Das Grillfest

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Anna Osowski

Mitglied
Sie waren mir zuwider und eigentlich hätten sie es wissen können. Vielleicht hatte sich der eine oder andere über die Einladung gewundert, vermutlich wurde sie unterm Strich für ein versöhnliches Angebot gehalten. Das Fest lag günstig an einem Samstagabend und ausnahmslos alle Nachbarn waren erschienen. Ordentlich verheiratete Paare, die Kinder buddelten idyllisch in der großflächigen Sandkiste. Niemand nahm Anstoß daran, dass ich nur Salat und Tofuwürstchen aß, schließlich war bekannt, dass ich die vegetarische Ernährung bevorzugte. Wie es sich gehörte, benahm man sich tolerant und hämische Bemerkungen wurden an diesem Abend durch heimliches Grinsen ersetzt.

Einige Hausfrauen hatten großzügig Salate beigesteuert, die in kürzlich erworbenen Tuppergefäßen herangetragen wurden. Der Grill, angefacht durch den fachmännisch dreinblickenden Kassenwart der Siedlung, qualmte und stank, so dass niemand auf mein stilles Lächeln achtete. Vorsichtshalber war mein Sohn an diesem Abend bei den Großeltern. Auch die Musikauswahl, die ich mit einer lässigen Gemeinheit traf (zuerst die frühen Stücke von Prince, später dann Wagner), konnte die allgemein gute Laune in keiner Weise trüben. Man gab sich Mühe. Bald schon schmorten die ersten Fleischstücke auf der Glut und zum Klang der unfassbar belanglosen Dialoge wurde das Grillzeug im Laufe einer guten Stunde restlos verspeist.

Mit steigendem Bierkonsum bewegte sich die Konversation bald vom hitzetobenden Wetter zur Gesundheitsreform und Gemeindeintrigen. Von Kürzungen war die Rede und später dann auch von Jugendkriminalität und dem Verfall der Sitten. Ich hielt mich beobachtend und genießend bedeckt. Mein Schweigen kaum zu deuten, wurde für Schüchternheit gehalten oder schlicht gar nicht beachtet. Man hatte seine üblichen Gesprächspartner und genoß die Abenddämmerung und die darin gleißenden Fackeln. Während die letzten noch an ihren Fleischstückchen kauten, kam endlich die Rede auf die erschütternden Ereignisse in der Gemeinde, von denen die Presse seit einer Woche berichtete.

Mein Blick glitt ausdruckslos über die Spuren des Gelages. Frau Gottwald, die gerade den Verlust ihres Riesensittichs beklagte, stocherte mit der Gabel in den Resten des Wurstsalats, während Herr Liebold, der sich über das vermutliche Ableben seines Cockerspaniels ausschwieg, schon längst nur noch Knochenreste auf seinem Teller hatte. Herr Kunstmann, den ich persönlich am allerwenigsten leiden konnte, hatte zu meiner Zufriedenheit seinen unappetitlichen Bierbauch mit mindestens einem Kilo Koteletts überfordert. Ein wenig leid tat mir die zerbrechliche Frau Ehlers, Mutter zweier hagerer Jungs, die über alles gut informiert war, wegen ihrer umfassenden Allergien jedoch nie ein Haustier halten konnte. Sie gab Insiderwissen über die neuesten Ermittlungsergebnisse preis, weil sie seit einem Vierteljahr im Sekretariat des Bürgermeisters arbeitete.

Der Fall war so gut wie sicher auf dem Weg zur Ablage „unlösbar“. Insgesamt waren drei Hunde, zwei Katzen, sieben Wellen- und andere Sittiche sowie zwölf Kleinnager auf ziemlich spontane und unerklärliche Weise abhanden gekommen.

Ich war nun sicher, dass alle Spuren beseitigt waren. Mit einem sehr selbstzufriedenen Grinsen ging ich an diesem Abend ins Bett.
 
L

Lotte Werther

Gast
An Anna Osowski

Leider kann ich dieser Geschichte keinen Witz abgewinnen. Das liegt aber nicht an meiner tierliebenden Natur, die nun den verspeisten Sittichen nachtrauern würde. Auch nicht an moralischen Bedenken, denn die lässt man beim Lesen von literarischen Texten am besten sein.

Was mich an deiner Geschichte stört, ist die Protagonistin, die sich in überheblicher Weise über die Spießer setzt. Sie urteilt, und teilt aus. Sie blickt herab und missachtet. Das solltest du ändern.

Und erzählt hast du auch zu wenig. Erst im letzten Abschnitt gibt es Ansätze, da, wo die Nachbarn Namen bekommen und ihr Charakter ein wenig beschrieben wird. Vorher ist es eher der Bericht einer sich über die anderen mit erhobenem Finger stellenden Person.

Ich konnte an keiner Stelle lachen oder schmunzeln. Und du würdest dein Ziel am besten erreicht haben, wenn der Leser am Ende zu dem Schluss kommt, den die Protagonistin ihm vorweg nimmt.

Lotte Werther
 

majissa

Mitglied
Ich liebe Wellensittiche!

Ohne Kopf, gedünstet, mit Rotkraut, Pellkartoffeln und einem Lorbeerblatt.

Hallo Anna,

nach dem kleinen Scherz da oben komme ich zu deiner Geschichte, die mir ausgesprochen behagte. Mir gefällt die erhabene, schon an Zynismus grenzende, Sichtweise, aus der du deine Protagonistin erzählen lässt. Sicher mag es starker Tobak sein, von gegrillten Tieren zu schreiben, doch in der Literatur sollte auch das erlaubt sein. Besonders, wenn es wie hier so galant, stilsicher und unterhaltsam präsentiert wird. Ein großes Lob also von mir für Idee und Umsetzung. Dass deine Geschichten wie aus einem Guss sind, fiel mir schon bei deinen anderen Werken auf. Das findet man hier eher selten.

Lieben Gruß
Majissa
 

Anna Osowski

Mitglied
Liebe Lotte, liebe Majissa.

Der eine kann drüber lachen/schmunzeln, der andere nicht. Soviel habe ich hier gelernt. Das mit dem "aus einem Guss" ehrt mich, ich selbst habe diesen Eindruck bei den Stücken, die in einer Stunde runtergeschrieben sind. Wie dies hier auch.

Was nun aber Deine Einwände betrifft, Lotte. Zum einen sollte es keine Erzählung werden, deshalb habe ich auf Profile verzichtet. Wie bei vielen meiner Fragmente lasse ich große Teile weg. Zum Weiteren: Überheblichkiet kann man da hineinlesen, aber es gibt doch auch noch ganz andere Lesarten?! Den erhobenen Finger kann ich irgendwie auch gar nicht finden, dafür bleiben die Motivationen viel zu diffus. Außerdem habe ich Deinen letzten Satz nicht verstanden. Was nehme ich dem Leser vorweg? So gern ich Deine Textkritiken hier immer wieder lese, weil sie so ausgesprochen differenziert und sorgfältig sind, so wenig kann ich leider in diesem Fall damit anfangen. Trotzdem vielen Dank fürs Befassen. :)

Lieben Gruß
Anna
 
L

Lotte Werther

Gast
Gerne melde ich mich nochmals.

Sie waren mir zuwider und eigentlich hätten sie es wissen können.

Schon im ersten Satz gibst du die Gefühle der Protag. zu ihren Nachbarn preis.

Wie es sich gehörte, benahm man sich tolerant und hämische Bemerkungen wurden an diesem Abend durch heimliches Grinsen ersetzt.

Bei diesem Satz ist es auch klar, dass sie sich über die lieben Nachbarn stellt.

Auch die Musikauswahl, die ich mit einer lässigen Gemeinheit traf...

Hier wieder – anstatt den Leser feststellen zu lassen, dass sie gemein ist, servierst du es ihm. Das nenne ich vorwegnehmen und ich bleibe bei meiner Meinung.

...später dann Wagner), konnte die allgemein gute Laune in keiner Weise trüben. Man gab sich Mühe...

Wenn du Musik von Wagner erwähnst mit dem Zusatz, „Man gab sich Mühe“ - ist das eine überhebliche Aussage der Prot.

Was nun nicht heissen soll, dass die lieben Nachbarn nicht Spießer wären, aber du hast es eben direkt gesagt, durch deine Wortwahl. Und das finde ich nicht spannend.
Und auch nicht amüsant.

... zum Klang der unfassbar belanglosen Dialoge wurde das Grillzeug im Laufe einer guten Stunde restlos verspeist.

Und wieder – anstatt Dialoge zu bringen, die mich folgern lassen, dass sie unfassbar sind, lässt du die Prot. das sagen und sich damit mit erhobenem Finger über die anderen stellen.

Ich glaube, ich habe nun ausführlich und verständlich genug meinen Satz vom Vorwegnehmen erklärt.

Und dieser zweite Kommentar ist keine Rechtfertigung meines ersten, sondern als Hilfe für dich gedacht.

Meine Intention ist es nicht, jemanden einzustampfen, sondern ihn zu fördern.

Lotte Werther
 
A

AndreasGaertner

Gast
hallo liebe Anna,

ich habe noch ein paar Anmerkungen zu Deinem Text.


Sie waren mir zuwider und eigentlich hätten sie es wissen können. Vielleicht hatte sich der eine oder andere über die Einladung gewundert, vermutlich wurde sie unterm Strich für ein versöhnliches Angebot gehalten. Das Fest lag günstig an einem Samstagabend und ausnahmslos alle Nachbarn waren erschienen. Ordentlich verheiratete Paare, die Kinder buddelten idyllisch Sie buddelten bestimmt nicht idyllisch, sondern die Szenerie soll idyllisch sein.in der großflächigen Sandkiste. Niemand nahm Anstoß daran, dass ich nur Salat und Tofuwürstchen aß vielleicht haben die Leute ja heimlich gegrinst?, schließlich war bekannt, dass ich die vegetarische Ernährung bevorzugte. Wie es sich gehörte, benahm man sich tolerant und hämische Bemerkungen wurden an diesem Abend durch heimliches Grinsen ersetzt.

Einige Hausfrauen hatten großzügig Salate beigesteuert, die in kürzlich erworbenen Tuppergefäßen herangetragen wurden. Einige großzügige Hausfrauen hatten in Tuppergefäßen Salate herangetragen.Der Grill, angefacht durch den fachmännisch dreinblickenden ?Kassenwart der Siedlung, qualmte und stank, so dass niemand auf mein stilles Lächeln achtete. Vorsichtshalber war mein Sohn an diesem Abend bei den Großeltern. Auch die Musikauswahl, die ich mit einer lässigen Gemeinheit traf (zuerst die frühen Stücke von Prince, später dann Wagner), konnte die allgemein gute Laune in keiner Weise trüben. Man gab sich Mühe. Bald schon schmorten die ersten Fleischstücke auf der Glut und zum Klang Klang?der unfassbar belanglosen Dialoge wurde das Grillzeug im Laufe einer guten Stunde restlos verspeist.

Mit steigendem Bierkonsum bewegte sich die Konversation bald vom hitzetobenden? Wetter zur Gesundheitsreform und Gemeindeintrigen. Von Kürzungen war die Rede und später dann auch von Jugendkriminalität und dem Verfall der Sitten. Ich hielt mich beobachtend und genießend bedeckt. Mein Schweigen kaum zu deuten, wurde für Schüchternheit gehalten oder schlicht gar nicht beachtet. Man hatte seine üblichen Gesprächspartner und genoß die Abenddämmerung und die darin gleißenden gleißen ist unerträglich grelles Licht Fackeln. Während die letzten noch an ihren Fleischstückchen Fleischstücke zum Zweiten kauten, kam endlich die Rede auf die erschütternden Ereignisse in der Gemeinde, von denen die Presse seit einer Woche berichtete.

Mein Blick glitt ausdruckslos über die Spuren des Gelages. Frau Gottwald, die gerade den Verlust ihres Riesensittichs beklagte, stocherte mit der Gabel in den Resten des Wurstsalats, während Herr Liebold, der sich über das vermutliche Ableben seines Cockerspaniels ausschwieg, schon längst nur noch Knochenreste auf seinem Teller hatte. Herr Kunstmann, den ich persönlich am allerwenigsten leiden konnte, hatte zu meiner Zufriedenheit seinen unappetitlichen Bierbauch mit mindestens einem Kilo Koteletts überfordert??. Ein wenig leid tat mir die zerbrechliche Frau Ehlers, Mutter zweier hagerer Jungs, die über alles gut informiert war, wegen ihrer umfassenden Allergien jedoch nie ein Haustier halten konnte. Sie gab Insiderwissen Englischdeutschwortüber die neuesten Ermittlungsergebnisse preis, weil sie seit einem Vierteljahr im Sekretariat des Bürgermeisters arbeitete.

Der Fall war so gut wie sicher auf dem Weg zur Ablage „unlösbar“. Insgesamt waren drei Hunde, zwei Katzen, sieben Wellen- und andere Sittiche sowie zwölf Kleinnager auf ziemlich spontane und unerklärliche Weise abhanden gekommen.

Ich war nun sicher, dass alle Spuren beseitigt waren. Mit einem sehr selbstzufriedenen Grinsen Ausdruckslos?ging ich an diesem Abend ins Bett.

Liebe Anna, Dein Text ist holprig und trägt NUR etwas Sarkasmus in sich.

Liebe Grüsse

Andreas
 

rabi

Mitglied
Ich finde die Idee sehr interessant und auch die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurde. Es ist eine sogenannte Story-of-Second-Reading, wie ich es immer nenne.

Beim ersten Lesen weiß der Leser bis zu 90 Prozent des Textes überhaupt nicht, worauf der Autor überhaupt hinaus will. (Da gibt richtet jemand ein Grillfest aus, und setzt sich dann als Gastgeber still in die Ecke)

Erst beim zweiten Lesen "versteht" man die Geschichte. Und auch das Belehrende, der erhobene Zeigefinger des Protagonisten ist dann besser zu verstehen.
 



 
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