliert sich für einen Moment([blue]Komma)[/blue] und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen [blue]würde (den Konjunktiv würde ich durch Inikativ ersetzen, denn es wird ja real passieren.)[/blue]. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt(Komma) und der Klang von Trommelwirbeln klingt [blue]leise(würde ich steichen.)[/blue] herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals, und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst(vielleicht Furcht? Sonst zuviel 'Angst' im Text.) droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. [blue]Doch er ist hier.(Diesen Zusatz braucht es nicht, mein Kopfkino ist gerade voll aktiv) [/blue]

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Die Offiziere brüllten [blue](nur: Offiziere brüllen)[/blue] Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Soldaten der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.([blue]Hier würde ich etwas umstellen, da sie 'doppelten' Soldaten etwas verwirren. Vorschlag: Die auf der anderen Seite haben zuerst geschossen. Viele Soldaten der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden. Männer schreien und...) [/blue] Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht ([blue]Hier würde ich einen Punkt setzen, 'und' weglassen) [/blue]und immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen [blue](fremden?) [/blue]Soldaten erahnen.
Er weint [blue]nun (jetzt, 'nun' hast du schon.)[/blue] hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg, fort von diesem Grauen, das ist nicht sein Kampf.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlt[blue]e(weg)[/blue] die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen (bringt keinen Ton...,Sonst zuviel kann) Seine Knie versagen, die Trommelstöcke fallen [blue](gleiten oder entgleiten, sonst doppeltes 'fallen')[/blue] aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen[blue]. Er (hier würde ich Komma setzen und ohne das 'er'weiterschreiben.)[/blue]hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann wird es dunkel.

Das Schießen hat aufgehört, nur [blue](einzig?, sonst arg viel nur im Text)[/blue] das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft harte Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal läßt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt ([blue]ich würde 'an' hierher stellen, sieht sonst so verloren aus.) [/blue]zwischen den beiden Bäumen an zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben die Männer [blue](sie,sonst Wdh.) [/blue]ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite(Komma, 'und'weg) und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zuzudecken. [blue]So wird er nicht direkt von der Erde bedeckt. (Würde ich weglassen. Du beschreibst diese Szene so gut,dass man sie auch ohne diesen Zusatz versteht.)[/blue]Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.
 

Duisburger

Mitglied
@Spätschreiber
Tut mir leid, vergessen. Ich habe den ganzen Text mal in die Vergangenheit gesetzt und ich finde, er verliert so an Wirkung, weil ich als Leser nur noch mittelbat am Text teilnehme.

@Märchenhexe
Vielen Dank für die ausführliche Besrbeitung. Da ist eine Menge, was bedenkenswert ist. Ich werde mir deine Anmerkungen neben den Text legen und sehen, was ich verwerten kann bzw. will. Damit könnte der Text entgültig werden. Dauert aber ein wenig, ich melde mich.

lg
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Hier ist eine älter Geschichte von mir, die hier schon einmal kurz veröffentlicht war. Die grundsätzlich unterschiedlichen Reaktionen haben mich dann veranlasst, die Geschichte noch mal aus dem Forum zu nehmen, um sie zu überarbeiten. Nun liegt sie schon zwei Jahre in dieser Version auf der Festplatte und ich weiss immer noch nicht, wo ich etwas ändern sollte.
Vielleicht kann mir der ein oder andere User weiterhelfen.

Das Grab des Trommlers

Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen.

An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und ein Nebelschleier liegt über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. Es ist still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten mißtrauisch die langen Reihen der Uniformierten.
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben maskenhaften Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen, doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das erste Mal dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben den einen oder anderen Kampf überlebt und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen nun bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm nicht viel gelassen. Ein alter Korporal fand ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde. Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nahm ihn mit und sorgte dafür, daß er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wird.
Johann lebt sich ein und wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um dem kleinen Trommler zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überläßt die Bestrafung der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen anzufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaut über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Furcht nagen. Sein Blick verliert sich für einen Moment, und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen wird. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt, und der Klang von Trommelwirbeln klingt herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. Doch er ist hier.

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Offiziere brüllen Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Kameraden der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.
Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht. Immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen Soldaten erahnen.
Er weint jetzt hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg. Fort von diesem Grauen, daß hier ist nicht sein Kampf. Dessen wird er sich in diesem kurzen Augenblick voll bewusst.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlt die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen. Seine Knie versagen, die Trommelstöcke gleiten aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen, hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann umfängt ihn Dunkelheit.

Das Schießen hat aufgehört, einzig das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal läßt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt an,zwischen den beiden Bäumen zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben sie ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zuzudecken. Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.


ld
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Hallo an alle,

nochmals vielen Dank für eure hilfreiche Unterstützung.
Ich denke,ich habe nun erreicht, was ich beabsichtigte. Die Geschichte erscheint mir rund. Es waren nur Kleinigkeiten, doch solche Dinge, die man als Autor einfach übersieht bzw. überliest können mich zum Wahnsinn treiben.
Ich lasse den Text nun in den Bereich "Erzählungen" verschieben.

lg
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Hier ist eine älter Geschichte von mir, die hier schon einmal kurz veröffentlicht war. Die grundsätzlich unterschiedlichen Reaktionen haben mich dann veranlasst, die Geschichte noch mal aus dem Forum zu nehmen, um sie zu überarbeiten. Nun liegt sie schon zwei Jahre in dieser Version auf der Festplatte und ich weiss immer noch nicht, wo ich etwas ändern sollte.
Vielleicht kann mir der ein oder andere User weiterhelfen.

Das Grab des Trommlers


Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen.

An diesem November morgen ist es empfindlich kühl und ein Nebelschleier liegt über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. Es ist still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten misstrauisch die langen Reihen der Uniformierten.
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben maskenhaften Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen, doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das erste Mal dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben den einen oder anderen Kampf überlebt und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen nun bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm nicht viel gelassen. Ein alter Korporal fand ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde. Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nahm ihn mit und sorgte dafür, dass er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wird.
Johann lebt sich ein und wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um dem kleinen Trommler zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überlässt die Bestrafung der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen an zufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaut über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Furcht nagen. Sein Blick verliert sich für einen Moment, und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen wird. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt, und der Klang von Trommelwirbeln klingt herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. Doch er ist hier.

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Offiziere brüllen Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Kameraden der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.
Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht. Immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen Soldaten erahnen.
Er weint jetzt hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg. Fort von diesem Grauen, dass hier ist nicht sein Kampf. Dessen wird er sich in diesem kurzen Augenblick voll bewusst.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlt die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen. Seine Knie versagen, die Trommelstöcke gleiten aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen, hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann umfängt ihn Dunkelheit.

Das Schießen hat aufgehört, einzig das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal lässt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt an,zwischen den beiden Bäumen zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben sie ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zu zudecken. Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.


ld
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Hier ist eine älter Geschichte von mir, die hier schon einmal kurz veröffentlicht war. Die grundsätzlich unterschiedlichen Reaktionen haben mich dann veranlasst, die Geschichte noch mal aus dem Forum zu nehmen, um sie zu überarbeiten. Nun liegt sie schon zwei Jahre in dieser Version auf der Festplatte und ich weiss immer noch nicht, wo ich etwas ändern sollte.
Vielleicht kann mir der ein oder andere User weiterhelfen.

Das Grab des Trommlers


Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen.

An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und ein Nebelschleier liegt über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. Es ist still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten misstrauisch die langen Reihen der Uniformierten.
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben maskenhaften Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen, doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das erste Mal dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben den einen oder anderen Kampf überlebt und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen nun bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm nicht viel gelassen. Ein alter Korporal fand ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde. Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nahm ihn mit und sorgte dafür, dass er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wurde.
Johann lebt sich ein und wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um dem kleinen Trommler zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überlässt die Bestrafung der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen an zufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaut über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Furcht nagen. Sein Blick verliert sich für einen Moment, und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen wird. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt, und der Klang von Trommelwirbeln klingt herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. Doch er ist hier.

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Offiziere brüllen Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Kameraden der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.
Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht. Immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen Soldaten erahnen.
Er weint jetzt hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg. Fort von diesem Grauen, dass hier ist nicht sein Kampf. Dessen wird er sich in diesem kurzen Augenblick voll bewusst.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlt die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen. Seine Knie versagen, die Trommelstöcke gleiten aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen, hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann umfängt ihn Dunkelheit.

Das Schießen hat aufgehört, einzig das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal lässt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt an,zwischen den beiden Bäumen zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben sie ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zu zudecken. Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.


ld
Duisburger
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo Duisburger,

wie sagt man landläufig? Was lange währt, wird gut. Hier könnte ich ergänzen: was besonders lange währt, wird besonders gut. Quatsch - nicht die Zeit spielt hier die ausschlaggebende Rolle, sondern die Sorgfalt, mit der Du hier heran gegangen bist. Und wenn man dann noch eine solch gute "Füllsel-Fischerin" wie märxenhexe an der Seite hat...

Ich habe den Text bereits vor langer Zeit gelesen. Schön, dass er nicht als Rohling in der Versenkung verschwunden ist, sondern sich den letzten Schliff (gibt es den überhaupt?) verpassen ließ. Resultat: Nicht nur eine wunderschöne Geschichte, sondern auch ein Beispiel für erfolgreiches Arbeiten am Text. Glückwunsch!

Gruß Ralph
 

Duisburger

Mitglied
Hallo Ralf,

danke für deinen freundlichen Kommentar.
Ja, sie stand hier schon einmal für kurze Zeit, war aber wohl noch nicht reif. Ich habe sie knapp zwei Jahre ruhen lassen, um nun noch einmal unter Mithilfe ander Lupinen einen Anlauf zu machen. Es hat funktioniert, wie es auch vor einiger Zeit mit einer anderen Erzählung funktioniert hat.
Diese Erzählung war mir zu wichtig, um sie auf der Festplatte zu vergessen. Ich habe mittlerweile gelernt, dass manche Werke erst reifen müssen. Dafür habe ich sogar einen extra Order angelegt.
Und die Schreibwerkstatt ist eine klasse Sache, wenn man aussreichend Geduld hat.

lg
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Das Grab des Trommlers


Nur zwei alte, vernarbte Bäume. Die Sonne bricht sich im kahlen Geäst, der Schnee verwehrt den Blick auf die Krume. Doch auch in den Sommermonaten würde ein Spaziergänger hier nichts Ungewöhnliches bemerken und ahnungslos über den kahlen Boden zwischen den Stämmen gehen.

An diesem Novembermorgen ist es empfindlich kühl und ein Nebelschleier liegt über den Wiesen, die Sonne steigt langsam höher. Es ist still, nur gelegentlich hört man Metall auf Metall schlagen. Einige Vögel beobachten misstrauisch die langen Reihen der Uniformierten.
Vor den Soldaten stehen die Offiziere, den Degen auf die Schulter gelegt, die Gesichter erstarrt. Neben ihnen kleine Gestalten, Kinder, keines älter als 14 Jahre. Ein breiter weißer Riemen zieht sich quer über die Brust und hält die Trommel in Position. Die meisten Trommler zeigen denselben maskenhaften Gesichtsausdruck wie die Soldaten hinter ihnen, doch in ihren Augen kann man deutlich die Angst erkennen. Einige sind das erste Mal dabei und können deshalb nur erahnen, was sie erwartet. Andere haben den einen oder anderen Kampf überlebt und ihre Angst ist ungleich größer, denn sie kennen das Grauen, welches ihnen nun bevorsteht.
Auf der linken Seite steht Johann, der Trommler der 2. Kompanie. Er ist noch nicht lange in der Armee und weiß auch nicht so recht, warum er nun hier ist. Seine Eltern sind tot, seine Verwandten in alle Winde verstreut, der Krieg hat ihm nicht viel gelassen. Ein alter Korporal fand ihn allein vor dem Haus eines Dorfes, welches im Verlauf der Kämpfe vollständig zerstört wurde. Dabei sind auch die Eltern des Jungen getötet worden. Er nahm ihn mit und sorgte dafür, dass er in seinem Regiment als Trommler ausgebildet wurde.
Johann lebt sich ein und wird bei den Soldaten schnell beliebt, weil er so schön singen kann. Selbst die alten Haudegen des Regiments können sich dieser Stimme nicht entziehen und sitzen allabendlich am Lagerfeuer, um dem kleinen Trommler zuzuhören.
Kurz nachdem er der 2. Kompanie zugeteilt wird, versuchten zwei Soldaten, sich an dem Jungen zu vergehen. Die Nachtstreife erwischt die beiden und kann den Übergriff verhindern. Sie hätte die beiden Männer eigentlich dem Regiment melden müssen, doch die Streife überlässt die Bestrafung der Kompanie. An anderen Morgen findet man die Zwei übel zugerichtet in der Nähe der Latrine. Lebend, aber für mindestens eine Woche dienstunfähig. Von diesem Tage an wagt es keiner mehr, den Jungen an zufassen.

Johann schaut verstohlen zu seinem Offizier hoch, doch der steht nur steif da und schaut über die Wiese zur anderen Seite. Dort stehen ebenfalls lange Reihen von Soldaten mit Offizieren davor. Daneben kleine Gestalten, Trommler wie er.
Johann fragt sich, ob sie Angst haben. Bestimmt geben sie sich äußerlich unbewegt, doch auch in ihnen wird die Furcht nagen. Sein Blick verliert sich für einen Moment, und er denkt an seine Eltern. Sie sind erst seit einem halben Jahr tot und doch fällt es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Er schaut zu den zwei alten Bäumen auf dem Hügel links von ihm und wünscht sich dorthin, weg von den Soldaten und dem, was nun folgen wird. Das ist alles nicht richtig, er sollte jetzt nicht hier sein. Keiner sollte das.
Johann bemerkt, dass der Offizier neben ihm unruhig wird. Die Soldaten auf der anderen Seite haben sich in Bewegung gesetzt, und der Klang von Trommelwirbeln klingt herüber. Von hinten ertönt nun ein Hornsignal, die Offiziere heben ihre Degen über ihre Köpfe. Es wird unruhig hinter ihm. Die Reihen lösen sich in Blöcke auf, dazwischen bleiben Lücken, in denen einzelne berittene Offiziere erscheinen. Johann hebt die Trommelstöcke und wartet auf das Zeichen des Offiziers.
Sein Herz schlägt bis zum Hals und trotz der Kühle des Morgens steht Schweiß auf seiner Stirn. Die Angst droht ihn zu überwältigen.
Ein zweites Hornsignal ertönt und der Degen wird zweimal ruckartig nach oben gestoßen. Johann schlägt die Trommel im Taktschritt seines Offiziers und marschiert neben ihm her, den Soldaten auf der anderen Seite entgegen. Er kann in ihnen nicht den Feind sehen, es sind für ihn nur Soldaten, dessen Uniformen eine andere Farbe haben. In besseren Zeiten wäre er mit den Trommlern dort auf der anderen Seite über die Felder getobt und auf die Bäume geklettert. Fernab vom Krieg, nur Kind sein. Doch er ist hier.

Mittlerweile haben sich die beiden Parteien so weit genähert, dass man die Gesichter der anderen erkennen kann. Kanonenkugeln explodieren zwischen den Männern und halten grausame Ernte. Offiziere brüllen Befehle, die Blöcke kommen zum Stillstand und die Soldaten heben ihre Gewehre.
Johann nimmt seine Position zwischen den Blöcken ein, seine Trommel schweigt.
Ein scharfer Befehl, eine Gewehrsalve kracht. Die Soldaten auf der anderen Seite haben zuerst geschossen und viele Kameraden der vordersten Reihe stürzen getroffen zu Boden, Männer schreien und Johann sieht manchen guten Freund fallen. Er weint still, verspürt kaum noch Angst, nur noch Trauer um seine Freunde und Wut über jene, die dafür verantwortlich sind.
Er hat völlig vergessen, dass auch er jederzeit getroffen werden kann. Salve auf Salve kracht. Immer wieder explodieren Kanonenkugeln zwischen den Soldaten, reißen große Lücken in die Reihen. Dichter Pulverqualm lässt Johann kaum noch etwas sehen, nur am grellem Mündungsfeuer kann er die Positionen der anderen Soldaten erahnen.
Er weint jetzt hemmungslos. Das war alles nicht richtig, er sollte nicht hier sein. Johann will nur noch weg. Fort von diesem Grauen, dass hier ist nicht sein Kampf. Dessen wird er sich in diesem kurzen Augenblick voll bewusst.
Ein schwerer Schlag trifft seine Brust, doch er verspürt keinen Schmerz. Verwundert schaut er hinunter. Seine weiße Feldbluse färbt sich rot und er fühlt die Wärme des Blutes auf seiner Haut. Er will um Hilfe rufen, doch kann keinen Ton herausbringen. Seine Knie versagen, die Trommelstöcke gleiten aus seinen Händen. Er fällt vorne über, kommt auf dem Bauch zu liegen, hebt noch einmal den Kopf, doch keiner bemerkt ihn. Dann umfängt ihn Dunkelheit.

Das Schießen hat aufgehört, einzig das Stöhnen und Jammern der Verwundeten ist zu hören. Soldaten irren über das Schlachtfeld. Überall liegen Tote und Verwundete, dazwischen Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände. Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten. Eine Gruppe Soldaten sucht den Boden ab, unter ihnen ist der alte Korporal der 2. Kompanie, jener Soldat, der Johann mitgenommen hatte. Er hat einen blutigen Kopfverband, aber er hat überlebt.
Vor ihm liegt eine Trommel, vollkommen unversehrt. Johanns Trommel. Er erkennt sein Zeichen auf dem Schutzbezug. Direkt daneben liegt eine kleine Gestalt, das Gesicht auf der Erde, die Beine lang ausgestreckt.
Der Korporal lässt sich auf die Knie fallen und dreht die Gestalt langsam um.
Johanns Augen sind geöffnet und sein Gesicht zeigt immer noch Erstaunen. Verwundert sehen die anderen Soldaten, dass der Alte weint. Jener Mann, der selbst im blutigsten Kampf nie eine Regung zeigt, weint nun um einen kleinen Trommler. Mit einer fast zärtlichen Bewegung schließt er dem Jungen die Augen. Er hat sich wieder gefangen und hebt ihn hoch. Er schaut über das Schlachtfeld und seine Augen verweilen auf den beiden alten Bäumen auf dem Hügel. Mit schnellen Schritten geht er darauf zu. Die anderen Soldaten nehmen die Trommel und die Stöcke auf und folgen ihm. Sie ahnen, was er vorhat.
Oben angekommen legt der Korporal Johann vorsichtig auf den Boden, nimmt aus seinem Marschgepäck den kurzen Spaten und fängt an,zwischen den beiden Bäumen zu graben. Die anderen Männer zögern nicht und tun es ihm gleich.
Kurze Zeit später haben sie ein tiefes Grab ausgehoben. Der Korporal wirft den Spaten zur Seite und breitet eine Decke aus dem Gepäck des Jungen auf dem Boden aus und legt ihn darauf. Die Soldaten nehmen die vier Ecken der Decke und lassen Johanns Körper langsam in das Grab hinab. Die Decke ist groß genug, um ihn damit zu zudecken. Trommel und Stöcke legt man ihm auf seine Beine.
Der Korporal stellt sich vor das Grab und faltet die Hände. Er spricht ein kurzes Gebet und bedeutet seinen Kameraden, das Grab zu schließen. Der Alte ritzt derweil Johanns Namen in die Rinde des linken Baumes, den rechten Baum versieht er mit dem Todesjahr des Jungen. Es gibt keinen Grabhügel und kein Kreuz. Johann soll für immer zwischen diesen Bäumen ruhen. Ungestört. Die Soldaten verweilen noch einen Moment und gehen dann den Hügel wieder hinunter.

Die Wurzeln der beiden Bäume haben längst Johanns Gebeine umschlossen und der Erdboden über dem Grab verrät nichts von seiner Existenz. Auch der eingeritzte Name und die Jahreszahl sind nur noch mit viel Mühe zu erkennen. Doch an den kühlen Novembertagen, wenn die Sonne langsam höher steigt, kann man zwischen den beiden alten Bäumen den leisen Schlag des Trommlers vernehmen.


ld
Duisburger
 



 
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