Das Heer der Fliegen

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Das Heer der Fliegen

Die Sonne schickt ihre Strahlen durch das Blätterdach der alten Bäume. In den, bis zum Boden reichenden, flirrenden Lichtspeeren tanzen Mücken und Schwebteilchen in einem unwirklich anmutenden Reigen. Die ausladenden Baumwipfel beschatten eine kleine Ansammlung unterschiedlicher Gebäude. Es handelt sich dabei um den Ferien-Bauernhof der Familie Locker.
Seit dem gestrigen Tage verbringen auch Ella und ihre 14-jährige Tochter Lissy so wie Rudi ihren Urlaub in diesem idyllischen Eckchen Schleswig / Holsteins. Die beiden Frauen begeistert besonders die Möglichkeit, auf den hofeigenen Fjord-Pferden zu reiten. Selbstverständlich bereiten ihnen alle weiteren hier vertretenen Tierarten ebenfalls Freude. Das reicht vom possierlichen Zwerg-Kaninchen bis zu dem kraftstrotzenden Bullen. Auch Rudi mag Tiere sehr gern, allerdings ist er eher auf Lebewesen mit Fell, Schwanz, Augen und Ohren geprägt. Mit den hier ebenfalls heimischen Erdwespen, Mücken, Bremsen und sonstigen Insektoiden hat er es nicht so. Ihn erfassen da schon eher Mordgelüste, besonders wenn er von diesen Wesen fortgesetzt belästigt wird! Das ist auf diesem Hof leider durchaus der Fall. Heute Morgen wurde er von einer Fliege geweckt, die sich anscheinend gerade dauerhaft in seiner Nase ansiedeln wollte!
In zweitbester Bauernhoflaune schlurft Rudi einige Zeit später zum Frühstückstisch, wo sich Lissy, Ella und die Fliegen bereits niedergelassen haben.
Der schwarze, flugfähige Belag auf seinem Brötchen fördert zwar nicht gerade den Appetit, dafür aber die schlanke Linie. Selbst die, in der Kaffeetasse um ihr Leben rudernden Tiere, dürfen keinerlei Rettungsmaßnahme von seiner Seite erwarten. Rudi ist jetzt ernsthaft sauer.
Während die Frauen sich voller Vorfreude in die Reitkleidung zwängen, kriecht Rudi halbwegs in die Schränke hinein und rumort dort, unter Scheppern und Klirren, bis in deren hinterste Winkel. Weiter robbt er fluchend auf dem Bauch durch die Wohnung, um unter die Möbel zu spähen.
„Hier muss doch irgendwo eine sein“, grummelt er vor sich hin.
Seine intensive Suche fördert zwar ein ganzes Arsenal von Insekten-Bekämpfungsmitteln zutage (chemische, elektrische, giftige und klebrige), aber er sucht jetzt die persönlich-mannhafte Auseinandersetzung mittels einer Fliegenklatsche! Zunächst sucht er allerdings noch die Klatsche.
Die Art in der Rudi da mitten im Wohnraum steht, mit Staub-Inseln eingepudert und dekorative Spinn-Fäden im verwuschelten Haar, dazu dieser leicht irre Blick eines zu allem entschlossenen Don-Fliegen-Quischotte - das kann schon beunruhigend wirken. Die Frauen brechen jedenfalls ungewohnt pünktlich auf.
Einzig die Fliegen bleiben völlig unbeeindruckt. Ein Beobachter könnte leicht den Eindruck gewinnen sie fänden Rudi ausgesprochen sympathisch, denn sie umkreisen wohlig-summend sein Haupt und suchen geradezu seine Nähe. Ja, es scheint beinahe, als schmiegten sie sich an ihn wie sie da, elf an der Zahl, auf ihm Platz genommen haben. Rudi begibt sich, umschwirrt von Sympathisanten, zur Tür.
Zwei Stunden später kehrt er aus der nächsten Ansammlung von Gebäuden, die sich hier frech Stadt nennen darf, mit einer handlichen, TÜV geprüften Fliegenklatsche - Modell: Tapferes Schneiderlein - zurück.
Nachdem er alle Fenster und Türen geschlossen hat, bereitet Rudi sich mit gymnastischen Lockerungsübungen und Dehnungen vor. Zuletzt lässt er sich im Buddhasitz auf dem Teppich nieder, leert sein Bewusstsein von allen vorüberziehenden Gedanken und konzentriert sich darauf mental völlig mit seiner Aufgabe zu verschmelzen.
Als er eine Viertelstunde später wieder in Bewegung kommt, hat er sich in eine gnadenlose Kampfmaschine verwandelt. Federnd, die Klatsche wie ein Degenfechter locker vor sich haltend, die andere Hand auf die Hüfte gestützt, tänzelt Rudi durch die Räume der Wohnung.
Durch eine scheinbar Fliegenfreie Wohnung! Nicht ein einziges Exemplar dieser niederträchtigen und feigen Bande traut sich aus seinem Versteck. Aber Rudi hat seine Widersacher inzwischen gründlich studiert! Er schnappt sich sein Buch, füllt ein Glas mit Limonade und legt sich - und unauffällig auch die Klatsche - auf das Sofa. Kaum, dass er die Augen schließt, siehe da, schon kommen sie aus Ecken und Winkeln, einzeln und in Verbänden, angeflogen. Ein Beobachter hätte den Eindruck, Rudi sei eine Art "Blackhole", welches die umherfliegenden Insekten ansaugt! Erste Späher landen inzwischen auf Rudi und in der Limonade, dicht gefolgt von wahrscheinlich Freiwilligen und besonders Mutigen. Das ganze Zimmer ist von Summen erfüllt!
Auf diesen Moment hat Rudi gewartet. Er springt, die Klatsche schon in der Hand, auf und verwandelt sich ohne Vorwarnung in einen Berserker! Unter seinen Hieben fallen zwei, drei, ja fünf Geflügelte gleichzeitig. Trotzdem bewegt er sich mit einer tänzerischen Leichtigkeit, die beinahe unheimlich anmutet. Darf man sich so vielleicht einen der berüchtigten, alt-japanischen Ninja vorstellen? Rudi dezimiert mit jedem treffsicheren Hieb seiner virtuos geführten Klatsche die gegnerischen Truppen empfindlich.
Den Zweiflüglern gelingt es nicht mehr, eine geordnete Verteidigung aufzubauen, da Rudis präzise Streiche ihre Reihen schneller lichten, als sie Entsatz heranführen können. Ein Ausbruch blinder Panik ist die Folge. Etwaige strategische Vorgaben werden nun blindlings über Bord geworfen und erleichtern dadurch Rudis vernichtenden Feldzug noch. Es ist ein einseitiges Gemetzel und selbst einzelne Flüchtlinge werden gnadenlos verfolgt und ausgelöscht.
Gegen jede Genfer Konvention werden selbst Unterhändler, bevor sie den Rüssel auch nur öffnen können, für immer zum Verstummen gebracht. Selbst das weiße Fähnchen, das drei verletzte Fliegen-Veteranen noch zu hissen versuchen, findet nicht die geringste Beachtung. Diese Schlacht gewährt kein Pardon!
Erst als sich nichts mehr rührt und kein noch so leises Flügel-Schwirren die lastende Stille betont, erwacht Rudi allmählich aus seinem rauschartigen Zustand. Verwundert schaut er um sich. Er steht mitten in einem Fliegenfriedhof! Der Fußboden ist von schwarzen Leibern übersät. Nur hier und da zuckt noch ein Bein. Die Limo tropft monoton vom Tisch und wird vom Teppichboden verschluckt. Das Trinkglas, einige Vasen und weitere Dekorations-Gegenstände müssen wohl als Kollateralschäden abgeschrieben oder ersetzt werden und, na ja, diese Wohnzimmerlampe ... Rudi fand die ohnehin nicht sehr schön!
Während Rudi noch mit den umfangreichen Aufräumungsarbeiten beschäftigt ist, nähern sich draußen schnelle Schritte und die Eingangstür wird aufgerissen.
„Papa, Papa, du musst sofort kommen, eine Kuh bekommt gerade ein Kalb und wir dürfen dabei zusehen, echt! Das musst du sehen! Die Beine gucken schon raus!“
Die ersten Fliegen nutzen die günstige Gelegenheit und durchqueren zielstrebig den einladend offen stehenden Windfang. Einige Immigranten und Umsiedler-Fliegen schließen sich direkt an.
Bis Rudi die Gefahr erkennt und „Tür zu!“, brüllen kann, haben auch schon einige Explorer-Fliegen und mehrere Kleingruppen mit Aufklärungsauftrag den Hauptwohnraum erreicht. Ihnen folgen mit nur wenigen Flügelspannen Abstand, in wachsender Zahl die als hartgesotten geltenden Pionier-Fliegen. Selbst fliegenstämmige Ausflugsgruppen haben die Einladung inzwischen dankbar angenommen.
Es vergehen weitere drei Sekunden, bis die völlig verblüffte Lissy reagiert. Diese Zeitspanne reicht der geflügelten Kavallerie aus, in wildem Luft-Galopp über und unter der Tür hindurch zu jagen. Bevor die Tür endlich ins Schloss fällt, quetscht sich eben noch schnell ein Fliegentrupp in Kompaniestärke herein. Unter Rudis entsetzten Blicken verteilt er sich, nach strategischen Gesichtspunkten, in der gesamten Wohnung. Rudi überläuft ein Schauder, als ihm plötzlich klar wird:
Diesen Krieg kann er nicht gewinnen!
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Gandalf mit der Klatsche

Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass derjenige im Irrtum ist, der glaubt, dass Fliegen auf Fenstern und Türen verzweifelt einen Weg nach draußen suchen. In Wirklichkeit fühlen sie sich nirgendwo wohler als in der Gesellschaft von Mensch und Tier. Und eine Fliegenklatsche ist Signal für alle diese Plagegeister, sich erst mal zu verstecken.

Am gemeinsten sind aber die Mücken, die kurz vor dem Einschlafen die Ohren von Menschen umkreisend, mit hohen oder tiefen Summtönen so richtig angeben. Die nächtliche Suche bei Licht nach diesen Fieslingen ist nahezu hoffnungslos.

Hast du gut beobachtet und anschaulich humorvoll rübergebracht. Ein paar Leerzeilen als gliedernde Absätze mehr hätten nicht schaden können und der Don Quichotte wird ohne „sch“ geschrieben. Dazu noch ein paar Kommafehler – aber das soll in den besten Kreisen vorkommen.

Alles in allem eine hübsche Geschichte, die aber noch mehr Platz für Humor und Satire hätte bieten können.

Es grüßt der Ironbiber
 



 
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